Biosimilars: In den USA teurer als in Deutschland

Aufgrund wettbewerbswidriger Praktiken kamen in den USA zwischen 2011 und 2020 im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz weniger Biosimilars und langsamer auf den Markt. Die Preise lagen sowohl für Biosimilars als auch für Referenzprodukte deutlich höher.

Deutschland-USA-Flaggen

Hintergrund

Biologika sind komplexe Moleküle, die aus lebenden Zellen gewonnen werden. Biologika machen inzwischen ein Drittel aller Neuzulassungen und einen erheblichen Teil der Ausgaben im Gesundheitswesen aus. Bis 2022 werden die Kosten global voraussichtlich 452 Milliarden US-Dollar erreichen.

Ein Biosimilar ist ein biologischer Wirkstoff, der chemisch nicht identisch, aber einem zugelassenen Biologikum (Referenzprodukt) sehr ähnlich ist, ohne nennenswerte Unterschiede in Wirksamkeit, Sicherheit oder Reinheit. Da viele Fristen für Patentschutz und Exklusivität für Biologika ablaufen, stehen diese zunehmend im Wettbewerb mit Biosimilars.

Mit einer zunehmenden Zahl an Biosimilars wäre eine Verschiebung hin zu einem stärkeren Wettbewerb unter Biosimilars zu erwarten. In der Folge könnten die Marktanteile von Biosimilars steigen und die Arzneimittelpreise sinken wie bei Generika.

Mehrere Länder haben Strategien entwickelt, um Anreize für den Markteintritt von Biosimilars zu schaffen. Studien haben jedoch gezeigt, dass es in den europäischen Ländern unterschiedliche politische Ansätze und Marktanteile von Biosimilars gibt. In den USA hat das beobachtete Niveau an Wettbewerb und Marktanteilen nicht das erwartete Niveau erreicht. Politische Entscheidungsträger in den USA und Europa suchen nach Gesetzes- und Regulierungsreformen, die den Wettbewerb im Biosimilarbereich unterstützen können.

Zielsetzung

Um diese laufenden Diskussionen zu unterstützen, setzten es sich Forscher der Universität Zürich, der London School of Economics and Political Science und der Arzneimittelkommission der deutschen Bundesärztekammer zum Ziel, die Marktanteile und die Preise von Biosimilars in den USA im Vergleich zu zwei europäischen Ländern (Deutschland und Schweiz) mit nationalen Mechanismen für Arzneimittelpreisverhandlungen zu bewerten. Die Wissenschaftler veröffentlichten die Ergebnisse unter Erstautor David Carl vom Institut für Rechtswissenschaften der Universität Zürich im Fachblatt JAMA Network Open.

Methodik

Die Wissenschaftler identifizierten anhand öffentlich zugänglicher Datenbanken alle Biologika (Referenzprodukte) und Biosimilars, die bis August 2020 in den USA, Deutschland und der Schweiz zugelassen waren. Für die USA wurden Medikamente als Biosimilars betrachtet, wenn sie über den abgekürzten Lizenzierungsweg 351(k) zugelassen wurden. Für Deutschland und die Schweiz wurden Medikamente als Biosimilars betrachtet, wenn die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) diese Medikamente in ihren öffentlichen Bewertungsberichten als solche qualifizierte.

Die Wissenschaftler erhoben die folgenden Informationen: Wirkstoffbezeichnung, Markenname und Zulassungsdatum. Für die Jahre 2011 bis 2020 extrahierten sie Preise und Verkaufsdaten aus öffentlichen und kommerziellen Datenbanken.

Mithilfe von deskriptiven Statistiken ermittelten die Wissenschaftler zeitliche Trends für den Marktanteil von Biosimilars und relative Preise im Vergleich zu den Preisen von biologischen Referenzprodukten für jedes Land. Auch die Marktanteile von Biosimilars in den drei Ländern wurden mit deskriptiven Analysen verglichen. Dabei beschränkten sich die Wissenschaftler auf Biologika mit mindestens einem Biosimilar auf dem Markt in allen drei Ländern.

Ob das Bewusstsein für Biosimilars in den letzten zehn Jahren zugenommen hat, prüften die Wissenschaftler mithilfe einer linearen Regression der kleinsten Quadrate.

Ergebnisse

Die Forscher fanden bei der Einordnung von Biosimilars einige Unterschiede zwischen den USA und den europäischen Ländern:

  • Medikamente mit Enoxaparin oder Teriparatid wurden von der EMA als Biosimilars betrachtet, waren aber in den USA nicht als Biosimilar zugelassen.
  • Folgemedikamente mit dem gleichen Wirkstoff, die in den USA oder von der EMA nicht als Biosimilar zugelassen wurden, wurden von der Studie ausgeschlossen. Dies betraf Produkte – sowohl Referenz- als auch Biosimilarprodukte – mit dem Wirkstoff Filgrastim und Somatropin.
  • Medikamente wurden nur dann in der Studie berücksichtigt, wenn mindestens ein zugelassenes Biosimilar auf den Markt gekommen war. Zum Beispiel wurde Adalimumab 2002 in den USA auf den Markt gebracht, es wurden mehrere Biosimilars zugelassen, aber aufgrund von Patentstreitigkeiten keines vermarktet.

Die Studienkohorte umfasste für die USA 15 Biosimilars und 6 Biologika, für Deutschland 52 Biosimilars und 15 Biologika sowie für die Schweiz 28 Biosimilars und 13 Biologika.

Die Analyse für die USA umfasste die Substanzen Enoxaparin-Natrium, Filgrastim, Teriparatid, Insulin glargin und Insulin lispro nicht, da sie nicht als Biosimilar zugelassen waren. Adalimumab- und Etanercept-Biosimilars wurden nicht berücksichtigt, da aufgrund von Rechtsstreitigkeiten noch keines von ihnen auf den Markt gekommen war.

Marktdurchdringung von Biosimilars

Die Marktdurchdringung von Biosimilars nahm im Laufe der Zeit in allen drei Ländern zu. Ein Jahr nach Markteintritt wurden Unterschiede zwischen den Wirkstoffen sowohl in den einzelnen Ländern als auch länderübergreifend beobachtet:

  • In den USA war die Marktdurchdringung von Bevacizumab mit 36% am größten, während Infliximab mit nur 3% die geringste Marktdurchdringung erreichte.
  • In Deutschland war die Marktdurchdringung von Adalimumab am größten (48%) und von Insulin lispro (2%) am geringsten.
  • In der Schweiz war die Marktdurchdringung von Rituximab am größten (25%) und von Insulin glargin (1%) am geringsten.

In einem Vergleich der sechs Inhaltsstoffe mit mindestens einem Biosimilar auf dem Markt in allen drei Ländern stellten die Forscher fest, dass der durchschnittliche Biosimilar-Marktanteil bei der Markteinführung in Deutschland am größten war. In den USA stieg er am schnellsten.

Preise und monatliche Behandlungskosten

Die Preise für Biosimilars waren in den drei Ländern sehr unterschiedlich.

  • In den USA waren die relativen Preise für Biosimilars beim Markteintritt niedriger als die Preise für Referenzprodukte. Die Spanne lag zwischen 55% und 90% der Preise der Referenzprodukte und ging im Lauf der Zeit leicht zurück.
  • In Deutschland kamen Biosimilars mit dem Wirkstoff Trastuzumab und Pegfilgrastim mit höheren Preisen als die Referenzprodukte auf den Markt. Die relativen Preisen anderer Biosimilar-Gruppen lagen zwischen 65% und 100% der Preise der Referenzprodukte.
  • In der Schweiz waren die Preise für Biosimilars beim Markteintritt niedriger als die für ihre Referenzprodukte. Die relativen Preise für Biosimilars lagen zwischen 70% und 80% der Preise für Referenzprodukte. Die relativen Preise für Biosimilars mit den Wirkstoffen Pegfilgrastim und Enoxaparin-Natrium sanken im Zeitverlauf, während die relativen Preise anderer Biosimilar-Gruppen im Vergleich zu ihren Referenzprodukten stabil blieben.

Für die sechs Inhaltsstoffe mit mindestens einem Biosimilar auf dem Markt in allen drei Ländern waren die relativen Preise in den USA und der Schweiz ähnlich und in Deutschland am höchsten.

Die monatlichen Kosten für Behandlungen mit Biosimilars lagen in den USA im Median 1,94 (IQR 1,78-2,44) bzw. 2,74 (IQR 1,91-3,46) Mal über den entsprechenden Kosten in Deutschland und in der Schweiz. Die medianen monatlichen Behandlungskosten pro Patient betrugen für Biosimilars/ für Referenzprodukte

  • 8.987 / 11.503 US-Dollar in den USA,
  • 932 / 1.285 US-Dollar in Deutschland,
  • 1.351 / 1.801 US-Dollar in der Schweiz.

Fazit

Die Ergebnisse dieser Kohortenstudie ergaben, dass in Deutschland und der Schweiz trotz vergleichbarer Zulassungsraten etwas mehr Biosimilars vermarktet wurden als in den USA. Die Marktanteile von vermarkteten Biosimilars nahmen im Laufe der Zeit in allen drei Ländern zu. Die Preise für Biosimilars und Referenzprodukte waren in den USA wesentlich höher als in Deutschland und der Schweiz.

Die Studienautoren benannten einige Einschränkungen ihrer Studie: Die begrenzte Stichprobengröße führte zu Unsicherheiten in der statistischen Analyse. Da nur Umsatzdaten, die von IQVIA zur Verfügung gestellt wurden, berücksichtigt werden konnten und einige Daten für unbekannte Dauer nicht gemeldet wurden, könnten Verkaufsdaten zu niedrig angesetzt worden sein. Weiterhin wurden für die USA Listenpreise ohne Rabatte berücksichtigt. Darüber hinaus sind die vergleichenden Schlussfolgerungen zwischen den USA und der Europäischen Union mit Vorsicht zu interpretieren, da dieselben Arzneimittel zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf den Markt kamen und nicht alle Arzneimittel zugelassen waren oder dieselben Arzneimittel nicht als Biosimilars eingestuft waren.

Ein politischer Ansatz, der den wettbewerbswidrigen Praktiken in den USA entgegenwirkt, könnte Biosimilars einen früheren Markteintritt ermöglichen und auch die Gesundheitskosten durch verbesserten Zugang zu den Medikamenten durch die Patienten senken, meinten die Studienautoren. Das Bewusstsein für Biosimilars sollte gefördert werden, um die Marktanteile von Biosimilars weltweit zu erhöhen.

Diese Studie wurde teilweise vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert (Grant PCEGP1_194607).

Quelle:

Carl et al. (2022): Comparison of uptake and prices of biosimilars in the US, Germany, and Switzerland. JAMA Network Open, DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.44670

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