Krebsrisiko nach überstandenem Krebs im jungen Alter

Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen sollten insbesondere bei Menschen, die bereits im Jugend- bzw. frühen Erwachsenenalter eine Krebserkrankung überstanden haben, regelmäßig durchgeführt werden, da sie ein erhöhtes Risiko auf eine erneute Krebserkrankung haben.

junge Krebspatientin Infusion

Hintergrund

Der Fokus der wissenschaftlichen Forschung bei Krebserkrankungen in jungen Patienten lag bisher auf der optimalen Behandlung, die mit einer erreichten 5-Jahres-Überlebensrate von 82% bei jungen Krebspatienten in Europa ein gutes Ergebnis aufweist. Das Risiko für primäre Neoplasien nach einer überstanden Krebserkrankung bei diesen jungen Patienten ist leider immer noch weitestgehend unbekannt. Aus früheren Studien mit Überlebenden von Krebserkrankungen im jungen Alter weiß man, dass die Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von nachfolgenden primären Neoplasien mit Aspekten der angewendeten Krebstherapien in diesen Patienten zusammenhängen. Die Therapie ist dabei sehr stark von der Krebsart abhängig und daher ist eine Risikoanalyse nach spezifischen Krebsarten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unerlässlich.

Zielsetzung

Das Ziel der Studie bestand darin, das Risiko im Allgemeinen und das Risiko für bestimmte primäre Neoplasien bei Krebsüberlebenden, die bereits als Heranwachsende eine Krebserkrankung hatten, zu bestimmen.

Methodik

Für die Analyse wurde eine bevölkerungsbasierte Kohorte auf der Grundlage von Krebsregistrierungen in England und Wales erstellt. Berücksichtigt wurden Krebserkrankte mit einem Alter von 15 bis 39 Jahren, die zwischen Januar 1971 und Dezember 2006 ihre Krebsdiagnose erhielten und mindestens die ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung überlebt haben. Bei Vorliegen mehrerer Krebserkrankungen wurde die erste diagnostizierte Krebserkrankung berücksichtigt. Die Nachbeobachtung begann fünf Jahre nach der Krebsdiagnose und wurde bis zum Auftreten eines der folgenden Ereignisse fortgeführt: Tod, Auswanderung oder offizielles Ende der Studie am 31. Dezember 2012.

Analysiert wurde das Risiko für das Auftreten von primären Neoplasien der folgenden 16 Krebsarten: Brust-, Gebärmutterhals-, Eierstock-, oder Hodenkrebs sowie Hodgkin-Lymphom, Melanom, ZNS (intrakraniell), kolorektales Lymphom, Non-Hodgkin-Lymphom, Schilddrüse, Weichteilsarkom, Blase, andere weibliche Genitalien, Leukämie oder Kopf- und Halskrebs. Ermittelt wurden die Risiken und die kumulative Inzidenz von nachfolgend aufgetretenen primären Neoplasien nach Art der Krebserkrankung im Jugendalter.

Ergebnisse

Von den 200.945 Krebspatienten in der Kohorte konnten 197.827 in die Analyse eingeschlossen werden. Die Nachbeobachtung lag im Median bei 16,8 Jahren (Interquartilsabstand (IQR): 10,5-25,2 Jahre) und setzte sich insgesamt aus 2.631.326 Personenjahren zusammen. Bei 11.565 Krebsüberlebenden (6%) wurden 12.321 neue primäre Neoplasien im Nachbeobachtungszeitraum diagnostiziert. Am häufigsten davon betroffen war Krebsüberlebende von Brust- (15%), Gebärmutterhals- (14%), Hodenkrebs (12%) oder Hodgkin-Lymphomen (13%).

Die kumulative Inzidenz betrug für Überlebende im Vergleich zu Kontrollpersonen pro 10.000 Personenjahren bei Brustkrebs 19,5 (95%-Konfidenzintervall (KI): 17,4-21,5), bei Gebärmutterhalskrebs 10,2 (95%-KI: 8,0-12,4), bei Hodenkrebs 18,9 (95%-KI: 16,6-21,1), bei Hodgkin-Lymphomen von weiblichen Patienten 55,7 (95%-KI: 50,4-61,1) und bei Hodgkin-Lymphom von männlichen Patienten 29,9 (95%-KI: 26,3-33,6).

Betrachtet man die kumulative Inzidenz aller primären Neoplasien 35 Jahre nach der ersten Krebsdiagnose lag diese für die Überlebenden von Brustkrebs bei 11,9% (95%-KI: 11,3%-12,6%), für Überlebende von Gebärmutterhalskrebs bei 15,8% (95%-KI: 14,8%-16,7%), für Überlebende von Hodenkrebs bei 20,2% (95%-KI: 18,9%-21,5%), für weibliche Überlebende des Hodgkin-Lymphoms bei 26,6% (95%-KI: 24,7%-28,6%) und für männliche Überlebende bei 16,5% (95%-KI: 15,2%-18,0%).

Es zeigte sich, dass sowohl bei Kontrollpersonen als auch bei Krebsüberlebenden das Risiko für Krebserkrankungen mit dem Alter zunahm. Ein deutlich höheres Risiko zeigte sich allerdings bei weibliche Hodgkin-Lymphom Patientinnen. 14,4% dieser Patientinnen hatten 35 Jahre nach ihrer ersten Krebsdiagnose Brustkrebs und 3,8% Lungenkrebs. Im Vergleich hierzu erwartet man eine Brustkrebserkrankung bei 4,9% der Frauen im ähnlichen Alter ohne eine vorherige Krebserkrankung und bei 0,9% für Lungenkrebs. Nach 35 Jahren hatten 5,1% der Männer mit Hodgkin-Lymphomen im jungen Alter Lungenkrebs im Vergleich erwartete man dies nur bei 1,4% der Männer ohne vorangegangene Krebserkrankung.

Fazit

Frauen mit überstandenem Hodgkin-Lymphom haben ein erhöhtes Risiko auf Brust- und Lungenkrebs während Männer mit überstandenem Hodgkin-Lymphom häufiger Lungenkrebs entwickeln. Das Risiko steigt dabei mit steigendem Alter an. Ursache hierfür könnte eine Strahlentherapie in jungen Jahren sein. Insgesamt zeigt sich, dass die Krebsüberlebenden unabhängig von ihrer Krebserkrankungen in jungen Jahren ein erhöhtes Risiko aufweisen, erneut an Krebs zu erkranken. Regelmäßige Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sind daher angebracht.

Autor:
Stand:
29.09.2021
Quelle:

Bright C.J. et al. (2021): Risk of subsequent primary neoplasms in survivors of adolescent and young adult cancer (Teenage and Young Adult Cancer Survivor Study): a population-based, cohort study. Lancet Oncology; DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(18)30903-3

  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige