Affenpocken: Menschen in Europa zeigen andere Symptome als afrikanische Patienten

Bei in Europa erworbenen Affenpocken finden sich die typischen Hautläsionen vorwiegend in der Genital- und Analregion, Fieber und Fatigue werden seltener beobachtet.

Affenpockenvirus

In der Vergangenheit aufgetretene Fälle von Affenpocken beim Menschen in Großbritannien beschränkten sich auf importierte Infektionen aus Westafrika. Gegenwärtig wird im Vereinigten Königreich und in mehreren anderen europäischen Ländern eine rasche Zunahme von Affenpockenfällen bei Personen gemeldet, bei denen kein offensichtlicher epidemiologischer Zusammenhang mit endemischen Gebieten besteht. Infektiologen um Dr. Nicolo Girometti, Chelsea & Westminster Hospital NHS Foundation Trust, analysierten in einer retrospektiven Beobachtungsstudie demografische und klinische Merkmale von Patienten, bei denen das humane Affenpockenvirus in London diagnostiziert wurde [1].

Methodik

Für die retrospektive Beobachtungsstudie wurden Daten von 54 Patienten ausgewertet, die im Mai 2022 eine von vier Londoner Kliniken für sexuelle Gesundheit aufsuchten. Alle 54 Patienten wiesen die bekannten Hautläsionen auf und waren Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Das mediane Alter lag bei 41 Jahren. 38 von ihnen waren weiß, 26 im Vereinigten Königreich geboren, 13 lebten mit einer HIV-Infektion. Die Affenpockenvirus-Infektion wurde durch einen PCR-Nachweis bestätigt. Die Beobachtungen umfassten lokale Reaktion in den ersten zwei Wochen nach Krankheitsausbruch sowie die Zahl der Krankenhauseinweisungen und der gleichzeitig bestehenden sexuell übertragbaren Infektionen (STI).

Ergebnisse

Alle Patienten zeigten Hautveränderungen; 51 (94%) hatten mindestens eine Läsion im Genital- und Perianalbereich. Bei 37 Personen (89%) wurden Hautläsionen an mehr als einer Stelle gefunden, vier (7%) boten oropharyngeale Veränderungen, bei 30 (55%) bestand eine Lymphadenopathie. 36 (67%) Personen berichteten über Müdigkeit oder Lethargie, 31 (57%) über Fieber; zehn (18%) hatten keine Prodromalsymptome.

Bei einem Viertel wurde eine zeitgleich auftretende sexuell übertragbare Infektion wie Gonorrhö oder Chlamydien diagnostiziert. Das erhärte den Verdacht, dass eine Übertragung des Affenpockenvirus im Zusammenhang mit engem Haut- oder Schleimhautkontakt während sexueller Aktivitäten steht, so Dr. Ruth Byrne vom Chelsea and Westminster Hospital NHS Foundation Trust und Zweitautorin der Studie [2]. 90% der Patienten gaben an, in den letzten drei Wochen vor Symptombeginn Sex mit wenigstens einem neuen Partner gehabt zu haben. 29 Patienten (56%) hatten mehr als fünf Sexualpartner in den letzten zwölf Wochen vor Beschwerdeausbruch, 49 (94%) verwendeten nur inkonsistent Kondome. Bis auf zwei Patienten war sich keiner über einen kürzlichen Kontakt mit einer infizierten Person bewusst. Keiner hatte zuvor eine Reise nach Subsahara-Afrika unternommen – knapp die Hälfte der Patienten (46%) besuchte jedoch andere europäische Länder.

Im Median traten die Symptome zwei Tage nach dem letzten Sexualkontakt auf. In 91% der Fälle verlief die Erkrankung mild, fünf Patienten (9%) mussten hospitalisiert werden – größtenteils aufgrund von Schmerzen oder einer lokalen bakteriellen Zellulitis, die eine antibiotische Behandlung oder Analgesie erforderte. Bei keinem der Probanden kam es zu einem Todesfall.

Fazit

Verglichen mit den bisher bekannten afrikanischen Affenpocken-Ausbrüchen zeigten die Londoner Affenpocken-Patienten häufiger Läsionen in der Genital- und Perianalregion, Fieber und Fatigue wurden hingegen seltener beobachtet. Die Studienautoren kamen zu dem Schluss, dass das Affenpockenvirus im Vereinigten Königreich nach wie vor autochthon übertragen wird, hauptsächlich von MSM. Die hohe Rate gleichzeitig auftretender Geschlechtskrankheiten und anogenitaler Symptome weist auf eine Übertragung bei engem Haut- oder Schleimhautkontakt – etwa im Rahmen sexueller Handlungen – hin.

Abgrenzung zu anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wichtig

Affenpocken können in verschiedenen Stadien der Infektion häufigen Geschlechtskrankheiten wie Herpes und Syphilis ähneln, so Byrne. Deshalb sollten Beschäftigte, die in Bereichen der sexuellen Gesundheit arbeiten, mit den Symptomen vertraut sein. Eine Fehldiagnose erschwere eine angemessene Intervention und die Verhinderung einer Weiterübertragung des Virus. Laut Byrne werden dringend zusätzliche Ressourcen benötigt, um die Gesundheitseinrichtungen bei der Behandlung von Affenpocken zu unterstützen.

Autor:
Stand:
19.07.2022
Quelle:
  1. Girometti, N. et al. (2022): Demographic and clinical characteristics of confirmed human monkeypox virus cases in individuals attending a sexual health centre in London, UK: an observational analysis. Lancet Infect Dis. 2022 Jul; S1473–3099(22)00411-X; DOI: 10.1016/S1473-3099(22)00411-X.
  2. Zachariou, M. (2022): Monkeypox: Symptoms seen in London sexual health clinics differ from previous outbreaks, study finds. BMJ 2022 Jul; 378; DOI: 10.1136/bmj.o1659.
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