
Hintergrund
Patienten mit Migräne haben einen hohen Leidensdruck. Während den Migräneattacken kommt es zu heftigen, meist einseitig lokalisierten, periodisch auftretende Kopfschmerzen. Nach Definition der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft dauert eine Migräne-Kopfschmerzphase zwischen 4 und 72 Stunden. Begleitet wird der Kopfschmerz von typischen autonomen Begleiterscheinungen, beispielsweise Übelkeit, Erbrechen oder Photophobie.
Zur Therapie der Migräneattacken und zur Migräneprophylaxe, welche ab einer bestimmten Anzahl von monatlichen Migränetagen indiziert ist, stehen zahlreiche Medikamente zur Verfügung. Noch relativ neu in der Migräneprophylaxe ist der Einsatz von monoklonalen Antikörpern, die sich gegen CGRP (Calcitonin Gene Related Peptide) bzw. dessen Rezeptor richten. Das CGRP-System spielt eine wichtige Rolle in der Migräneentstehung.
Neben der medikamentösen Therapie sind Bewegung und Sport hilfreich in der Therapie von Migräne, aber auch bei anderen Kopfschmerzen, etwa Clusterkopfschmerz und Spannungskopfschmerz. Dies wurde in zahlreichen Studien belegt und von Experten empfohlen. Bei Migräne soll vor allem Ausdauersport hilfreich sein. Doch gibt es auch Studien, die Kraftsport oder eine Kombination aus Kraft- und Ausdauersport untersucht haben. Untereinander wurden die verschiedenen Verfahren bislang nicht verglichen. Um Migräne-Patienten die richtige Form von Bewegung empfehlen zu können, sind also weitere Studien nötig. Die nichtmedikamentöse Therapie erhöht nicht nur das Gefühl der Selbstwirksamkeit bei den Patienten, sondern kann auch den Gebrauch von Schmerzmitteln reduzieren. Dies wirkt der Entstehung eines MOH (Medication Overuse Headache), also Kopfschmerzen verursacht durch zu häufige Einnahme von Schmerzmitteln, entgegen.
Zielsetzung
Yohannes Woldeamanuel von der Stanford University School of Medicine, Stanford, USA, und Arão Oliveira von der Universidade de São Paulo, São Paulo, Brasilien, untersuchten den Effekt verschiedener Bewegungsinterventionen bei Patienten mit Migräne.
Methodik
In einer systematischen Übersichtsarbeit und Netzwerk-Metaanalyse untersuchten die beiden Forscher die Fragestellung. Dazu bezogen sie alle klinischen Studien ein, die die Wirkung einer Bewegungsintervention auf die monatliche Migränefrequenz untersuchten. Zur Suche geeigneter klinischer Studien bedienten sie sich der Datenbanken Web of Science, PubMed und Scopus.
Es wurden Studien mit Ausdauertraining und Krafttraining inkludiert. Als Outcome wurde die mittlere Differenz (MD) der monatlichen Migränefrequenz zwischen dem Studienbeginn und der Überprüfung des Effektes gewählt. Verglichen wurden drei Trainingsprotokolle (moderates Ausdauertraining, intensives Ausdauertraining und Krafttraining). Auch Studien, welche eine Bewegungsintervention mit einer medikamentösen Therapie mit Amitriptylin oder Topiramat verglichen, wurden in die Auswertungen inkludiert.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 21 klinische Studien mit 1.195 Migräne-Patienten einbezogen. Das mittlere Alter der Teilnehmer lag bei 35 Jahren und das Frauen-zu-Männer-Verhältnis bei 6,7. Es wurden 27 paarweise Vergleiche und acht indirekte Vergleiche durchgeführt. Die Auswertungen zeigen Krafttraining am effektivsten zur Reduktion der monatlichen Migränefrequenz mit durchschnittlich 3,5 Migränetagen weniger im Monat. Es folgen intensives Ausdauertraining (-3,1 Tage) und moderates Ausdauertraining (-2,2 Tage). Die jeweilige Bewegungsintervention schnitt stets besser ab als Placebo. Bei der medikamentösen Therapie schnitt Amitriptylin mit einer Reduktion im 3,8 Tage deutlich besser ab als Topiramat (-1 Tag).
Fazit
Die Studienergebnisse zeigen Krafttraining am effektivsten, um die monatlichen Migränetage zu reduzieren. Danach folgen intensives und moderates Ausdauertraining. Warum gerade das Krafttraining in dieser Analyse so gut abschnitt, könnte laut den beiden Autoren folgende Ursache haben: Sie vermuten, dass es durch eine Stärkung der Muskulatur im Nackenbereich lokal zu metabolischen und neuromuskulären Anpassungen kommt. Da bei vielen Patienten mit Migräne der nozizeptive Input über die obere Halswirbelsäule und das trigeminozervikale Nervensystem erfolge, wäre dies ein möglicher Erklärungsansatz.
Obwohl das Krafttraining hier dem Ausdauertraining überlegen war, empfehlen Woldeamanuel und Oliveira eine kombiniertes und an die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Person angepasstes Training. Die Dauer (in dieser Studie im Median 50 Minuten) und Frequenz (dreimal wöchentlich basierend auf dieser Studie) von Bewegungstraining zusammen mit den Empfehlungen der WHO ermöglichen ein breites Spektrum in Anpassung an individuelle Bedürfnisse. Die WHO empfiehlt moderates Ausdauertraining für 150 Minuten wöchentlich oder intensives Ausdauertraining über 75 Minuten und Krafttraining zweimal pro Woche. Das Trainingsprogramm führe nicht nur zur Reduktion der Migräneattacken, sondern helfe auch Komorbiditäten wie Adipositas, Depressionen und Schlafstörungen zu kontrollieren, so die Autoren abschließend.
Die Studie wurde gefördert vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke of the National Institutes of Health.