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Krankheiten
Als Hirnblutung werden alle Einblutungen im Schädelinneren (Intrakranialblutung) bezeichnet. Dazu gehören Hämatome im Gehirngewebe (intrazerebrale Blutung) und in bzw. zwischen den Hirnhäuten (extrazerebrale Blutung). Eine Hirnblutung ist lebensbedrohlich und sollte grundsätzlich intensivmedizinisch behandelt werden.
Definition
Hirnblutungen umfassen alle Einblutungen im Inneren des Schädels. Je nach Lage werden sie in intrazerebrale Blutungen (ICB) und extrazerebrale Blutungen (ECB) unterteilt.
Intrazerebrale Blutungen
Die intrazerebrale Blutung findet sich direkt im Gehirnparenchym. Je nach Raumforderung können große Teile von funktionsfähigem Hirngewebe zerstört werden.
Extrazerebrale Blutungen
Extrazerebrale Blutungen betreffen die drei Meningen: Pia mater, Arachnoidea und Dura mater. Je nach Lokalisation werden das Epiduralhämatom (zwischen Schädelknochen und Dura mater), Subduralhämatom (zwischen Dura mater und Arachnoidea) und Subarachnoidalhämatom (im Subarachnoidalraum unter der Arachnoidea) unterschieden.
Blutungen sind meist Folge eines Schädel-Hirn-Traumas. Noxen, Medikamente, Gerinnungsstörungen und/oder Leberschäden können Hirnblutungen jedoch begünstigen. Die Symptome reichen von intrakraniellem Druckgefühl über heftigste Kopfschmerzen bis zu Bewusstseinseintrübungen und Lähmungen. Die Behandlung richtet sich nach Größe und Ursache der Blutung. In den meisten Fällen ist eine neurochirurgische Intervention erforderlich.
Epidemiologie
Die epidemiologischen Daten zu Hirnblutungen unterscheiden sich nach Lokalisation und Quelle erheblich. Die Inzidenz allgemeiner Hirnblutungen wird in Deutschland zwischen 10 und 12/100.000 Einwohner beziffert.
Spontane intrazerebrale Blutungen
Spontane intrazerebrale Blutungen (ICB) machen einen Anteil von 9 bis 27% aller Hirnblutungen aus. Die Inzidenz in Deutschland liegt bei 20/100.000 Einwohner pro Jahr. Das Risiko einer spontanen ICB verdoppelt sich mit jeder Lebensdekade. Das Durchschnittsalter für eine spontane ICB liegt bei 65 Jahren, für ICB traumatischer Genese bei 51 Jahren. Männer sind häufiger betroffen. Intrazerebrale Blutungen sind hierzulande in etwa 10 bis 17% Ursache eines Schlaganfalls.
Subarachnoidalblutungen
Die Subarachnoidalblutung (SAB) hat unter allen spontanen Hirnblutungen einen Anteil von 1 bis 10%. Die Inzidenz der spontanen SAB liegt durchschnittlich bei 9 bis 10/100.000 Einwohner pro Jahr. Das Verhältnis von Frauen zu Männern beträgt 3:2. Das Durchschnittsalter wird mit etwa 50 Jahren angegeben. Eine SAB ist in etwa 5 bis 10% die Ursache eines Schlaganfalls.
Subdurale Hämatome
Die Inzidenz des idiopathischen subduralen Hämatoms (SDH) liegt bei etwa 2,6%, das Durchschnittsalter beträgt zwischen 44 und 75 Jahren. 12 bis 33% aller Patienten mit schweren Kopfverletzungen erleiden ein traumatisches SDH. Das Durchschnittsalter liegt hier im Schnitt zwischen 31 und 42 Jahren. Verkehrsunfälle stellten die häufigste Unfallursache dar, gefolgt von Stürzen und Körperverletzungen.
Epidurale Hämatome
Epidurale Hämatome (EDH) sind meist Folge eines Schädel-Hirn-Traumas. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 10. und 40. Lebensjahr. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen (5:1).
Ursachen
Die Ursachen von Hirnblutungen sind vielfältig. Sie können spontan auftreten oder sind Ursache einer anderen Erkrankung. Häufig sind Hirnblutungen die Folge von Schädel-Hirn-Verletzungen. Typische Situationen sind Stürze, Unfälle und Streitigkeiten nach Alkohol- oder Drogeneinfluss. Blutgerinnungsstörungen und Gefäßerkrankungen können Hirnblutungen jeder Art begünstigen.
Ursachen intrazerebrale Blutungen
Bei intrazerebralen Blutungen liegt das Hämatom direkt im Hirnparenchym. Ursächlich werden zwei ICB-Formen unterschieden: spontane Blutungen und Blutungen als sekundäre Folge.
Bei der spontanen ICB gibt es wiederum zwei Formen: kryptogene spontane oder idiopathisch spontane Blutungen. Bei der kryptogenen spontanen ICB ist eine Ursache wahrscheinlich bzw. wird vermutet. Diese kann aber nach derzeitigem Kenntnisstand und heutigen Methoden nicht nachgewiesen werden. Bei der idiopathischen spontanen ICB gibt es gegenwärtig kein pathophysiologisches Konzept, das eine Ursache dieser Blutung erklären könnte.
Die meisten intrazerebralen Blutungen haben eine sekundäre Ursache. Mit rund 35% gehen intrazerebrale Blutungen bei zwischen 40- und 70-Jährigen auf eine arterielle Hypertonie zurück. Die meisten Blutungen hypertensiver Genese sind Blutungen mit typischer Lokalisation (Hämatome in loco typico). Betroffen sind vor allem die Basalganglien sowie Thalamus, Kleinhirn und Pons. Lobäre und kortikale Einblutungen sind in der Regel nicht-hypertensiver Ätiologie.
Weitere Erkrankungen, die eine ICB verursachen können, sind vor allem:
- Erkrankungen von Arterien und Arteriolen
- genetisch bedingte und erworbene Erkrankungen der kleinen Gefäße und großen Gefäße
- zerebrale Amyloidangiopathie
- zerebrales Aneurysma
- Moya-Moya-Erkrankung (Gefäßkrankheit verursacht durch eine progrediente Stenose der Hirnarterien an der Hirnbasis)
- Vaskulitiden
- reversibles Vasokonstriktionssyndrom
- sekundäre hämorrhagische Transformation
- Venöse Erkrankungen
- Venen-/Sinusthrombose
- Gefäßmalformation wie arteriovenöse Malformation, durale arteriovenöse Fistel und zerebrale kavernöse Malformation
- Tumoren, Ischämie
- Blutgerinnungsstörungen (auch iatrogen, zum Beispiel mit Vitamin-K-Antagonisten assoziierte Blutungen)
- hämatologische Erkrankungen
- intrazerebrale Blutungen im Kontext anderer Erkrankungen
- infektiöse Endokarditis
- Intoxikation
Ursachen Subarachnoidalblutung
Eine Subarachnoidalblutung kann traumatisch oder atraumatisch verursacht werden. Rund 40% aller Schädel-Hirn-Traumata sind mit einer SAB assoziiert. Atraumatische SAB machen 85% aller Subarachnoidalblutungen aus. Prädisponierende Faktoren sind Nikotin- und Alkoholabusus, arterielle Hypertonie sowie Angiopathien. Dazu zählen insbesondere kongenitale Wandschwächen der Tunica media und sekundäre arteriosklerotische oder entzündliche vaskuläre Veränderungen der Hirnbasisarterien. Diese Gefäßdeviationen sind nicht selten Ursache eines Aneurysmas. Nach großer körperlicher Anstrengung oder starkem Pressen bei erschwerter Defäkation beispielsweise wird die dünne Wand dieser geweiteten Gefäße extrem belastet. Rupturiert eine solche Gefäßwandaussackung kommt es zu einer Subarachnoidalblutung.
Atraumatische nicht-aneurysmatogene Subarachnoidalblutungen machen 15% aller SAB aus. Dazu zählen beispielsweise perimesenzephale SAB infolge venöser Einblutungen und kortikale SAB infolge einer Amyloidangiopathie. Weitere sekundäre nicht-aneurysmatogene Auslöser sind zerebrale arteriovenöse Malformationen, durale arteriovenöse Fisteln oder eine Dissektion intraduraler Gefäße.
Ursachen Subduralhämatom
Ein Subduralhämatom ist meist Folge einer Brückenvenen-Ruptur. Diese Venen verbinden die oberflächlichen Hirnvenen mit dem Sinus durae matris. Meist geht der Ruptur ein Unfall bzw. Trauma voraus. Mitunter entstehen Blutungen auch spontan, insbesondere während einer Therapie mit Antikoagulantien.
Ursachen Epiduralhämatom
Das Epiduralhämatom hat nahezu immer eine traumatische Ursache. Nach äußerer Gewalteinwirkung rupturiert in der Regel die Arteria meningea media oder seltener ein venöser Sinus. Mitunter sind Epiduralhämatome auch Folge hirnchirurgischer Eingriffe.
Risikofaktoren Hirnblutungen
Als häufigster Risikofaktor für Hirnblutungen gilt Bluthochdruck. Epidemiologischen Studien zufolge kann eine arterielle Hypertonie bei bis zu 80% aller Patienten mit intrazerebralen Blutungen nachgewiesen werden. Eine optimale Blutdruckeinstellung senkt das ICB-Risiko erheblich. Weitere allgemeine Risikofaktoren sind Antikoagulantien und Thrombozytenaggregationshemmer. Dazu gehören insbesondere Wirkstoffe wie Phenprocoumon und Warfarin sowie Clopidogrel und Acetylsalicylsäure. Fibrinolytika und Heparine steigern ebenfalls das ICB-Risiko. Daneben zählen höheres Lebensalter, Adipositas, Alkohol- und Nikotinabusus sowie Substanzmittelmissbrauch (insbesondere Kokain und Amphetamine) zu den Risikofaktoren von intrazerebralen Blutungen.
Pathogenese
Jede intrazerebrale Blutung ist ein raumfordernder Prozess und verdrängt größenabhängig funktionierendes Hirnparenchym. Die meisten intrazerebralen Blutungen gehen auf eine Ruptur der Arteriae centrales anterolaterales zurück. Diese kleinen Gefäße entspringen vertikal aus der Arteria cerebri kurz nach deren Abgang aus der Arteria carotis interna. Eine solche Rhexisblutung schädigt zum einen das Hirngewebe selbst, beeinflusst aber auch die Blut-Hirn-Schranke. Dies fördert die Entstehung eines perifokalen Hirnödems – mit der Folge eines anteigenden Hirndrucks.
Pathogenese Subarachnoidalblutung
Einer SAB geht meist eine Aneurysma-Ruptur der Hirnbasisarterien voraus. Häufigste Lokalisation ist der Circulus arteriosus Willisii mit der:
- A. cerebri anterior/ communicans anterior (40%)
- A. carotis interna (30%)
- A. cerebri media (20%)
- A. basilaris/vertebrales (10%)
Infolge kommt es zum Hämatom im liquorgefüllten Subarachnoidalraum. Genau genommen handelt es sich bei einer SAB also um eine intrakraniale-extrazerebrale Blutung. Das Hämatom reizt die kranialen Hirngefäße und die umliegenden meningealen Areale von Arachnoidea und Pia mater. Zudem kann die Einblutung das Ventrikelsystem beeinflussen und beispielsweise den Aquaeductus cerebri und die Austrittsstelle des IV. Ventrikels verschließen. Infolge kann die Liquorflüssigkeit nicht mehr abfließen. Da fortwährend Liquor nachproduziert wird, staut sich die Flüssigkeit. Der Hirndruck steigt und ein Hydrozephalus entsteht. Je nach Ursache wird zwischen malresorptivem und okklusivem Hydrozephalus unterschieden.
Pathogenese Subduralhämatom
Nach Ruptur einer zwischen Dura mater und Arachnoidea verlaufenden Vene kommt es zur Einblutung zwischen Dura mater und Gehirn. Diese Raumforderung lässt den Druck im Subduralraum immer weiter ansteigen. Mit zunehmendem Druck (rasant über Stunden bis schleichend über Wochen) wird immer mehr Hirngewebe geschädigt und verdrängt.
Pathogenese Epiduralhämatom
Nach einer traumatischen Schädelkalottenfraktur wird häufig die Hirnhaut versorgende Arteria meningea media zwischen Schädelknochen und Dura mater verletzt. Die Einblutung breitet sich meist im Temporallappen aus. Das Hämatom komprimiert zunehmend Hirngewebe, so dass ein neurochirurgischer Eingriff notfallmäßig indiziert ist.
Symptome
Die Symptome von Hirnblutungen unterscheiden sich nach Lokalisation und Größe des Hämatoms. Häufig sind Hirnblutungen jedoch mit einer verminderten Vigilanz, Kopfschmerzen, Paresen, Hemiplegien und anderen neurologischen Defiziten assoziiert. Da Hirnblutungen häufig die Ursache von hämorrhagischen Schlaganfällen sind, dominieren in vielen Fällen diese Symptome. Alleine aufgrund der Symptomatik kann ein blutungsbedingter Schlaganfall ohne bildgebende Verfahren weder ausgeschlossen, noch sicher bestätigt werden.
Symptome intrazerebrale Blutungen
Intrazerebrale Blutungen zeigen sich häufig mit plötzlichen beginnenden Kopfschmerzen und verminderter Vigilanz. Dazu kommen Übelkeit und Erbrechen sowie Krampfanfälle (fokal oder generalisiert). Innerhalb kurzer Zeit verlieren die Betroffenen das Bewusstsein. Große Blutungen in die Stammganglien verursachen kontralaterale Hemiparesen, konjugierte Blickdeviation zur Seite der Läsion, Ophthalmoplegie, homonyme Hemianopsie, Aphasie und komatöse Eintrübung.
Vigilanzeintrübung, vertikale Blickparese und kontralaterale sensomotorische Hemisymptomatik weisen auf eine Thalamusbeteiligung hin. Typische Symptome für Kleinhirn-Blutungen sind Schwindel, Erbrechen, Ataxie, Dysarthrie und Spontannystagmus. Isolierte Hirnnervenausfälle sowie Tetraparese, kontralaterale Hemisymptomatik und komatöse Eintrübung deuten auf Pons-Hämatome hin. Gekreuzte Hirnstammsyndrome sind mögliche Anzeichen tegmentaler Blutungen.
Mit ansteigendem intrakraniellen Druck besteht die Gefahr der transtentoriellen Einklemmung. Je nach Region sind Bewusstseinsstörungen, Koma und Tod die Folge.
Ohne therapeutische Intervention schreiten die Beschwerden progressiv fort. Sobald sich das Blut resorbiert – und der Patient überlebt – gehen die neurologischen Symptome zurück. Je nach Ausbreitung und Region bleiben dauerhafte Einschränkungen zurück. Diese sind jedoch individuell verschieden und nur schwer vorherzusagen.
Symptome Subarachnoidalblutung
Eine Subarachnoidalblutung beginnt typischerweise mit plötzlichen (innerhalb weniger Sekunden), sehr ausgeprägten Kopfschmerzen. Der Schmerzcharakter wird als vernichtend beschrieben. Der Patient trübt ein und verliert zunehmend das Bewusstsein. Puls und Atemfrequenz sind vorerst oft noch normal. SAB bergen grundsätzlich die Gefahr einer Infarzierung.
Sekundäre Vasospasmen können fokale Hirnischämien verursachen und zu vegetativen Störungen, fokal-neurologischen Ausfällen, Meningismus, Hydrozephalus und beidseitig positivem Babinski-Zeichen führen. Ein Hydrozephalus macht sich mit Kopfschmerzen, Somnolenz und motorischen Defiziten bemerkbar.
Symptome Subduralhämatome
Bei Subduralhämatomen werden akute und chronische Verläufe unterschieden.
Akute Subduralhämatome
Das akute SDH entwickelt sich rasch analog der traumatischen Verletzung. Typisch sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Vigilanzminderung. Häufig finden sich eine ipsilaterale Mydriasis und eine kontralaterale Herdsymptomatik in Form einer Hemiparese. In der Regel verlieren die Patienten innerhalb weniger Stunden das Bewusstsein. Beuge- und Strecksynergismen deuten auf hirndruckbedingte Ausfälle hin.
Chronische Subduralhämatome
Das chronische SDH wird häufig erst nach mehreren Wochen diagnostiziert. An die auslösende Bagatellverletzung wird sich oft nicht mehr erinnert bzw. wird diese nicht in Zusammenhang mit den Beschwerden gebracht. Die Symptomatik ist uncharakteristisch. Hinweisgebend sind ein Druckgefühl im Kopf (mitunter auch Kopfschmerzen), Schwindel und psychomotorische Einschränkungen sowie Konzentrationsschwäche und Orientierungsverlust. Fokale Symptome wie Lähmungen, sensible Störungen und Krampfanfälle sind ebenfalls möglich.
Cave: Bei älteren Patienten werden die Beschwerden häufig mit einer dementiellen Symptomatik verwechselt und das Subduralhämatom wird übersehen.
Symptome Epiduralhämatom
Ein Epiduralhämatom beginnt akut mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Unruhe oder mit einem Latenzintervall nach initialer Bewusstlosigkeit. Dieses symptomfreie Intervall ist nicht bei jedem EDH zu beobachten, kann aber als hinweisgebendes Zeichen einer epiduralen Blutung gewertet werden. Nach kurzzeitigem Bewusstseinsverlust klart der Patient auf, verliert aber aufgrund der anteigenden intrakraniellen Druckverhältnisse nach einer relativen Latenzzeit (symptomfreies Intervall) erneut das Bewusstsein. Hinweisgebend für Epiduralhämatome sind eine Anisokorie infolge ipsilateraler Mydriasis und kontralaterale Fokaldefizite bzw. Hemiparesen.
Ohne sofortige neurochirurgische Entlastung besteht die Gefahr einer Einklemmung, die in den meisten Fällen letal endet.
Diagnostik
Erste Hinweise auf eine Hirnblutung geben das klinische Bild, der neurologische Status und die Anamnese. Jede Hirnblutung muss bei Verdacht mit einer neuroradiologischen Bildgebung bestätigt werden. Goldstandard ist die Computertomographie des Kopfes (cCT) nativ und mit Kontrastmittel. Je nach Lokalisation des Hämatoms zeigen sich unterschiedliche Befunde. In der Akutphase gilt eine Magnetresonanztomographie als diagnostisch gleichwertig. Aufgrund der längeren Untersuchungsdauer und der eingeschränkten Patienten-Überwachung ist eine MRT jedoch nicht Diagnose-Mittel der Wahl bei Verdacht auf Hirnblutungen.
Labordiagnostik
Neben der Bildgebung erfolgt eine laborchemische Blutanalyse. Wichtige Parameter sind:
- Blutbild
- Gerinnungsstatus (INR, PTT, TZ), ggf. Thrombozytenfunktionstest bei Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern
- Anti-Xa-Aktivität bei Therapie mit neuen oralen Antikoagulantien
- Elektrolyte
- Blutzucker
- Nieren- und Leberparameter
- Vaskulitis-Serologie
Therapie
Die Therapie von Hirnblutungen richtet sich nach Ursache, Ausmaß und Lokalisation des Hämatoms. Sie umfasst neben neurochirurgischen Eingriffen eine Stabilisierung der Blutgerinnung sowie konservative Maßnahmen. Patienten mit Hirnblutungen sollten unverzüglich einer Stroke-Unit-Einheit zugeführt und intensivmedizinisch überwacht werden. Neurologischer Status, intrakranieller Druck und Hämatomausdehnung sind kontinuierlich und engmaschig zu kontrollieren. Darüber hinaus sind die respiratorische Suffizienz, der metabolische Status und die Herz-Kreislauf-Parameter monitorgestützt zu überwachen. Viele Patienten erhalten eine arterielle Blutdruckmesssonde und einen zentralen Venenzugang. Nicht selten müssen Patienten mit Hirnblutungen intubiert und maschinell beatmet werden. Gegebenenfalls wird sich für eine Stressulkusprophylaxe entschieden. Bei Bedarf sind analgosedierende Maßnahmen, Fiebermanagement und Blutdrucksenkung erforderlich. Die metabolische Situation ist fortwährend anzupassen.
Besonderheiten intrazerebraler Blutungen
Die Akut-Behandlung von intrazerebralen Blutungen sollte leitliniengerecht in neurologisch-neurochirurgisch spezialisierten Therapie-Zentren erfolgen. Die Zuweisung muss dabei so rasch wie möglich geschehen.
Eine Hämatomevakuation kann im individuellen Fall bei spontaner supratentorieller oder zerebellärer ICB in Erwägung gezogen werden. Über die Anlage einer externen Ventrikeldrainage (EVD) zur Hirndrucksenkung wird nach klinischem oder neuroradiologischem Hinweis auf einen Hydrozephalus entschieden. Auch wenn ein direkter Nutzen bisher nicht nachgewiesen worden ist, erscheint es plausibel, erhöhten Blutdruck bei einer ICB zu senken. Daneben sind hirndrucksenkende Maßnahmen erforderlich. Dazu gehören unter anderem:
- 30°-Oberkörperhochlagerung, ggf. in Abhängigkeit vom zerebralen Perfusionsdruck
- osmotische Therapie mit
o Glycerol (500 ml 10 %)
o Mannitol: Tag 1 bis 5: 100 ml (20 %), 6 × täglich, Tag 6: 100 ml 3 × täglich, Tag 7: 100 ml 2 × täglich - kurzfristige Hyperventilation (pCO2 > 32 mmHg)
- Analgosedierung
- Hypothermie
- Hämatomevakuation mit/ohne Kraniotomie
- EVD-Anlage bei drohendem Hydrozephalus sowie bei klinischen oder neuroradiologischen Zeichen einer Hirnstammkompression
- ggf. Einlage einer Hirndrucksonde
Besonderheiten Subarachnoidalblutung
Die Akutbehandlung einer Aneurysma-bedingten Subarachnoidalblutung soll in spezialisierten Zentren unter Beteiligung erfahrener vaskulärer Neurochirurgen und interventionellen Neuroradiologen erfolgen. Aufgrund des spezifischen Komplikationsrisikos wird empfohlen, Patienten nach einer schweren SAB auf einer Überwachungseinheit oder Intensivstation mit nachgewiesener Expertise zu behandeln. Bis zur Versorgung des Aneurysmas sollte als mittlerer arterieller Blutdruck ein Zielwert von 60–90 mmHg angestrebt werden. Höhere Blutdruckwerte können mit einem erhöhten Re-Ruptur-Risiko einhergehen.
Als Basismaßnahmen empfiehlt die Leitlinie:
- Bettruhe
- Vermeidung heftiger pressorischer Akte, bei Bedarf Antiemetika und Laxantien
- Vermeidung von Hyperglykämie, Hypoglykämie, Hyponatriämie und Fieber zur Neuroprotektion
- nach Aneurysma-Versorgung subkutane Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen Heparinen
Aneurysmabehandlung
Die Behandlungsmöglichkeiten und -risiken eines rupturierten Aneurysmas sind interdisziplinär zu prüfen. Bei rupturierten Aneurysmen und anatomischen Verhältnissen, die für eine erfolgreiche endovaskuläre Behandlung sprechen, werden Aneurysma-Coilings empfohlen. Nach erfolgreichem, unkompliziertem Aneurysma-Coiling ist für angiografische Routine-Kontrollen die Magnetresonanzangiographie (MRA) der intraarteriellen Angiografie vorzuziehen.
Hydrozephalusbehandlung
Bei symptomatisch-akutem Hydrozephalus sollte unverzüglich eine externe Liquorableitung erfolgen.
Bei symptomatisch-chronischem Hydrozephalus wird die Anlage eines ventrikuloperitonealen oder ventrikuloatrialen Shunts empfohlen.
Vasospasmus, Hypovolämie und verzögerte ischämische Defizite
Zur Prophylaxe verzögerter ischämischer neurologischer Defizite wird empfohlen, sofort nach gesicherter Diagnose mit oralem Nimodipin zu therapieren (60 mg alle 4 Stunden). Ist eine orale Verabreichung nicht möglich, kann auf eine intravenöse Gabe ausgewichen werden.
Um mögliche Vasospasmen und eine prognostisch ebenso relevante Hypovolämie zu detektieren, wird ein Monitoring geeigneter Parameter empfohlen. Dazu gehören zum Beispiel die tägliche transkranielle Duplexsonografie, 24-Stunden-Flüssigkeitsbilanz, Blutdruckmessung und Messungen des zentralvenösen Druckes bzw. Überwachung des Pulskontur-Herzzeitvolumens (Pulse Contour Cardiac Output, kurz PiCCO).
Eine Hypovolämie und Hypotension sind zu vermeiden und eine Normovolämie anzustreben. Da einer Hypovolämie in den meisten Fällen eine Hyponatriämie vorausgeht, wird eine Volumentherapie primär mit isotonen Lösungen empfohlen.
Beim Auftreten verzögerter ischämischer Defizite kann eine induzierte Hypervolämie und Hypertension erwogen werden. Eine endovaskuläre Therapie vasospasmusbedingter ischämischer Defizite kann durchgeführt werden, wird wegen bisher fehlender kontrollierter Studien aber nicht generell empfohlen.
Besonderheiten Subduralhämatom
Bei Suburalblutungen muss die Notwendigkeit eines neurochirurgischen Eingriffs individuell erwogen werden. Dringliche Indikationen sind ein erhöhter intrakranieller Druck, Anzeichen einer Herniation oder eine Verschlechterung des neurologischen Status des Patienten. Als Maßnahmen kommen eine Entlastungskraniotomie oder eine Bohrlochtrepanation mit Drainageanlage in Frage. Bei antikoagulierten Patienten ist zuvor die Blutgerinnung zu normalisieren.
Wird sich in Einzelfällen gegen eine Operation entschieden, erfolgt die Therapie konservativ. Die Maßnahmen richten sich nach den kardialen, respiratorischen und metabolischen Basisparametern, dem intrakraniellem Druck und dem neurologischen Status. Alle Verlaufsparameter müssen engmaschig monitorgestützt und computertomographisch überwacht werden.
Besonderheiten Epiduralhämatom
Eine Epiduralblutung erfordert eine unverzügliche neurochirurgische Intervention zur Hämatomevakuation. Die operative Trepanation erfolgt in der Regel temporal nach Rudolf Ulrich Krönlein als Krönlein-Bohrung.
Prognose
Die Prognose einer Hirnblutung hängt entscheidend vom Ausmaß und der Lokalisation der Blutung, dem Alter und Gesundheitszustand des Patienten sowie dem Zeitpunkt des Therapiebeginns ab. Je rascher die Behandlung eingeleitet wird, umso günstiger ist der Krankheitsverlauf. Ähnlich wie beim Schlaganfall gilt auch bei Hirnblutungen „time is brain“. Eine möglichst geringe Zeitverzögerung und eine effektive Erstversorgung mit rascher intensivmedizinischer/neurochirurgischer Anschlussbetreuung nach dem Blutungsereignis haben maßgeblichen Einfluss auf die Prognose.
Ohne Therapie ist die Prognose bei Hirnblutungen fast immer infaust und der Krankheitsverlauf letal. Anderenfalls können sich nach erfolgreicher Behandlung vornehmlich schlechte Outcomes mit funktionellen Defiziten auch nach mehreren Monaten – eine effiziente Rehabilitation vorausgesetzt - noch bessern. Mitunter bleiben aber neuropathologische Ausfälle und eine epileptogene Prädisposition mit erhöhter Krampfneigung oder eine manifeste Epilepsie bestehen.
Prognose intrazerebrale Blutung
Nach einer spontanen intrazerebralen Blutung verstirbt jeder fünfte Patient innerhalb eines Tages. Die 30-Tage-Mortalitätsrate liegt bei rund 40%. Einer traumatischen ICB erliegt etwa jeder dritte Patient. Zwischen 12 und 40% der Patienten erlangt nach einer ICB wieder ihre vorherige Unabhängigkeit bzw. Selbständigkeit.
Folgende Situationen begünstigen eine schlechte Prognose:
- hohes Alter zum Blutungszeitpunkt
- hohes Hämatomvolumen
- schlechter Allgemeinzustand
- Einbruch der Blutung in das Ventrikelsystem
- antikoagulative Therapie
- hoher Intracerebral Hemorrhage Score (ICH-Score)
- niedrige Glasgow-Coma-Scale (GCS ≤8)
Die Prognose einer ICB richtet sich darüber hinaus nach den zusätzlichen intrazerebralen Verletzungen.
Prognose Subarachnoidalblutung
Die Prognose der Subarachnoidalblutung richtet sich nach ihrer Genese. Die spontane nicht-aneurysmatische SAB ist in 95% der Fälle eine venöse Blutung in die mesenzephalen Zisternen. Die Prognose kann als relativ gut bewertet werden.
Der weitaus größere Anteil von aneurysmatischen SAB ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert. Bis zu 15% der Betroffenen überleben den Weg in die Klinik nicht und versterben noch vor Krankenhausaufnahme.
Die 30-Tage-Letalität beträgt insgesamt 35 bis 40%. Auch nach erfolgreicher medizinischer Betreuung wird die vorherige Lebensqualität nur selten erreicht. Gut ein Drittel der Betroffenen lebt mit einer dauerhaften Behinderung, jeder Zweite mit residualen kognitiven und emotionalen Defiziten.
Prognose Subduralhämatom
Das akute spontane Subduralhämatom hat ohne sofortige neurochirurgische Therapie fast immer eine infauste Prognose. Insgesamt wird die Mortalitätsrate als sehr hoch bewertet. Je nach Quelle schwanken die Angaben zwischen 17 und 76%. Je eher die chirurgische Behandlung beginnt, umso besser ist das Behandlungsergebnis. Eine hohe GCS zum Zeitpunkt der Aufnahme, vorhandene Pupillenreaktivität und ein niedriges Alter zum Blutungszeitpunkt fördern das Outcome.
Bei traumatischen akuten Subduralhämatomen liegt die Mortalitätsrate bei komatösen Patienten zwischen 50 und 79%. Prognostisch ungünstig sind:
- hohes Alter zum Blutungszeitpunkt
- verzögerte operative Versorgung
- bilateral fixierte Pupillen
- niedrige GCS
- Mittellinienverlagerung
- Kompression basaler Zisternen
- postoperativer intrakranieller Druck-Anstieg
Zusätzlich zum akuten SDH können intra- und extrazerebrale Schädigungen das klinische Behandlungsergebnis weiter verschlechtern.
Bei rechtzeitiger neurochirurgischer Intervention verbessert sich die Mortalitätsrate auf Werte zwischen 1,2 und 2,1%. Das postoperative Outcome der Überlebenden ist in der Regel gut. Ein schlechtes klinisches Behandlungsergebnis ist mit Alkoholabusus sowie einem erneuten Auftreten eines chronischen SDH assoziiert.
Prognose Epiduralhämatom
Ohne unverzügliche neurochirurgische Intervention ist die Prognose von Epiduralhämatomen schlecht. Bei rechtzeitiger Versorgung haben die Patienten jedoch gute Chancen, ein EDH zu überstehen. 70% aller operierten Patienten überleben die Therapie, 20% von ihnen mit Residualsymptomatik. Werden Diagnose und Therapie bei einer GCS > 8 gestellt und unverzüglich eingeleitet, tendiert die Mortalität gegen Null.
Die Mortalität komatöser Patienten schwankt je nach Quelle zwischen 9 und 59%. Ein befriedigendes klinisches Behandlungsergebnis wird zwischen 34 und 83% der Fälle erzielt. Prognostisch ungünstig sind:
- hohes Alter zum Blutungszeitpunkt
- bilateral fixierte Pupillen
- niedrige GCS
- Mittellinienverlagerung
- Vorhandensein weiterer intraduraler Läsionen
Prophylaxe
Hirnblutungen kann man nicht in jedem Fall sicher verhindern. Das gilt insbesondere für spontane Blutungen bei eingeschränktem Gerinnungsstatus (beispielsweise bei Hämophilie oder Antikoagulationstherapie). Es ist jedoch in gewissem Umfang möglich, blutungsfördernde Risikofaktoren zu minimieren. Dazu gehören:
- normoton eingestellter Blutdruck
- Normoglykämie anstreben
- Adipositas vermeiden
- gesunde Ernährung und ausreichende körperliche Bewegung
- Nikotinverzicht
- moderater Alkoholkonsum
- Drogenabstinenz
- regelmäßige Kontrolluntersuchungen bei kardiovaskulären und anderen Vorerkrankungen
Um Vitamin-K-Mangel-verursachte Hirnblutungen bei Säuglingen zu vermeiden, erhalten Neugeborene in Deutschland direkt nach der Geburt sowie bei der 2. und 3. Vorsorgeuntersuchung Vitamin K in Tropfenform.