Anwendung
Die Anwendung der Thrombozytenaggregationshemmer erfolgt je nach Wirkstoffklasse oral oder parenteral zur Reduktion arterieller Thrombosen. Die Hauptindikationsgebiete sind die Therapie und Prophylaxe von Myokardinfarkten sowie die Thromboembolieprophylaxe nach perkutaner Koronarintervention und Stentimplantation.
Wirkmechanismus
Thrombozytenaggregationshemmer greifen in die Thrombozytenaggregation der primären Hämostase der Blutstillung ein und verhindern die Bildung eines Thrombozytenpropfes durch unterschiedliche Mechanismen. Man unterscheidet:
- Cyclooxygenase-Inhibitoren (COX-Inhibitoren)
- Glycoprotein-GPIIb/IIIa-Rezeptorantagonisten
- P2Y12-Rezeptorantagonisten
- Phosphodiesterase-Inhibitoren (PDE-Inhibitoren)
- Prostacyclin-Rezeptor-Agonisten
- Von-Willebrand-Faktor-Inhibitoren
Ablauf der Thrombozytenaggregation
Arterielle Thrombosen entwickeln sich initial häufig durch Abscheidungsthromben (Plättchenthromben) auf arteriosklerotisch verändertem Gefäßendothel oder körperfremden Oberflächen. Die Freilegung von kollagenen Bindegewebsfasern und dem von-Willebrand-Faktor an defektem Endothel führt zur Adhäsion von Thrombozyten. Durch Thrombozytenaktivatoren wie ADP, Thromboxan A2, Thrombin aber auch Serotonin und Adrenalin, die mit den entsprechenden Rezeptoren interagieren, werden G-Protein-Rezeptor-gekoppelte Signalkaskaden ausgelöst, wobei insbesondere die Freisetzung von Calciumionen eine wichtige Rolle spielt. Durch die Aktivierung kommt es zur Formänderung der Blutplättchen infolge derer thrombozytäre Granula freigesetzt werden. Diese enthalten Mediatoren zur Amplifikation der Thrombozytenaktivierung wie ADP, Calcium, Serotonin und Fibrinogen sowie zur Vasokonstriktion und Einleitung der Blutgerinnung (sekundäre Hämostase). Fibrinogen verknüpft jeweils zwei Thrombozyten, sodass diese zu einem vorläufigen propfartigen Verschluss des Endotheldefektes führen. Die nötige Stabilität des Wundverschlusses und dauerhafte Blutstillung wird im Verlauf der sekundären Hämostase durch die Polymerisation von Fibrin zu einem stabilen Gerüst erreicht.
COX-Inhibitoren
Acetylsalicylsäure (ASS) hemmt irreversibel das Enzym Cyclooxigenase-1 (COX-1), das an der Synthese von Thromboxan A2 (TXA2) beteiligt ist. Da Thrombozyten keinen Zellkern besitzen, können sie den Plättchenaktivator nicht nachbilden und es kommt zu einer längerfristigen Hemmung der Thrombozytenaggregation. Dafür sind geringe Konzentrationen (100 bis 300 mg ASS) ausreichend.
Glykoprotein-(GP)-IIb/IIIa-Antagonisten (Fibrinogen-Rezeptor-Antagonisten)
Die strukturell sehr unterschiedlichen Wirkstoffe Abciximab, Eptifibatid und Tirofiban werden intravenös appliziert und hemmen die Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptoren, die zu den Integrinen gehören. Damit wird die allen Signalwegen gemeinsame Endstrecke der Thrombozytenaktivierung, die Bindung des Liganden Fibrinogen an die Rezeptoren und die damit induzierte Aggregation der Thrombozyten verhindert.
P2Y12-Rezeptor-Antagonisten (ADP-Rezeptor-Antagonisten)
Clopidogrel, Prasugrel, Ticlopidin, Ticagrelor und Cangrelor hemmen die Thrombozytenaktivierung durch Blockade des Adenosin-Rezeptors P2Y12 auf Thrombozyten. Während es sich bei Clopidogrel, Prasugrel und Ticlopidin um Prodrugs handelt, die die Rezeptoren irreversibel hemmen, inhibieren Ticagrelor und Cangrelor die ADP-vermittelten Effekte reversibel. Die Wirkstoffe haben dabei keinen Einfluss auf den ADP-induzierten Shape Change der Thrombozyten.
Phosphodiesterase-Inhibitoren (PDE-Inhibitoren)
Zu den Phosphodiesterasehemmern (PDE-Hemmern) zählen die Wirkstoffe Dipyridamol und Cliostazol. Dipyridamol hemmt die PDE-5 sodass es zur Anreicherung von cGMP kommt, während Cliostazol die PDE-3 hemmt und zu höheren cAMP-Konzentrationen führt. Die beiden cyclischen Mediatoren hemmen die Calciumfreisetzung und dadurch die Thrombozytenaggregation. Beide Wirkstoffe haben zusätzlich einen vasodilatierenden Effekt. Dipyridamol inhibiert weiterhin den Adenosintransporter. Cliostazol wird vor allem bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit angewendet.
Prostacyclin-Rezeptor-Agonisten
Iloprost, Treprostinil und Epoprostenol sind Analoga von Prostacyclin, dem physiologischen Gegenspieler des Thrombozytenaktivators Thromboxan A2. Die Arzneistoffe wirken vasodilatierend und hemmen die Thrombozytenaggregation durch Antagonisierung der TXA2-Effekte. Die Anwendung erfolgt vor allem zur Therapie der pulmonalen arteriellen Hypertonie.
Von-Willebrand-Faktor-Inhibitor
Caplacizumab hemmt die Wechselwirkung zwischen dem von-Willebrand-Faktor des Endothels und Thrombozyten. Dadurch wird die Thrombozytenadhäsion inhibiert. Der Wirkstoff ist indiziert bei der sehr seltenen erworbenen thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (aPTT).
Nebenwirkungen
Häufige Nebenwirkungen unter der Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern sind:
- Eine erhöhte Blutungsneigung und daher beispielsweise Anämie, gastrointestinale Blutungen und Hämatome
- Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Dyspepsie
Wechselwirkungen
Eine typische Wechselwirkung von Thrombozytenaggregationshemmern ist das erhöhte Blutungsrisiko bei der Kombination mit Arzneistoffen, die ebenfalls in die Hämostase eingreifen können. Dazu zählen:
Bei den P2Y12-Rezeptorantagonisten sind die zahlreichen Interaktionen mit dem Cytochrom-P-450-System zu beachten, die sowohl im Aktivierungsmechanismus der Prodrugs, als auch dem Metabolismus der reversiblen Inhibitoren begründet sind.
Kontraindikationen
Folgende Kontraindikationen sind bei der Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern zu beachten:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Akute pathologische Blutungen, z.B. bei Magen-Darm-Geschwüren, intrakranielle Blutungen
- Schwere Leberfunktionsstörungen
Hinweise
Thrombozytenaggregationshemmer werden häufig in Kombination eingesetzt. Dabei ist die erhöhte Blutungsneigung zu berücksichtigen.
Alternativen
Neben den Antithrombotika, die die Thrombozytenaggregation hemmen, werden auch solche eingesetzt, die in die sekundäre Hämostase eingreifen und die plasmatischen Gerinnung inhibieren. Die Antikoagulantien können im Gegensatz zu Thrombozytenaggregationshemmern sowohl bei arteriellen als auch bei venösen Thromboembolien angewendet werden.