Antikoagulation bei Vorhofflimmern nach Koronararterienbypass?

Bei Patienten mit neu aufgetretenem Vorhofflimmern nach einem Koronararterienbypass kann einer neuen Studie zufolge auf eine orale Antikoagulationstherapie aufgrund eines sehr geringen 1-Jahres-Risiko für einen ischämischen Schlaganfall verzichtet werden.

Blutplättchen

Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Arrhythmie in der Bevölkerung und tritt bei 20 bis 40% bei Patienten nach einer Herzoperation auf, bei denen kein VHF in der Anamnese bekannt war. Die Schlaganfall-Prävention bei aufgetretenem VHF ist bei allen Patienten das vorrangige Ziel. Allerdings ist die optimale Behandlung von neu aufgetretenem postoperativen VHF jedoch noch unklar.

Bei Patienten mit nicht-chirurgischem VHF wird als Entscheidungshilfe für die Schlaganfall-Prävention in Form einer oralen Antikoagulationstherapie der CHAD2DS2-VASc-Score verwendet. Der Namen steht für die einzelnen Risiken. Diese sind:

Pro Risikofaktor wird ein Punkt vergeben mit Ausnahme für die beiden Risiken Alter ≥75 Jahre und früherer Schlaganfall, für die jeweils 2 Punkte vergeben werden. Ein Wert ≥1 bei Männern und ≥2 bei Frauen entspricht einem jährlichen Schlaganfallrisiko von über einem Prozent und rechtfertigt eine langfristige orale Antikoagulation, wenn zeitgleich das Blutungsrisiko akzeptabel ist.

Zielsetzung

Die vorliegende Kohortenstudie untersucht daher, ob der CHAD2DS2-VASc-Score zur Einschätzung des 1-Jahres-Risiko für einen ischämischen Schlaganfall bei Patienten mit neu aufgetretenem VHF nach einem Koronararterienbypass (coronary artery bypass graft [CABG]) verwendet werden kann.

Methodik

Bei der Studie handelt es sich um eine schwedische landesweite, beobachtende und registerbasierte Kohortenstudie. Geeignet waren Patienten mit einer erstmaligen CABG ohne weitere begleitende Eingriffe zwischen 2007 und 2017, mit neu aufgetretenem postoperativem VHF und ohne bisherige orale Antikoagulation. Ausgeschlossen wurden Patienten, die während des Index-Krankenhausaufenthaltes verstarben oder solche Patienten bei denen bereits VHF diagnostiziert war.

Der primäre Endpunkt war definiert als die Rate an ischämischen Schlaganfällen während der einjährigen Nachbeobachtung. Diese wurde mit vorangegangenen Studien unter Berücksichtigung des CHAD2DS2-VASc-Scores verglichen.

Ergebnisse

Studienkohorte

Insgesamt unterzogen sich in Schweden im Zeitraum zwischen 2007 und 2017 32.109 Patienten einer erstmaligen CABG. Nach Berücksichtigung der Ausschlusskriterien, mit 546 verstorbenen Patienten (1,7%) und 2.854 Patienten (8,9%) mit VHF in der Anamnese, konnten 28.709 Patienten in die Kohorte eingeschlossen werden. Bei 8.348 Patienten (29,1%) trat postoperativ VHF auf. Daher wurden weitere 116 Patienten (1,4%) mit einer oralen Antikoagulation vor dem CABG und 1.864 Patienten (22,6%) mit einer oralen Antikoagulation bei Entlassung aus dem Krankenhaus ausgeschlossen. Die primäre Studienpopulation setzte sich somit aus 6.368 Patienten mit VHF nach CABG ohne eine orale Antikoagulation zusammen.

Das mittlere Alter dieser Patienten lag bei 69,9 ± 7,9 Jahren und 81,2% waren männlich. Mehr als 97,1% erhielten eine Anti-Plättchentherapie von denen sich 20,5% einer dualen Antiplättchen-Therapie unterzogen. Der mittler CHAD2DS2-VASc-Score lag bei 3,7.

CHAD2DS2-VASc-Score und Auftreten von klinisch relevanten Ereignissen im ersten Jahr

5.875 Patienten (92,3%) schlossen die einjährige Nachbeobachtung ab. 147 ischämische Schlaganfälle wurden in diesem Zeitraum diagnostiziert, wobei 42 Schlaganfälle (28,6%) bereits innerhalb des ersten Monats nach Entlassung auftraten. Weiterhin traten 47 TIAs und 6 systemische Embolien auf und somit insgesamt 200 thromboembolischen Ereignisse. Weiterhin wurden 174 schwere Blutungsereignisse, davon 81 Ereignisse (46,6%) innerhalb des ersten Monates dokumentiert.

Die Rate der ischämischen Schlaganfälle sowie die Rate jeglicher Thromboembolien und schweren Blutungen nach dem CHAD2DS2-VASc-Score waren wie folgt:

  • Score 1: 0,3% Schlaganfälle (5,2% der Patienten); 0,7% Thromboembolien; 1,7% schwere Blutungen
  • Score 2: 0,7% Schlaganfälle (16,7% der Patienten); 1,4% Thromboembolien; 1,7% schwere Blutungen
  • Score 3: 1,5% Schlaganfälle (26,1% der Patienten); 2,2% Thromboembolien; 2,7% schwere Blutungen
  • Score ≥4: ≥2,3% Schlaganfälle (52,0% der Patienten); ≥3,0% Thromboembolien; 3,3% schwere Blutungen

Ereignisse über gesamten Nachbeobachtungszeitraum

Die mediane Nachbeobachtung lag bei 5,2 Jahren und lag im Bereich zwischen 0 bis 10 Jahre. In diesem Zeitraum verstarben insgesamt 1.044 Patienten (16,4%) und 473 Patienten (7,4%) hatten einen diagnostizierten ischämischen Schlaganfall und 639 Patienten (10,01%) ein thromboembolisches Ereignis). Die Ereignisrate pro 100 Patientenjahre lag mit steigendem CHAD2DS2-VASc-Score (1bis ≥4) bei 0,2; 0,7; 1,2 und 1,7.

Fazit

Der CHAD2DS2-VASc-Score eignet sich laut dieser Kohortenstudie dazu, Patienten mit neu aufgetretenem postoperativen VHF nach CABG und einem geringem Schlaganfallrisiko im ersten Jahr nach der Krankenhausentlassung zu identifizieren. Bei diesen Patienten kann daher wahrscheinlich im ersten Jahr auf eine orale Antikoagulation verzichtet werden. Jedoch muss bei diesem Entschluss berücksichtigt werden, dass diese Erkenntnis auf einer Beobachtungsstudie beruht und diese mit Schwächen einschließlich Verzerrungen und potenziell nicht berücksichtigten Störfaktoren beruht. Allerdings wurden frühere Schlaganfall-Risikostratifizierungssysteme, einschließlich des CHA2DS2-VASc-Scores, ebenfalls anhand retrospektiver Studien entwickelt und validiert.

Autor:
Stand:
07.06.2022
Quelle:

Taha A. et al. (2022): Stroke Risk Stratification in Patients With Postoperative Atrial Fibrillation After Coronary Artery Bypass Grafting. Journal of the American Heart Association. DOI: 10.1161/JAHA.121.024703

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