Acetylsalicylsäure (ASS)

Acetylsalicylsäure empfehlen Fachgesellschaften als ein Mittel der ersten Wahl bei akuter Migräne. Der Arzneistoff ist analgetisch gut wirksam. Ein Nachteil ist die schlechte Magenverträglichkeit.

ASS

Acetylsalicylsäure (ASS) (z.B. Aspirin, ASS 500 1 A Pharma, ASS-ratiopharm 500 mg) gehört zur Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatikum (NSAR). Der Wirkstoff hat analgetische, antipyretische und antiinflammatorische Eigenschaften. ASS hemmt irreversibel die Cyclooxygenase-Enzyme. Diese sind an der Prostaglandinsynthese beteiligt [2,7]. Darüber hinaus besitzt ASS eine thrombozytenaggregationshemmende Wirkung.

In niedrigen Dosierungen (100 bis 300 mg täglich) zählt der Arzneistoff zu den wichtigsten Thrombozytenaggregationshemmern [7].

Was ist zu beachten?

Die empfohlene Einzeldosis zur Behandlung eines akuten Migräneanfalls ist 900 bis 1000 mg ASS [1]. Die Gabe kann im Abstand von mindestens vier Stunden wiederholt werden. Die maximale Tagesdosis beträgt 3000 mg ASS [7,8].

Kinder

ASS darf bei Kindern unter zwölf Jahren (unter 40 kg) in der Selbstmedikation nicht angewendet werden. Sie können bei einer gleichzeitigen Virusinfektion das gefährliche Reye-Syndrom entwickeln. Ein lang anhaltendes Erbrechen nach der Einnahme kann auf diesen medizinischen Notfall hinweisen [2,8].

Jugendliche nehmen als Einzeldosis 500 mg bis 1000 mg. Die Gabe kann bei Bedarf im Abstand von mindestens vier Stunden wiederholt werden. Die maximale Tagesdosis darf 3000 mg nicht überschreiten [8].

Schwangerschaft und Stillzeit

ASS sollte – wenn möglich – in der kompletten Schwangerschaft gemieden werden. In den ersten beiden Dritteln kann unter strenger Nutzen-Risiko-Bewertung eine Anwendung bei Migräneattacken erwogen werden, wenn besser geeignete Alternativen nicht helfen [1]. In der Stillzeit können Mütter ASS für eine kurzfristige Behandlung anwenden. Laut der Datenbank „Embryotox“ erscheint die gelegentliche Einnahme als Schmerzmittel bis zu einer Dosis von 1500 mg/Tag als vertretbar [9].

Wichtige Nebenwirkungen und Kontraindikationen

ASS kann als Nebenwirkungen unter anderem Störungen im Magen-Darm-Trakt, Hautreaktionen, Gerinnungsstörungen und Störungen der Nierenfunktion auslösen. Bei Asthmatikern kann das Arzneimittel einen Asthmaanfall auslösen.

Häufiger als anderes NSARs kann es unter ASS zu Sodbrennen, Magenbeschwerden und Mikroblutungen der Schleimhaut kommen[7].

Als wichtige Gegenanzeigen sind Magen-Darm-Ulzera, Asthma bronchiale, hämorrhagische Diathese sowie schwere Nieren- und Leberfunktionsstörungen zu nennen. Auch bei schweren Herzkrankheiten und einer Schwangerschaft im letzten Drittel darf ASS nicht angewendet werden [2,7,8].

Studienlage

ASS ist eines der effektivsten Mittel in der Selbstmedikation bei akuten Migräneattacken und die Wirksamkeit ist sehr gut durch klinische Prüfungen belegt. Nach Haag et al. zählt ASS als Monotherapie zu den wissenschaftlich erprobten Arzneistoffen für die Behandlung von Migräne und wird als Erstlinientherapie empfohlen [6].

Die relevanten Studien wurden mit einer Einzeldosis von 900 bis 1000 mg ASS durchgeführt. 2010 untersuchte ein Autoren-Team um Kirthi im Rahmen eines Cochrane Reviews 13 Studien mit insgesamt 4222 Teilnehmern, um die Wirksamkeit von ASS 900 mg oder 1000 mg, allein oder in Kombination mit Metoclopramid 10 mg gegen Placebo oder Vergleichspräparate zu vergleichen.

ASS war Placebo in allen Studien überlegen, wobei zusätzliches Metoclopramid Übelkeit und Erbrechen im Vergleich zu ASS allein signifikant reduzierte. Sumatriptan in einer Dosis von 50 mg unterschied sich nicht von ASS, während Sumatriptan 100 mg etwas besser wirksam war als die Kombination von ASS plus Metoclopramid.

Die Autoren schlussfolgerten, dass ASS 1000 mg eine wirksame Behandlung für akute Migränekopfschmerzen ist und ähnlich wirksam ist wie Sumatriptan 50 mg oder 100 mg ist. Die Zugabe von Metoclopramid 10 mg verbessert die Linderung von Übelkeit und Erbrechen. Die Nebenwirkungen waren hauptsächlich leicht und vorübergehend und traten unter ASS etwas häufiger als unter Placebo, aber seltener als unter Sumatriptan 100 mg auf [10].

Ein systemisches Review aus 2021 stellte ebenfalls die gute Wirksamkeit von NSARs wie ASS bei Migräneattacken heraus [11].

2015 zählten NSARs wie ASS zu den von der American Headache Society empfohlenen Arzneimitteln zur Therapie von Migräneanfällen [12]. Auch gemäß der deutschen S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ von 2018 sollten leichtere und mittelstarke Migräneattacken zunächst mit Analgetika wie ASS behandelt werden [1].

Autor:
Stand:
03.08.2022
Quelle:
  1. Diener et al. (2018): Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, Registernummer 030 – 057. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.); (abgerufen am 03.08.2022)
  2. Neubeck: Evidenzbasierte Selbstmedikation, Deutscher Apotheker Verlag, 5. Auflage 2021
  3. Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG): Migräne. (abgerufen am 20.06.2022)
  4. Internationale Kopfschmerzgesellschaft (2018). 3. Auflage der Internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen. Online: ICHD-3), (aufgerufen am 20.06.2022)
  5. Schmerzklinik Kiel. Mögliche Auslöser der Attacken; (abgerufen am 20.06.2022)
  6. Haag et al. (2009): Self medication in migraine and tension type headache – guidelines of the German, Austrian and Swiss headache societies and the German Society of Neurology. Nervenheilkunde, DOI: 10.1007/s10194-010-0266-4
  7. Geisslinger et al. (2020): Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11., völlig neu bearbeitete Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  8. Bayer Vital GmbH: Fachinformation Aspirin. Stand: Februar 2022
  9. Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité - Universitätsmedizin, Campus Virchow- Klinikum (Embryotox); (abgerufen am 31.07.2022)
  10. Kirthi, Derry, Moore (2013): Aspirin with or without an antiemetic for acute migraine headaches in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews, DOI:10.1002/14651858
  11. VanderPluym et al. (2021): Acute Treatments for Episodic Migraine in Adults. A Systematic Review and Meta-analysis. The Journal of the American Medical Association, DOI: 10.1001/jama.2021.7939
  12. Marmura, Silberstein, Schwedt (2015): The acute treatment of migraine in adults: the American Headache Society evidence assessment of migraine pharmacotherapies. Headache, DOI:10.1111/head.12499
  13. Rabbie, Derry, Moore (2013): Ibuprofen with or without an antiemetic for acute mi-graine headaches in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews, DOI: 10.1002/14651858.CD008039.pub3
  14. Kellstein et al. (2000): Evaluation of a novel solubilized formulation of ibuprofen in the treatment of migraine headache: a randomized, double-blind, placebo-controlled, dose-ranging study. Cephalalgia, DOI: 10.1046/j.1468-2982.2000.00055.x
  15. Moore at al. (2015): Overview review: Comparative efficacy of oral ibuprofen and paracetamol (acetaminophen) across acute and chronic pain conditions. European journal of pain, DOI: 10.1002/ejp.649
  16. Suthisisang et al. (2007): Efficacy of low-dose ibuprofen in acute migraine treatment: systematic review and meta-analysis. Annals of Pharmacotherapy, DOI: 10.1345/aph.1K121
  17. Diener et al. (2006): Efficacy and tolerability of diclofenac potassium sachets in migraine: a randomized, double-blind, cross-over study in comparison with diclofenac potassium tablets and placebo. Cephalalgia, DOI: 10.1111/j.1468-2982.2005.01064.x
  18. Massiou et al. (1991): Effectiveness of oral diclofenac in the acute treatment of common migraine attacks: a double-blind study versus placebo. Cephalalgia, DOI: 10.1046/j.1468-2982.1991.1102059.x
  19. Peroutka et al. (2004): Efficacy of diclofenac sodium softgel 100 mg with or without caffeine 100 mg in migraine without aura: a randomized, double-blind, crossover study. Headache, DOI: 10.1111/j.1526-4610.2004.04029.x
  20. Derry, Moore (2013): Paracetamol (acetaminophen) with or without an anti- emetic for acute migraine headaches in adults. Cochrane Database Syst Rev., DOI: 10.1002/14651858.CD008040.pub3
  21. Lipton et al. (2000): Efficacy and safety of acetaminophen in the treatment of migraine—results of a randomized, double-blind, placebo-controlled, population-based study. Archives of internal medicine, DOI: 10.1001/archinte.160.22.3486
  22. Thorlund et al. (2014): Comparative efficacy of triptans for the abortive treatment of migraine: A multiple treatment comparison meta-analysis. Cephalalgia, DOI: 10.1177/0333102413508661
  23. Cameron et al. (2015): Triptans in the Acute Treatment of Migraine: A Systematic Review and Network Meta-Analysis. Headache, DOI: 10.1111/head.12601
  24. Ferrari et al. (2001): Oral triptans (serotonin 5-HT(1B/1D) ago-nists) in acute migraine treatment: a meta-analysis of 53 trials. Lancet, DOI: 10.1016/S0140-6736(01)06711-3
  25. Ferrari et al. (2002): Triptans (serotonin, 5-HT1B/1D agonists) in migraine: detailed results and methods of a meta-analysis of 53 trials. Cephalalgia, DOI: 10.1046/j.1468-2982.2002.00404.x
  26. Xu et al. (2016): Network meta-analysis of migraine disorder treatment by NSAIDs and triptans. The Journal of Headache and Pain, DOI: 10.1186/s10194-016-0703-0
  27. Thorlund et al. (2017): Comparative tolerability of treatments for acute migraine: A network meta-analysis. Cephalalgia, DOI: 10.1177/0333102416660552
  28. Krewel Meuselbach GmbH: Gebrauchsinformation Migräne-Kranit 500 mg Tabletten. Stand der Information Juli 2013
  29. Göbel et al. (2004): Efficacy of phenazone in the treatment of acute migraine attacks: a double-blind, placebo-controlled, randomized study. Cephalalgia, DOI: 10.1111/j.1468-2982.2004.00764.x
  30. ratiopharm Gmb: Fachinformation Naproxen-ratiopharm Schmerztabletten Stand der Information Juli 2018
  31. Sances et al. (1990): Naproxen sodium in menstrual migraine prophylaxis: a double-blind placebo controlled study. Headache, DOI: 10.1111/j.1526-4610.1990.hed3011705.x
  32. A. Nattermann & Cie. GmbH: Fachinformation Thomapyrin INTENSIV. Stand Juli 2022
  33. Diener et al. (2005): The Fixed Combination of Acetylsalicylic acid, Paracetamol and Caffeine is more Effective than Single Substances and Dual Combination for the Treatment of Headache: a Multicentre, Randomized, Double-Blind, Single-Dose, Placebo-Controlled Parallel Group Study. Cephalalgia, DOI: 10.1111/j.1468-2982.2005.00948.x
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  35. Diener, Peil, Aicher (2011): The efficacy and tolerability of a fixed combination of ace-tylsalicylic acid, paracetamol, and caffeine in patients with severe headache: a post-hoc subgroup analysis from a multicentre, randomized, double-blind, single-dose, placebo-controlled parallel group study. Cephalalgia. 2011;31(14):1466-76, DOI: 10.1177/0333102411419682
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  37. Silberstein (2009): Menstrual migraine. Journal of Women's Health & Gender-Based Medicine, doi: 10.1089/jwh.1.1999.8.919
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