Risikoabschätzung für Lungenpatienten mit COVID-19

Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen gelten als Risikogruppe für einen schweren COVID-19-Verlauf. Daher hat die DGP für diese Patientengruppen eine Risikoabschätzung herausgegeben und Stellung genommen, welche Schutzmaßnahmen notwendig sind.

Empfehlungen für Lungenpatienten mit COVID-19

Hintergrund

Da die meisten Menschen im Rahmen der aktuellen SARS-CoV-2-(severe acute respiratory syndrome coronavirus-2) Pandemie noch keine Immunität gegenüber COVID (coronavirus-disease) -19 entwickelt haben, ist das Risiko hieran zu erkranken aktuell für die Population hoch. Eine besondere Problematik ist, dass auch asymptomatische Patienten den Erreger übertragen können. Die Mehrzahl der COVID-19-Erkrankungen zeigt einen leichten bis mittelschweren Verlauf. Die Patienten leiden insbesondere an Husten, Fieber, Abgeschlagenheit, Muskel- und Gliederschmerzen, aber auch eine Anosmie bzw. Ageusie oder gastrointestinale Symptome sind häufig anzutreffen.

In China litten etwa 20% der diagnostizierten Patienten an einem schweren oder kritischen Verlauf (z.B. mit einer Pneumonie, respiratorische Insuffizienz und intensivmedizinische Betreuung).
In Deutschland werden aktuell laut den Zahlen des Robert-Koch Instituts (RKI) 8-10% der COVID-19 Patienten stationär aufgenommen und behandelt. „Diese Zahl dürfte den Anteil schwerer Fälle noch überschätzen, da insbesondere am Anfang der Pandemie nicht nur die Erkrankungsschwere, sondern teils auch die notwendige Isolierung Aufnahmegrund war“, erklärt hierzu Professor Dr. med. Torsten Bauer, stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP). „Dies zeigt sich am relativ niedrigen Anteil intensivstationärer Behandlungen von lediglich 8% dieser hospitalisierten Fälle.“

Die aktuell geschätzte Mortalität der COVID-19 Erkrankung liegt nach verfügbaren Daten bei unter einem Prozent (bezogen auf die geschätzte Gesamtheit aller Infizierten). Die Mortalität ist u.a. stark vom Alter der Betroffenen abhängig - mit einer höheren Mortalität bei höherem Lebensalter.

Im Vergleich hierzu beträgt die Letalität der saisonalen Influenza in einer schweren Saison etwa 0,1%.

Insbesondere Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen gelten als Risikogruppen für einen schweren COVID-19-Verlauf. Daher hat die DGP eine aktuelle Stellungnahme herausgegeben, welche dieser Patientengruppen (zum Beispiel Asthma bronchiale, COPD, Lungenkrebs oder Schlafapnoe) ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben. Zu beachten ist hierbei, dass sich die Risikobeurteilung aktuell größtenteils auf Daten aus China stützt und diese daher auf Deutschland nur bedingt übertragen werden können. Eine abschließende Beurteilung kann erst nach Vorliegen epidemiologischer Daten aus Deutschland stattfinden.

Asthma

Die DGP schätzt das Risiko von Patienten mit gut therapiertem Asthma für schwere COVID-19 Verläufe derzeit als „nicht erhöht“ ein. Das Unterbrechen der Asthmatherapie kann allerdings zu einer schwerwiegenden Asthmaverschlechterung und damit zu einer Risikoerhöhung für schwere COVID-19-Verläufe führen. Die inhalative Asthmatherapie, insbesondere die Verwendung von inhalativen Steroiden sollte daher unverändert und konsequent fortgeführt werden. Auch eine Therapie mit Biologika sollte fortgesetzt werden. Anzustreben ist die häusliche Selbstapplikation des Präparates, um den Kontakt mit medizinischen Einrichtungen und somit das Risiko eines Kontaktes mit Infizierten zu reduzieren. Falls der Patient sich einer Allergenimmuntherapie (spezifische Immuntherapie) unterzieht, sollte diese ebenfalls fortgeführt werden.

Die DGP erklärt, dass gut eingestellte Asthmapatienten auch außerhalb des eigenen Haushaltes tätig werden können, sofern die vom RKI empfohlenen Verhaltensmaßnahmen konsequent eingehalten werden.

COPD

Bei Patienten mit einer COPD (chronic obstructive pulmonary disease [chronisch obstruktive Lungenerkrankung]) gibt es Hinweise, dass diese ein höheres Risiko für schwere COVID-19 Verläufe aufweisen. Insbesondere beim Vorliegen einer kardiovaskulären Komorbidität ist bei diesen Patienten von einem deutlich erhöhten Risiko auszugehen, erklärt Professor Dr. med. Marek Lommatzsch, Oberarzt der Abteilung für Pneumologie der Universität Rostock und Sprecher des Deutschen Lungentages. Die DGP empfiehlt den Patienten die Fortführung einer Leitlinien-gerechten inhalativen Therapie der COPD. Falls die Patienten an einer arteriellen Hypertonie als Komorbidität leiden und eine Bluthochdrucktherapie erhalten, sollte diese, inklusive der Therapie mit ACE Hemmern oder Sartanen,- fortgesetzt werden. Ferner empfehlen die Fachgesellschaften die Beendigung eines Nikotinkonsums. COPD-Patienten wird ferner die Durchführung einer Pneumokokkenimpfung empfohlen, falls diese bisher noch nicht erfolgt ist.

Die Patienten müssen keine häusliche Quarantäne einhalten, sollten sich aber an die Empfehlungen des RKI halten. Zudem empfiehlt die DGP den physischen Kontakt mit Kindern oder Enkelkindern aktuell zu vermeiden bzw. vorzugsweise per Telefon oder Video aufrecht zu erhalten.

Mukoviszidose/Bronchiektasen Erkrankung anderer Ätiologie

Zum Verlauf von COVID-19 Erkrankungen bei Patienten mit Mukoviszidose oder Bronchiektasen-Erkrankung anderer Ätiologie gibt es derzeit nur wenig Fallberichte. Es scheint aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 bei diesen Erkrankungen vorzuliegen. Den Patienten wird eine unveränderte Fortsetzung der medikamentösen und nicht-medikamentösen Basistherapie empfohlen. Dies gilt auch für eine Atemtherapie, die möglichst eigenständig durchgeführt werden sollte. Zudem sind ggf. auch Videobehandlungen der Patienten möglich. Die Verhaltensempfehlungen des RKI sollten konsequent umgesetzt werden. Ein Daueraufenthalt zu Hause ist aus Sicht der DGP nicht notwendig.

Interstitielle Lungenerkrankungen

Interstitielle Lungenerkrankungen inklusive der Lungenfibrose scheinen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19 Verlauf assoziiert zu sein. Besteht bei der Grunderkrankung die Indikation zur Immunsuppression, wird empfohlen, diese in möglichst niedrigster Dosis fortzuführen.

Beim Nachweis einer COVID-19-Infektion sollte ein Pausieren der Immunomodulatoren wie Azathioprin oder Methotrexat bis zur klinischen Besserung erfolgen. Eine Prednisolon-Therapie sollte in der klinisch niedrigsten Dosis fortgesetzt werden. Eine Sauerstofftherapie sollte unverändert fortgesetzt werden. Die Verhaltensempfehlungen des RKI sollten konsequent umgesetzt werden. Ein Daueraufenthalt zu Hause ist aus Sicht der DGP nicht notwendig.

Patienten nach Lungentransplantation

Bisher sind nicht ausreichend Fallberichte über Patienten nach Lungentransplantation mit COVID-19  vorhanden, um verlässliche Aussagen über das Risiko eines schweren Verlaufes der Infektion machen zu können. Die vorhandenen Daten geben allerdings Hinweise darauf, dass eine erhöhte Sensibilität bei Transplantierten auch bei vermeintlich nur milden klinischen Symptomen geboten ist.

Bei schweren COVID-19 Verläufen wird derzeit empfohlen, Mycophenolat-Mofetil und Azathioprin unter sorgfältiger Überwachung vorrübergehend zu pausieren. Zudem sind mögliche Wechselwirkungen von Immunsuppressiva, Virostatika und sonstigen im Rahmen von COVID-19 additiv applizierten Medikamenten zu beachten. Die Verhaltensempfehlungen des RKI sollten konsequent umgesetzt werden. Ein Daueraufenthalt zu Hause ist aus Sicht der DGP nicht notwendig.

Lungenkrebspatienten

Bei Tumorpatienten besteht nach derzeitigem Kenntnisstand generell ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe. Risikoabschätzungen und Empfehlungen müssen auf Grund der Heterogenität der Lungenkrebserkrankungen (Tumorhistologie, Tumorstadium und Prognosen etc.) individuell erfolgen.

Allgemein wird empfohlen, dass vital bedeutsame Behandlungen der Patienten (Operationen, Systemtherapien oder Radiatio) zeitnah durchgeführt werden sollten. Für die Therapie der Bronchialkarzinome liegen im Rahmen der COVID-19-Pandemie Empfehlungen der DGHO (Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie) und der ESMO (European Society for Medical Oncology [Europäische Gesellschaft für Medizinische Onkologie]) vor. Die Verhaltensempfehlungen des RKI sollten von den Lungenkrebspatienten gewissenhaft befolgt werden. In Abhängigkeit von der Prognose des Patienten muss individuell über Kontaktbeschränkungen entschieden werden.

Schlafapnoesyndrom

Bei Schlafapnoesyndrom-Patienten, die mit einem CPAP (continuous positive airway pressure) Gerät versorgt sind, ist derzeit unklar, ob sie ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf haben. Sind die Risikofaktoren Adipositas und arterielle Hypertonie vorhanden, besteht per se ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf. Die Verhaltensempfehlungen des RKI sollten daher umgesetzt werden. Zudem wird den Patienten eine Gewichtsreduktion empfohlen.

Neuromuskuläre Erkrankungen mit Notwendigkeit zurnichtinvasiven Beatmung

Für Patienten, die an neuromuskulären Erkrankungen leiden und eine nichtinvasive Beatmung (non-invasive ventilation [NIV]) benötigen, liegen keine ausreichenden epidemiologischen Daten bezüglich einer COVID-19-Erkrankung vor. Es muss jedoch bei diesen Patienten auf Grund der fehlenden ventilatorischen Kompensationsfähigkeit von einem deutlich erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf ausgegangen werden. Gegebenenfalls müssen diese Patienten früher intubiert werden und Schwierigkeiten bei der Entwöhnung vom Respirator sind zu erwarten. Dies führt zu Prognoseeinschränkungen.

Zu empfehlen ist die Ausschöpfung der NIV im Akutfall, um im Idealfall eine Intubation/invasive Beatmung umgehen zu können. Zudem empfiehlt die DGP auf Grund der obig genannten Problematik die Erstellung einer Patientenverfügung nach individueller Beratung durch den behandelnden Lungenarzt.

Fazit:

Die meisten Patienten mit chronischen Lungen- und Atemwegserkrankungen scheinen ein erhöhtes Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf aufzuweisen. Eine Ausnahme scheinen nach derzeitiger Datenlage gut eingestellte Asthmapatienten darzustellen. Allgemein empfiehlt die DGP diesen Patienten die strenge Einhaltung der aktuellen Empfehlungen des RKI. Dazu zählen insbesondere:

  • Beachtung der Abstandsgebote
  • Hygieneregeln
  • Impfempfehlungen

Individuelle Empfehlungen für die Fortsetzung bereits initiierter Therapie und Schutzmaßnahmen sind in der aktuellen Stellungnahme der DGP ausgesprochen worden.

Quelle:
  1. Pressemitteilung Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) 11.05.2020
     
  2. Pressemitteilung/Stellungnahme Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP), 27.04.2020
     
  3. Pressemitteilung/Stellungnahme Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP), 16.03.2020
     
  4. Pressemitteilung Global Initiative for Asthma, 19.03.2020
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