KRAS-Inhibitoren sind Wirkstoffe, die zur Behandlung von Tumoren mit KRAS-Mutationen angewendet werden. Es handelt sich um eine neue Wirkstoffgruppe mit dem zugelassenen Vertreter Sotorasib und dem noch in Entwicklung befindlichen Kandidaten Adagrasib.
Das KRAS-Gen (Kirsten Rat Sarcoma 2 Viral Oncogene Homolog) ist ein Proto-Onkogen, das für das GTPase-Transduktorprotein namens KRAS kodiert. KRAS gehört zu einer Gruppe kleiner Guanosintriphosphat (GTP)-bindender Proteine, die als RAS-Superfamilie oder RAS-ähnliche GTPasen bekannt sind. Mitglieder der RAS-Superfamilie werden basierend auf ihrer Struktur, Sequenz und Funktion in Familien und Unterfamilien unterteilt. Die fünf Hauptfamilien sind RAS-, RHO-, RAN-, RAB- und ARF-GTPasen. Die RAS-Familie selbst ist weiter in 6 Unterfamilien (RAS, RAL, RAP, RHEB, RAD und RIT) unterteilt.
RAS ist eines der bekanntesten Proto-Onkogene. Seine Gain-of-Function-Mutationen treten bei etwa 30% aller Krebserkrankungen auf. RAS-Gene (HRAS, KRAS und NRAS) sind die am häufigsten mutierten Gene in Krebszellen und zeigen eine Mutationshäufigkeit von 30% in allen Krebszellen. Unter den RAS-Proteinen ist KRAS die überwiegend mutierte RAS-Isoform, die 85% der onkogenen RAS-Mutationen in Krebszellen ausmacht.
Anwendung
Mit Lumykras (Sotorasib) von Amgen ist zum zum 15. Februar 2022 der erste KRAS-Inhibitor bei einer G12C-Mutation auf den deutschen Markt gekommen. Das Arzneimittel ist als Monotherapie zur Behandlung von fortgeschrittenem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC, non-small cell lung cancer) mit KRASG12C-Mutation indiziert, wenn es nach mindestens einer vorherigen systemischen Therapie zu einer Progression kam.
Wirkung
Das KRAS-Protein wechselt über die Bindung an GTP bzw. Guanosindiphosphat (GDP) von einer inaktiven in eine aktive Form. Unter physiologischen Bedingungen wird der Übergang zwischen diesen beiden Zuständen durch Guanin-Nukleotid-Austauschfaktoren (GEFs), wie Son of Sevenless (SOS), oder GAPs über verschiedene Mechanismen reguliert. Unter physiologischen Bedingungen ist KRAS überwiegend GDP-gebunden. Bei Stimulation wie Wachstumsfaktoren wird die Nukleotidbindung von RAS-GEFs deaktiviert und das Nukleotid freigesetzt.
Sotorasib ist ein hochselektiver und irreversibler Inhibitor, der kovalent und irreversibel an das charakteristische Cystein von KRASG12C(einer spezifischen KRAS-Mutation) bindet, so dass KRAS im inaktiven GDP-gebundenen Zustand verbleibt. Die GTPase KRAS ist Teil des RAS/MAPK-Signalwegs. Diese Signale weisen die Zelle an, zu wachsen und sich zu teilen (proliferieren) oder zu reifen und spezialisierte Funktionen zu übernehmen (differenzieren). Bei Mutation kommt es zu einem Kontrollverlust des Proteins und somit zu unkontrolliertem Wachstum.
Die Inaktivierung von KRASG12C durch Sotorasib blockiert die Signalübertragung und das Überleben der Tumorzellen, hemmt das Zellwachstum und fördert selektiv die Apoptose bei Tumoren, die die KRASG12C-Mutation besitzen.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen von Sotorasib in der Zulassungsstudie waren:
Diarrhö (34%)
Übelkeit (25%)
Fatigue (21%)
Die häufigsten schweren (Grad ≥ 3) Nebenwirkungen waren erhöhte ALT (5%), erhöhte AST (4%) und Diarrhö (4%). Die häufigsten Nebenwirkungen, die zu einem dauerhaften Abbruch der Behandlung führten, waren erhöhte ALT (1%), erhöhte AST (1%) und arzneimittelbedingter Leberschaden (drug-induced liver injury, DILI) (1%).
Wechselwirkungen
Für Sotorasib sind mit folgenden Verbindungen Wechselwirkungen möglich:
Säurereduzierende Wirkstoffe (PPI, H2-Rez.-Antagonisten): Verringerung der Sotorasib-Konzentration
Inhibitoren von CYP3A4 und P-gp: Erhöhung der Sotorasib-Exposition
Starke CYP3A4-Induktoren: Reduktion der der Sotorasib-Exposition
CYP3A4-Substrate: Verringerung der Plasmakonzentrationen dieser Substrate
CYP2D6- und BCRP-Substrate Substrate: Geeignete Überwachung wird empfohlen, da Sotorasib möglicherweise CYP2D6 und BCRP hemmen kann.
P-gp-Substrate: Erhöhung der Exposition des P-gp-Substrats
Kontraindikation
Sotorasib darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Unter der Anwendung von Sotorasib wurden Fälle von Hepatotoxizität beobachtet , die zu einem Leberschaden und zu Hepatitis führen kann. Darüber hhinaus wurde der Wirkstoff mit vorübergehenden Erhöhungen der Serum-Transaminasen (ALT und AST) in Verbindung gebracht. Dosisanpassung oder dauerhafter Abbruch der Behandlung verbessert diese Erhöhungen. Bei 38% der Patienten in klinischen Studien, bei denen eine Hepatotoxizität auftrat, führte die Hepatotoxizität zu einer Dosisunterbrechung oder Dosisreduktion. Insgesamt erhielten 26% der Patienten mit Hepatotoxizität gleichzeitig Kortikosteroide. Es wird empfohlen Patienten vor Beginn der Behandlung, alle 3 Wochen in den ersten 3 Behandlungsmonaten und anschließend einmal monatlich oder je nach klinischer Indikation hinsichtlich ihrer Leberfunktion (ALT, AST und Gesamtbilirubin) zu überwachen. Bei Patienten, die eine Erhöhung der Transaminasen und/oder des Bilirubins entwickeln werden häufigere Tests angeraten.
CAVE: Erhöhungen der Leberenzyme können asymptomatisch verlaufen.
Interstitielle Lungenerkrankung (ILD)/Pneumonitis
Bei Patienten, die in klinischen Studien Sotorasib und zuvor eine Immun- oder Strahlentherapie erhalten hatten, kam es zu Fällen von ILD/Pneumonitis. Patienten sind deshalb auf neue oder sich verschlechternde Symptome, die auf eine ILD/Pneumonitis hinweisen (z. B. Dyspnoe, Husten, Fieber) zu überwachen.
HONG, David S., et al. KRASG12C inhibition with sotorasib in advanced solid tumors. New England Journal of Medicine, 2020, 383. Jg., Nr. 13, S. 1207-1217
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Nagasaka, Misako, et al. "KRAS Inhibitors–yes but what next? Direct targeting of KRAS–vaccines, adoptive T cell therapy and beyond." Cancer treatment reviews 101 (2021): 102309
Abbildung
Adapted from „KRAS Signaling Pathways”, by BioRender.com