
Im Winterhalbjahr 2020/2021 durchlebte Deutschland die zweite große Coronawelle. Wie schon in der ersten SARS-CoV-2-Infektionswelle litten BewohnerInnen von Senioren- und Pflegeeinrichtungen mangels eines verfügbaren Covid-19-Impfstoffs besonders stark unter dem Coronavirus. Komplizierte Krankheitsverläufe und eine hohe Mortalität waren in dieser Altersgruppe besonders häufig. Eine Auswertung von Daten eines Maximalversorgers im Zeitraum der zweiten Coronawelle 2020/2021 identifizierte nun die Risikofaktoren für ein ungünstiges Outcome bei hospitalisierten geriatrischen PatientInnen mit SARS-CoV-2-Infektion.
Daten von 168 geriatrischen PatientInnen ausgewertet
Ein Team um Prof. Ralf Lobmann, ärztlicher Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie am Klinikum Stuttgart, untersuchte retrospektiv 168 geriatrische PatientInnen mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion, die im Zeitraum vom 01.10.2020 bis zum 31.03.2021 am Standort Bad Cannstatt des Klinikums Stuttgart stationär behandelt wurden. Das Alter der Patientinnen lag zwischen 65 und 97 Jahren, die Therapie erfolgte auf einer Normal- oder Intensivstation. Als primärer Endpunkt waren die Ereignisse Entlassung oder Tod definiert.
Erfasste Daten
Die Forschenden werteten Patientenakten sowie Daten zu Symptom- und Krankheitsdauer, Laborparametern und Begleiterkrankungen aus, um Risikomarker für einen tödlichen Verlauf herauszuarbeiten.
Folgende Daten flossen in die Analyse ein:
- Dauer des stationären Aufenthalts
- Art der Atemunterstützung
- Erhalt einer Steroidmedikation
- Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Demenz und kardiovaskuläre Erkrankungen
- Medikation
- Ernährungszustand bzw. Mangelernährung
Bei Aufnahme wurden folgende Laborparameter erfasst:
- Kreatinin
- errechnete glomeruläre Filtrationsrate (eGFR)
- C‑reaktives Protein (CRP)
- Prokalzitonin (PCT)
- Interleukin 6 (IL-6)
- Ferritin
- Leukozytenzahl mit Differenzierung in Lymphozyten und Neutrophile.
Komorbiditäten und Begleitmedikation
Die häufigsten Begleiterkrankungen waren:
- kardiovaskuläre Erkrankungen (86,3%)
- Demenz (32,7%)
- Diabetes mellitus (29,2%)
- Mangelernährung (32,7%)
- Immunsuppression (8,3%)
53% der PatientInnen erhielten eine Therapie mit einem ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker, 30,4% nahmen Neuroleptika und 16,7% Antidepressiva ein.
Behandlung
98,8% der PatientInnen wurden mit einem Kortikosteroid therapiert, drei (1,78%) mit Remdesivir. 25,6% wurden nicht invasiv und 26,2% invasiv beatmet.
Höchste Mortalität bei den >90-Jährigen
Nach Auswertung aller Daten lag die durchschnittliche Mortalität bei 28% und war in der Altersgruppe über 90 Jahre am höchsten. Die meisten PatientInnen verstarben innerhalb der ersten zehn Tage nach der SARS-CoV-2-Infektion. Zwischen den Geschlechtern ergab sich kein signifikanter Unterschied (p = 0,52), wenngleich eine erhöhte Sterblichkeit bei Männern ersichtlich war.
Intensivmedizinische Therapie brachte kaum einen Vorteil
Eine intensivmedizinische Versorgung verlängerte den stationären Aufenthalt zwar um 6,5 Tage, hatte aber keine signifikanten Auswirkungen auf das Überleben. Trotz der intensivmedizinischen Behandlung verstarben 31% der PatientInnen.
Ein Überlebensvorteil zugunsten einer intensivmedizinischen Therapie war lediglich in den ersten zehn bis zwölf Tagen erkennbar.
Hohes Alter, kurze Symptomdauer und Demenz als Risikofaktoren
PatientInnen mit einem tödlichen Verlauf hatten eine signifikant kürzere Dauer zwischen Symptombeginn und Krankenhausaufnahme. Weitere Risikofaktoren waren:
- hohes Alter (>80 Jahre),
- eine Neutrophilie,
- D‑Dimere über der Altersnorm,
- 20fach erhöhte CRP-Werte,
- eine vorbekannte Demenz und
- die Einnahme eines Neuroleptikums.
Die meisten PatientInnen verstarben innerhalb der ersten 20 Tage.