Die gastroösophageale Refluxkrankheit wird definiert als gastroösophagealer Reflux, der zu störenden Symptomen und/oder Komplikationen führt. Etwa 20% der Bevölkerung der westlichen Industrieländer ist von dieser Krankheit betroffen. Leitsymptom der Erkrankung ist Sodbrennen. Jedoch kann die Erkrankung zudem vielfältige andere Symptome aufweisen.
Die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) liegt gemäß der Montreal-Klassifikation vor, wenn ein gastroösophagealer Reflux zu störenden Symptomen und/oder Komplikationen führt. Durch diese Klassifikation werden auch asymptomatische Patienten mit Komplikationen (z. B. dem Barrett-Ösophagus) erfasst. Die GERD wird eingeteilt in verschiedene Formen:
NERD (non-erosive reflux disease): 60% der Patienten leiden an einer NERD. Diese ist charakterisiert durch das Ausbleiben von endoskopisch nachweisbaren Läsionen (Erosionen, Strikturen, Barrett-Ösophagus).
ERD (erosive reflux disease): Hierunter versteht man eine GERD-Form mit histopathologischem Nachweis von endoskopisch sichtbaren Schleimhautläsionen. Diese Form betrifft 40% der GERD-Patienten.
Barrett-Ösophagus: Im Rahmen der GERD kann es zu dem Auftreten einer Epitheldysplasie des Ösophagus kommen, dem sogenannten Barrett-Ösophagus. Das eigentlich mehrschichtige unverhornte Plattenepithel des terminalen Ösophagus wird in ein Zylinderepithel vom intestinalen Typ mit Becherzellen umgewandelt. Der Barrett-Ösophagus stellt eine Präkanzerose für das Adenokarzinom des Ösophagus dar, welches in etwa 10% der Fälle auftritt.
Hypersensitiver Ösophagus: Ein hypersensitiver Ösophagus ist definiert als formal normwertige Refluxereignisse, die jedoch klinisch Sodbrennen und weitere Symptome verursachen. Dem hypersensitiven Ösophagus liegt eine Steigerung der viszeralen Schmerzwahrnehmung zu Grunde.
Extraösophageale Manifestation: Zu den extraösophagealen Manifestationen der GERD zählen unter anderem die Laryngitis, chronischer Husten, Asthma und Zahnschmelzerosionen.
Funktionelle Refluxbeschwerden: Die betroffenen Patienten zeigen Symptome wie z. B. Sodbrennen. Es kann jedoch kein pathologischer Reflux nachgewiesen werden. Außerdem besteht keine zeitliche Assoziation der Schmerzangaben mit physiologischen Refluxereignissen. Eine säurehemmende Therapie bleibt daher wirkungslos bei diesen Patienten. Die Ursache wird in einer erhöhten afferenten ösophagealen Sensitivität vermutet.
Epidemiologie
Die gastroösophageale Refluxkrankheit kommt mit einer Prävalenz von 10-20% der Bevölkerung vor. 60% der Betroffenen leiden an einer NERD, also einer symptomatischen Refluxkrankheit ohne den Nachweis von Schleimhautläsionen und 40% hingegen an der sogenannten ERD. Die GERD betrifft Frauen und Männer gleichermaßen. Sowohl Erwachsenen als auch Kinder können von der GERD betroffen sein. Die Wahrscheinlichkeit, an der GERD zu erkranken steigt mit zunehmendem Alter.
Ursachen
Gemäß der Pathophysiologie unterscheidet man eine primäre von einer sekundären GERD.
Primäre GERD
Mit einem Vorkommen von 80 – 90 % ist der primäre GERD die häufigere Form. Die Ursache liegt hier in einer Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters oder der Kardia außerhalb des Schluckaktes. Die Genese ist häufig unklar. In 90% liegt eine gleichzeitige axiale Hiatushernie vor.
Begünstigende Faktoren für diese Insuffizienz können sein:
Kaffee, Rauchen, große Mahlzeiten am Abend
Adipositas und der hiermit einhergehende erhöhte intraabdominelle Druck
Stress
Insuffizienz Zwerchfellschenkel
His-Winkel (=Winkel zwischen Ösophagus und Magenfundus) >60°
Sekundäre GERD
Wenn die Ursachen für die Störung des unteren Ösophagussphinkters eruierbar sind, spricht man von einer sekundären GERD. Die Ursachen für eine sekundäre GERD sind vor allem:
Schwangerschaft
Iatrogene Ursachen (z. B. nach Gastrektomie)
Pylorusstenose, Duodenalstenose
Sklerodermie
Pathogenese
Physiologischerweise exisitieren Schutzmechanismen gegen einen gastroösophagealen Reflux. Als wichtigste Refluxbarriere gilt der untere Ösophagussphinkter, der zwischen dem Magen und dem Ösophagus liegt. Sein Druck ist normalerweise höher als der intragastrale Druck und schützt so vor einem gastroösophagealen Reflux. Er ist in Ruhe geschlossen und öffnet beim Schluckvorgang. Bei Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters kann es dann zum Auftreten eines gastroösophagealen Reflux kommen.
Zudem kann eine verminderte ösophageale Clearance vorliegen, welche in einem längeren Verbleib des Refluats im Ösophagus resultiert.
Zum anderen kann es zu einem gastroösophagealen Reflux kommen, wenn große Mengen an Magensäure vorliegen, und/oder die Peristaltik des Ösophagus beeinträchtigt ist. Im Rahmen von üppigen Mahlzeiten kommt es zu einer hohen Säureproduktion, welche dann in Kardia-nahen Zonen eine hohe Säurekonzentration bedingt. Diese kann in Richtung Ösophagus hochgedrückt werden. Es bildet sich eine sogenannte „Säuretasche“.
Symptome
Die Symptome der gastroösophagealen Refluxkrankheit zeigen sich insbesondere in bestimmten Situationen z. B. Körperlageänderungen (v. a. Liegen, Bücken), nach Alkoholkonsum und bei Stress. Das Leitsymptom der Erkrankung ist das Sodbrennen, welches vor allem im Liegen und postprandial auftritt. Meist beklagen die Patienten zudem ein thorakales Druckgefühl, Luftaufstoßen, Regurgitation von Nahrungsresten, Dysphagie, chronischen Reizhusten und nächtlichen Hustenreiz. Ferner können Übelkeit, Erbrechen und Mundgeruch auftreten.
Säurereflux kann auch ohne typische Refluxbeschwerden mit Schlafstörungen assoziiert sein.
GERD-Patienten leiden häufig an einer Einschränkung ihrer Lebensqualität.
Diagnostik
Anamnese
Die Diagnostik der GERD beginnt mit der Anamnese, welche vor allem Refluxbeschwerden (z. B. Sodbrennen, Säureregurgitation) und Reflux-assoziierte Symptome (z. B. epigastrische Schmerzen, thorakale Schmerzen, Dysphagie, Odynophagie, Brennen im Rachen und Räuspern) eruieren soll. Ferner muss ein Augenmerk auf die vom Patienten eingenommen Medikamente gelegt werden, da die GERD durch Medikamente verursacht oder verstärkt werden kann. Zu diesen Medikamenten gehören unter anderem:
Kalziumantagonisten
Nitropräparate
Theophylline
Aminophylline
Benzodiazepine
Empirische Therapie
Gemäß der Leitlinie kann dann bei Patienten, die eine typische Refluxsymptomatik aufweisen und keine Alarmsymptome vorliegen eine empirische Therapie mit Protonenpumpenhemmern (PPI) ohne weitere Diagnostik erfolgen. Als Alarmsymptome gelten gemäß der Leitlinie z. B. Dysphagie, Odynophagie, unfreiwilliger Gewichtsverlust, Anämie, Striktur oder ein Ulcus.
Ösophagogastroduodenoskopie und pH-Metrie
Bei unklaren Beschwerden und/oder beim Vorliegen von Alarmsymptomen und/oder auf Wunsch des Patienten und/oder bei mehrjährig bestehen Refluxbeschwerden sollte eine weitere Diagnostik mittels Ösophagogastroduodenoskopie und/oder pH-Metrie(-Impedanz) erfolgen.
Die höchste Sensitivität und Spezifität zur Diagnose der Refluxkrankheit besitzen die 24h-ph-Metrie und die pH-Metrie-MII (=multikanale intraluminale Impedanzmessung). Hiermit kann eine quantitative Aussage bezüglich des Refluxausmaßes getroffen werden, die dann mit Normalwerten verglichen werden können. Die Impedanzmessung ist sensitiver und hat die Möglichkeit auch nicht-saure Refluxepisoden zu erfassen und mit Beschwerden korrelieren zu können, ist aber teurer, weniger häufig verbreitet und komplexer in der Auswertung.
Biopsie
Eine Biopsie des Ösophagus sollte unter bestimmten Umständen entnommen werden. Besteht als Differentialdiagnose der Verdacht auf eine eosinophile Ösophagitis besteht oder endoskopisch makroskopisch der Verdacht auf einen Barrett-Ösophagus besteht, sollte eine endoskopische Biopsie des Ösophagus erfolgen.
Klassifikation
Die Klassifikation der Refluxösophagitis sollte gemäß der Leitlinie nach der Los Angeles-Klassifikation erfolgen. Diese teilt die GERD in die vier Stadien A-D ein:
Stadium A: endoskopischer Befund ≥ 1 Schleimhautläsion < 0,5cm die nicht über die Spitzen zweier Mukosalängsfalten übergreifen
Stadium B: endoskopischer Befund mit Läsionen > 0,5cm die nicht über die Spitzen zweier Mukosalängsfalten übergreifen
Stadium C: endoskopischer Befund zeigt Überschreiten mehrerer Mukosafalten, keine zirkulären Defekte, <75% des Gesamtumfangs des Ösophagus betroffen
Stadium D: endoskopischer Befund mit zirkulären konfluierenden Erosionen, >75% des Gesamtumfangs des Ösophagus betroffen
Gemäß der Leitlinie kann bei Patienten mit einer GERD eine Helicobacter pylori-Diagnostik erfolgen. Im Falle eines Nachweises von H. pylori sollte dann eine Eradikationstherapie erfolgen.
Therapie
Folgende Therapieziele werden gemäß der Leitlinie angestrebt:
Erreichen einer zufriedenstellenden Symptomkontrolle
Abheilung von endoskopisch sichtbaren Refluxösophagitisläsionen
Verhinderung einer GERD-Komplikation (z.B. Blutung, Stenose oder Karzinom)
Nicht medikamentöse Therapie
Bei übergewichtigen Patienten sollte eine Gewichtsreduktion mit, im Idealfall, folgender Gewichtsnormalisierung angestrebt werden.
Ferner können Maßnahmen wie das Hochstellen des Kopfendes am Bett so wie der Verzicht auf Spätmahlzeiten unterstützend angewendet werden.
Medikamentöse Therapie
In der Regel werden Protonenpumpeninhibitoren zur Therapie der GERD eingesetzt. Die Dosierung sowie die Therapiedauer hängt v. a. von der klinischen und endoskopischen Ausprägung der GERD ab, sowie davon ob die Therapie als Akuttherapie oder als Langzeittherapie verwendet wird.
Andere Medikamente (z.B. Antazida und H2-Rezeptor-Antagonisten, wie Ranitidin, Famotidin,Nizatidin oder Cimetidin) können gemäß der Leitlinie im Einzelfall bei klinischem Erfolg im Rahmen einer NERD-Therapie eingesetzt werden. Sie sind aber den PPI bezüglich ihrer Wirksamkeit unterlegen.
Trizyklische Antidepressiva und Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (SSRI) können bei hypersensitivem Ösophagus oder funktionellem Sodbrennen allein oder in Kombination mit einem PPI gemäß der Leitlinie eingesetzt werden.
Operative Maßnahmen
Sollte ein langfristiger Therapiebedarf insbesondere bei einer anatomisch und funktionell inkompetenten Antirefluxbarriere bestehen, kann eine Antirefluxoperation gemäß der Leitlinie evaluiert werden. Da die GERD-Therapie mittels PPI sehr effektiv ist, ist es wichtig die für eine Operation in Frage kommenden Patienten gut zu selektieren. Von folgenden Kriterien sollten im Idealfall zudem möglichst viele vor einer möglichen Operation erfüllt sein:
Präsenz einer Hiatushernie
Vorliegen von typischen Symptomen
Jahrelange Refluxanamnese
Inkompetente Antirefluxbarriere
Pathologische Säureexposition mit Symptomkorrelation
Positives Ansprechen auf eine PPI-Therapie
Notwendige PPI-Dosissteigerung
Reduzierte Lebensqualität
Folgende Operationsverfahren werden in der GERD-Therapie, sofern indiziert, gemäß der Leitlinie empfohlen:
Laparoskopische Fundoplikatio
Laparoskopische Fundoplikatio in Kombination mit einer Hiatushernienoperation, bei nachgewiesenen großen und/oder paraösophagealen Hernien
Prognose
Die Refluxkrankheit kann gut therapiert werden. In 90% kommt es unter einer PPI-Therapie zur Ausheilung der Refluxösophagitis. Bei Absetzen der Therapie kommt es jedoch bei 50% der Patienten zu Rezidiven. Unbehandelt kann die GERD zu verschiedenen Komplikationen führen, die teils sehr schwerwiegend sein können.
Es kann zum Auftreten einer Refluxösophagitis kommen. Ferner kann bei ca. 5% der GERD-Patienten ein Barrett-Ösophagus resultieren. Dieser stellt eine Präkanzerose für ein Adenokarzinom des Ösophagus dar. Ungefähr jeder 10. Patient mit einem Barrett-Ösophagus entwickelt ein Adenokarzinom.
Es besteht ferner die Gefahr der Aspiration, welche zu einer chronischen Bronchitis oder gar einer Pneumonie führen kann. Unbehandelt kann eine GERD auch zum Auftreten von Stenosen und Strikturen des Ösophagus führen. Es können auch akute Blutungen oder chronische Blutungen auftreten, welche zu einer Anämie führen können.
Prophylaxe
Mittels Ernährung kann die Säureproduktion im Magen reduziert werden. Hierzu zählt vor allem die Empfehlung eine basenreiche und fettarme Kost zu sich zu nehmen. Ferner wird empfohlen, bei Übergewicht das Körpergewicht zu reduzieren bzw. zu normalisieren.
Zahlreiche Medikamente können den unteren Ösophagussphinkter beeinflussen und daher das Auftreten eines gastroösophagealen Refluxes begünstigen. Die laufende Medikation sollte daher kritisch überprüft und ggf. ersetzt werden. Maßnahmen wie kurz vor dem Schlafengehen keine großen Mahlzeiten einzunehmen sowie das Kopfteil des Bettes beim Schlafen höher zu stellen, können einem möglichen Reflux entgegen wirken.
Um der hohen Rezidivrate nach Absetzen der PPI nach Abheilung der GERD entgegen zu wirken, kann es sinnvoll sein eine PPI-Erhaltungstherapie durchzuführen. Unter Umständen ist auch eine „on demand“ Therapie, also eine PPI-Therapie nur beim Auftreten von Refluxsymptomen, eine wirkungsvolle Alternative.
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