Bei den autoimmun bedingten Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen kommt es zu einer sekundären Demyelinisierung im ZNS. Die Erkrankung verläuft schubförmig und kann unter anderem Sehstörungen bis zur Blindheit und Muskelschwäche bis zu Lähmungen zur Folge haben.
Unter dem Begriff Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (Neuromyelitis optica spectrum disorders [NMOSD]) fasst man eine Gruppe seltener autoimmun bedingter, entzündlicher Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) zusammen. Typischerweise betreffen NMSOD den N. opticus, das Rückenmark oder den Hirnstamm. Namensgebend ist dabei die gleichzeitige schwere Entzündung des Sehnervs und des Rückenmarks, die zu Sehstörungen bis hin zur Blindheit und zu einer Muskelschwäche in Armen und Beinen führt.
Da NMOSD auch andere Bereiche des Gehirns und des Rückenmarks schädigen können, ist das Krankheitsbild sehr vielfältig. Zu den typischen Beschwerden zählen unter anderem auch anhaltende Übelkeit, unstillbares Erbrechen und hartnäckiger Schluckauf (Area-postrema-Syndrom). Aufgrund einer starken klinischen Symptomatik, mit z. B. wiederholtem Erbrechen, Schmerzen und fortschreitender Muskelschwäche, bereits beim ersten Krankheitsschub werden Patienten mit NMOSD häufig erstmals in der Notaufnahme vorstellig. Für den weiteren Verlauf der Erkrankung ist die rasche Diagnose und Therapie einer NMSOD von entscheidender Bedeutung.
Bis 2004 war es unklar, ob NMSODs eine Form der Multiplen Sklerose (MS) oder eine eigenständige Erkrankung sind. Erst durch die Entdeckung spezifischer Autoantikörper im Serum von NMO-Patienten konnten die Krankheiten eindeutig unterschieden werden. Der autoimmune Angriff bei NMOSD richtet sich gegen Astrozyten. Zur Demyelinisierung durch Angriff von Entzündungszellen auf die Oligodendrozyten kommt es erst im Anschluss an die Schwächung und Zerstörung der Astrozyten. In etwa 80% der NMSOD-Fälle können IgG-Autoantikörper, die sich gegen die Wasserkanal Aquaporin-4 Proteine (AQP4-IgG-Antikörper) der Astrozyten richten, im Serum nachgewiesen werden. Die NMOSD stellen jedoch immer noch eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen der Multiplen Sklerose (MS) dar. Sie treten jedoch viel seltener auf (in Europa etwa 1:100 NMSOD vs. MS).
In den letzten Jahren wurden Patientenkohorten mit einem klinischen oder magnetresonanztomographischen „NMOSD-Phänotyp“ beschrieben, die AQP4-IgG-Antikörper-negativ waren, bei denen jedoch Autoantikörper gegen MOG (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein) im Serum nachgewiesen werden konnten.
Epidemiologie
In Deutschland sind schätzungsweise 1.500 bis 2.000 Menschen an NMSOD erkrankt. Frauen sind sehr viel häufiger als Männer betroffen (ca. 9:1). Der Erkrankungsbeginn liegt zwischen dem 30. und dem 40. Lebensjahr und erfolgt im Median ca. eine Dekade später als bei der Multipler Sklerose. In 15-20% der Fälle kommt es zur Erstmanifestation im Kindesalter oder im hohen Alter.
Ursachen
Die Ursache für die NMSOD ist ein autoimmuner Prozess, der sich gegen Aquaporin-4 (AQP4), ein zelluläres Wasserkanalprotein, richtet und so die Astrozyten schädigt. Über darauffolgende Entzündungsreaktionen und die Infiltration von Granulozyten kommt es zur Zerstörung der Oligodendrozyten und damit zur Demyelinisierung der Neurone. Anders als bei der Multiplen Sklerose, die durch eine primäre Demyelinisierung gekennzeichnet ist, handelt es sich bei den NMSOD um eine sekundäre Demyelinisierung als Folge einer Entzündungsreaktion.
Risikofaktoren
Folgende Faktoren können das Risiko für eine Erkrankung an NMSOD erhöhen:
Weibliches Geschlecht
Bestimmte genetische Varianten des Haupthistokompatibilitätskomplexes
Das Vorhandensein von IgG-Autoantikörper, die sich gegen das Wasserkanalprotein Aquaporin-4 (AQP4) auf Astrozyten richten, gilt als pathognonomisch für die NMOSD. Aquaporin-4 (AQP4) ist das zelluläre Wasserkanalprotein, das im Gehirn, dem Rückenmark und dem N. opticus am häufigsten exprimiert wird. Innerhalb des Gehirns findet man AQP4 in Regionen mit Kontakt zur Zerebrospinalflüssigkeit und vor allem an den Fußfortsätzen der Astrozyten an der Blut-Hirn-Schranke.
Schwächung der Blut-Hirn-Schranke
AQP4-Antikörper sind vorwiegend vom IgG1-Isotyp. Daten aus experimentellen Studien legen nahe, dass AQP4-Antikörper in Astrozyten, die AQP4 exprimieren, die Produktion von Interleukin-6 (IL-6) induzieren. Es wird vermutet, dass die IL-6 Signale die Funktion der Blut-Hirn-Schranke in den Endothelzellen schwächt.
Primäre Schäden an Astrozyten
Sobald sich die AQP4-Antikörper an die extrazelluläre Domäne des AQP4-Rezeptors gebunden haben, schädigen sie die Astrozyten, indem sie Komplement aktivieren und die Infiltration von Granulozyten fördern. Als weitere schädliche Wirkung der AQP4-Antikörper wird eine Störung der Glutamathomöostase in den Astrozyten diskutiert. Die Astrozyten werden zunehmend geschwächt und können die umgebenden Zellen, wie Oligodendrozyten und Neurone nicht mehr unterstützen. Es kommt zu Schäden an den Oligodendrozyten und zur Demyelinisierung der Neurone.
Aquaporin 4 außerhalb des ZNS
Die AQP4-Wasserkanäle sind auch außerhalb des ZNS verbreitet, wie z. B. in den Sammelgängen der Nieren, den Belegzellen des Magens, in den Atemwegen, sekretorischen Drüsen und der Skelettmuskulatur. Dank lokaler Komplement-Inhibitoren sind diese peripheren Organe jedoch vor Schäden durch Autoantikörper gut geschützt. Im Gehirn gibt es diese lokalen Komplement-Inhibitoren jedoch nicht.
Symptome
Zu den Kernsymptomen der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen zählen:
Optikusneuritis
Akute Myelitis
Akutes Area-Postrema-Syndrom (Schluckauf oder Übelkeit und Erbrechen ohne erkennbare andere Ursache)
Akutes Hirnstammsyndrom
Symptomatische Narkolepsie oder akutes dienzephales Syndrom mit NMOSD-typischer dienzephaler MRT-Läsion (periependymal 3. Ventrikel/ Thalamus/Hypothalamus)
Symptomatisches zerebrales Syndrom mit NMOSD-typischer cerebraler MRT-Läsion (konfluierend subkortikal, periependymal Seitenventrikel, Corpus callosum, kortikospinaler Trakt)
Diagnostik
Ein Verdacht auf NMSOD sollte bei den folgenden Symptomen und Befunden aufkommen:
Ein- oder beidseitige schwere Optikusneuritis mit erheblichem bis vollständigem Visusverlust
Schlechtes Ansprechen/inkomplette Remission eines Schubes auf Glukokortikoid-Pulstherapie
Zwischenhirnsyndrome mit Störungen des Bewusstseins
Hirnstammsymptome, insbesondere bei unstillbarem Erbrechen und/oder Schluckauf
Neuropathische Schmerzen
Bei einem Verdacht auf NMSOD werden zur Abklärung folgende Untersuchungen empfohlen:
Kraniale und spinale MRT-Bildgebung
Liquorpunktion (im Schub häufig eine Pleozytose)
Serologische Antikörperdiagnostik (nur bei NMSOD typischer klinischer Konstellation; zellbasierte Assays sind anderen Testverfahren überlegen)
Wenn das Testergebnis für AQP4-IgG-AK negativ ist aber weiterhin ein klinischer Verdacht auf NMSOD besteht bzw. die Diagnose ungeklärt ist, sollte die Testung in einem anderen Labor und/oder mit einem anderen zellbasierten Testverfahren und/oder zu einem anderen Zeitpunkt wiederholt werden. Darüber hinaus sollte eine Untersuchung auf MOG-AK erwogen werden.
Diagnostische Kriterien
Für die Diagnosestellung Neuromyelitis-optica-Spektrum wurden 2015 vom International Panel for NMOSD Diagnosis (IPND) Kriterien vorgeschlagen, die in die Leitlinie von 2021 übernommen wurden. Die diagnostischen Kriterien Erkrankungen unterscheiden sich, je nachdem, ob AQP4-IgG-AK nachgewiesen werden konnten oder nicht. Die Leitlinie von 2021 empfiehlt die Kategorie „unbekannter AK-Status“ zu vermeiden und besser eine Kategorisierung in „NMOSD mit AQP4-IgG-AK“ oder „NMOSD ohne AQP4-IgG-AK“ vorzunehmen.
Diagnostische Kriterien für NMOSD mit AQP4-IgG-AK
Patient weist ≥1 der 6 Kernsymptome auf (s. Symptome)
Positiver Befund der Untersuchung auf AQP4-IgG-AK (zellbasiertes Assay [CBA])
Ausschluss von Differenzialdiagnosen
Diagnostische Kriterien bei negativem AQP4-IgG-AK Befund oder bei unbekanntem AK-Status
Patient weist ≥2 der 6 Kernsymptome (s. Symptome) infolge eines oder mehrerer Schübe auf.
Patient weist alle drei der folgenden Voraussetzungen auf:
- ≥1 der Kernsymptome Optikusneuritis oder langstreckige Myelitis oder Area-postrema-Syndrom - räumliche Dissemination in der MRT (= mind. zwei Lokalisationen der Kernsymptome) - erfüllte MRT-Zusatzkriterien (s. unten)
AQP4-IgG-AK negativ oder unbekannt
Ausschluss von Differenzialdiagnosen
MRT-Zusatzkriterien für NMOSD ohne AQP4-IgG-AK oder bei unbekanntem AK-Status
Akute Optikusneuritis: N. opticus über mind. 50 % seiner Länge T2-hyperintens oder Kontrastmittel aufnehmend, Chiasmabeteiligung, kraniale MRT unauffällig oder nur unspezifische Läsionen
Akute Myelitis, die sich ≥3 Wirbelkörpersegmente erstreckt (LETM) oder eine Atrophie (Zustand nach Myelitis), die über ≥3 Wirbelkörpersegmente reicht.
Area-postrema-Syndrom: Läsion der dorsalen Medulla/Area postrema
Hirnstammsyndrom: periependymale Hirnstammläsion im 4. Ventrikel
Zur Darstellung der langstreckigen Veränderungen bei den NMOSD-bedingten Optikusneuritiden kann eine spezielle MRT-Untersuchungstechnik die Double Inversion Recovery (DIR) hilfreich sein.
Differenzialdiagnosen
Folgende Warnsignale können auf eine potenzielle Differenzialdiagnose zur NMSOD hinweisen:
Verschlechterung ist progredient und unabhängig von Schüben
Sehr schnelles Voranschreiten der Schubsymptomatik (<4 Stunden bis zum Maximum)
Anhaltende Verschlechterung der Schubsymptomatik (>4 Wochen)
Partielle transverse Myelitis, vor allem bei longitudinaler Ausdehnung <3 Wirbelkörpersegmente
Bei der NMSOD ist die Schub- von der Langzeittherapie zu unterscheiden.
Schubtherapie
Eine frühe und aggressive Behandlung eines sicher diagnostizierten NMOSD-Schubs ist entscheidend für den Therapieerfolg. Eine Verzögerung um wenige Tage kann das Ansprechen auf die Therapie beeinträchtigen. NMSOD-Schübe werden gewöhnlich mit hochdosierten Glukokortikoiden i.v. und Aphereseverfahren (Plasmapherese/Immunadsorption) behandelt.
Glukokortikoide als Ersttherapie
Zur Ersttherapie eines NMSOD-Schubs empfiehlt die Leitlinie von 2021 eine hochdosierte intravenöse Glukokortikoidtherapie (1.000 mg/d Methylprednisolon über 5 Tage). Um Rezidiven vorzubeugen, sollte nach dieser Behandlung eine orale Ausschleichphase folgen.
Aphereseverfahren als Ersttherapie
Falls der Patient bei vorangegangenen Schüben gut auf Plasmapherese/Immunadsorption angesprochen hat, soll ein Aphereseverfahren als Ersttherapie bei einem Erkrankungsschub eingesetzt werden. Eine Plasmapherese/Immunadsorption kann auch bei einer Myelitis infolge der NMSOD als Ersttherapie des Schubes erwogen werden.
Zweitlinientherapien
Wenn sich die neurologische Symptomatik nicht bessert oder sogar verschlechtert, soll eine Apheresetherapie (Plasmapherese oder Immunadsorption, fünf bis sieben Zyklen) als Zweitlinientherapie unverzüglich nach der Ersttherapie durchgeführt werden, um ein optimales Ansprechen auf die Therapie zu erzielen. In Studien zeigten sich Plasmapherese oder Immunadsorption bisher als gleichwertig. Bei einer Verschlechterung der Symptomatik kann der Einsatz eines Aphereseverfahrens auch bei noch laufender Steroidtherapie erwogen werden.
Langzeittherapie
Das Ziel der Langzeittherapie der NMOSD besteht in der Verhinderung von Erkrankungsschüben. Bis 2019 waren nur Off-Label Therapien möglich, mitte 2019 wurde die erste Therapie für NMOSD in Deutschland zugelassen.
Allgemeine Empfehlungen der Leitlinie von 2021
Da die NMOSD in der Regel mit wiederholten und oft schweren Erkrankungsschüben einhergehen und diese mit einem hohen Risiko für bleibende Schäden und Behinderungen verbunden sind, empfiehlt die Leitlinie von 2021 eine Immuntherapie bei sicherer Diagnose einer NMOSD bereits nach dem ersten Schub zu beginnen. Patienten mit NMOSD, die einen stabilen Erkrankungsverlauf und gute Verträglichkeit unter einer Off-label-Therapie aufweisen, sollten nicht auf die zugelassenen Wirkstoffe umgestellt werden.
Die Leitlinie empfiehlt aber einen Therapiewechsel bei anhaltender Schubaktivität unter bestehender Therapie oder Nebenwirkungen. Bei Vortherapie mit Azathioprin/ Mycophenolat-Mofetil (MMF) kann eine Umstellung auf Rituximab erfolgen. Bei AQP4-IgG-AK-positiver NMOSD und Vortherapie mit Rituximab sollte eine Umstellung auf Eculizumab erfolgen. Bei anhaltenden Schüben kann eine Kombinationstherapie oder die Therapie mit Tocilizumab erwogen werden. Bei weiteren Erkrankungsschüben kann eine intermittierende Apheresetherapie erfolgen.
Zugelassene Medikamente für die Langzeittherapie
Als erste Therapie zur Behandlung einer AQP4-IgG-AK-positiven NMOSD mit schubförmigem Krankheitsverlauf 2019 (ab dem 2. Schub) wurde der gentechnisch hergestellte humanisierte monoklonale Antikörper Eculizumab (Soliris®) in Deutschland zugelassen. Eculizumab bindet an das Protein C5 des Komplementsystems und blockiert dessen Spaltung in die Fragmente C5a und C5b und verhindert so die Bildung des Membranangriffkomplexes (MAC). Eculizumab ist auch zur Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH), des atypischen hämolytisch-urämischen Syndroms (aHUS) und der therapierefraktären generalisierten Acetylcholin-Rezeptor-Antikörper-positiven Myasthenia gravis zugelassen.
Im Juni 2021 folgte die Zulassung von Satralizumab (Enspryng®) eine Weiterentwicklung von Tocilizumab mit neuartiger Recycling-Technologie, die die Wirksamkeit des humanisierten monoklonalen Anti-Interleukin-6 (IL-6) Rezeptor-Antikörpers verlängert.
Eculizumab
Eculizumab (Soliris®) wird als Tropfinfusion in eine Vene verabreicht. Die empfohlene Dosis richtet sich nach dem jeweiligen Anwendungsgebiet und bei Patienten unter 18 Jahren nach dem Körpergewicht. Soliris® wird zunächst einmal wöchentlich und dann alle zwei oder drei Wochen gegeben. Bei einem Plasmaaustausch oder einer Plasmainfusion sind zusätzliche Dosen Eculizumab erforderlich. Zu den häufigen Nebenwirkungen von Eculizumab gehören:
Cave: Unter Eculizumab besteht ein erhöhtes Risiko für eine Meningokokken-Sepsis. Vor Beginn der Therapie muss deshalb geprüft werden, ob eine Infektion mit Neisseria meningitidis besteht und ob der Patient gegen diese Erreger geimpft ist. Eculizumab darf ausschließlich bei Patienten angewendet werden, die gegen Neisseria meningitidis geimpft wurden. Bei zeitnaher Impfung kann die Zeit bis zur Bildung einer Immunität ggf. mit einer entsprechenden antibiotischen Behandlung überbrückt werden.
Empfehlung der der Leitlinie von 2021 (starker Konsens)
Laut Leitlinie von 2021 sollte Eculizumab sollte bei Patienten mit AQP4-IgG-AK-positiver, schubförmiger NMOSD nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung unter Einbeziehung von Krankheitsaktivität und möglichen Therapiealternativen eingesetzt werden. Insbesondere vorbehandelte NMOSD-Patienten mit anhaltender Schubaktivität können mit Eculizumab behandelt werden.
Satralizumab
Satralizumab wird als Monotherapie oder in Kombination mit Immunsuppressiva (orale Kortikosteroide, Azathioprin oder Mycophenolatmofetil [MMF]) bei Erwachsenen und Jugendlichen mit AQP4-IgG-AK-positiver NMOSD eingesetzt. Satralizumab ist in Enspryng® ist als Injektionslösung in einer Fertigspritze erhältlich. Empfohlene Stellen für die subkutane (s.c.) Injektion sind Bauchdecke und Oberschenkel.
Die empfohlene Initialdosis für die ersten drei Anwendungen beträgt 120 mg als s.c.-Injektion alle zwei Wochen. Die empfohlene Erhaltungsdosis beträgt 120 mg als s.c.-Injektion alle vier Wochen.
Zu den häufigen Nebenwirkungen des Medikaments zählen Kopfschmerzen, Arthralgie, verringerte Leukozytenzahl, Hyperlipidämie und injektionsbedingte Reaktionen.
Inebilizumab
Im Mai 2022 wurde Inebilizumab (Uplizna®), ein gegen CD-19 gerichteter, B-Zell-depletierender Antikörper, in der EU als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit Anti-AQP4-IgG-seropositiver NMOSD zugelassen.
Off-Label Langzeittherapeutika
Off-Label kommen bei der Langzeittherapie der NMOSD folgende Medikamente zum Einsatz:
Rituximab (monoklonaler Anti-CD20-Antikörper):
Die Leitlinie von 2021 empfiehlt den Einsatz von Rituximab bei Patienten mit Diagnose einer NMOSD und schwerem erstem Schub (deutliche Beeinträchtigung oder inkomplette Remission trotz Schubtherapie) und bei jungen Patientinnen mit Kinderwunsch als Therapie der ersten Wahl.
Azathioprin (Purinanalogon, das als Antimetabolit wirkt und die Synthese von RNA und DNA vor allem in sich schnell teilenden Immunzellen blockiert)
Mycophenolatmofetil (hemmt die Proliferation von T- und B-Lymphozyten)
Prognose
Eine allmählich fortschreitende Verschlechterung des Zustandes des Patienten wird bei Neuromyelitis-optica-Syndrom Erkrankungen sehr selten beobachtet. Die Zunahme der Behinderungen bei NMSOD ist stark an die Krankheitsschübe gebunden. Unbehandelt erblindet etwa die Hälfte der NMSOD-Patienten im Verlauf der Krankheit und bei 50% kommt es zu so starken Gehbehinderungen, dass sie auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Ein Drittel verstirbt innerhalb von 5 Jahren nach der ersten Attacke.
Vor der Entdeckung der AQP4-IgG-AK, die als Biomarker eine frühere Diagnose und Therapie erlauben, war die Prognose bei NMOSD deutlich schlechter als heute. In Kohortenstudien noch um die Jahrtausendwende wurden sehr schwere Verläufe und eine hohe Mortalität berichtet. In neueren Kohortenstudien konnten weit niedrigere Mortalitätsraten dokumentiert werden.
Hinweise
Die NMSOD verlaufen bei mindestens 90% der Patienten schubförmig. Chronisch progrediente Verlaufsformen sind ungewöhnlich und sollten zum Anlass genommen werden, die Diagnose sorgfältig zu prüfen.
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