
Der diesjährige Fastenmonat Ramadan beginnt am 16. Mai 2018. Ab diesem Zeitpunkt gelten für rund 4,7 Millionen gläubige Muslime in Deutschland besondere Vorschriften. Die Fastenzeit ist klar geregelt: ab der Pubertät darf von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder gegessen noch getrunken werden. Das gilt auch für Geschlechtsverkehr, Rauchen und die Einnahme von Medikamenten. Obwohl kranke Menschen von den Pflichten des Ramadan ausgeschlossen sind, möchten viele Patienten nicht auf das religiöse Ritual verzichten. Mit der richtigen Vorbereitung zum Umgang mit Arzneimitteln steht einem sicheren Fasten in den meisten Fällen auch nichts entgegen.
Therapie-Plan anpassen, Medikamente umstellen
Um Medikationsfehler und daraus resultierende Komplikationen zu vermeiden, sollten Ärzte und Apotheker Patienten ausführlich über die Besonderheiten zur Anwendung von Arzneimitteln im Ramadan informieren. Das gilt insbesondere für Patienten mit Diabetes, Bluthochdruck und Epilepsie sowie bei der Einnahme von Antibiotika, Virostatika, Antimykotika und Opioid-Analgetika. Je nach Erkrankung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die Therapie auch im Fastenmonat aufrecht zu erhalten. Als Lösung kommen neben Dosisanpassung oder geändertem Einnahmezeitpunkt (zum Beispiel nachts) bzw. Dosierungsintervall (alle zwölf oder 24 Stunden) auch die Umstellung auf einen anderen Wirkstoff oder einer alternativen Applikationsform in Frage. Dabei sollten die individuellen Essgewohnheiten sowie Pharmakokinetik und Bioverfügbarkeit der entsprechenden Arzneimittel berücksichtigt werden.
Augentropfen erlaubt – Nasentropfen verboten
Zunächst einmal muss differenziert werden, welche Arzneimittel Einschränkungen unterliegen und welche auch im Fastenmonat unbedenklich angewendet dürfen. Mit oralen Medikamenten aller Art, Nasen- und Ohrentropfen, Nasensprays sowie rektalen Suppositorien bricht man nach Ansicht der meisten Muslime die Fastenregeln. Tagsüber erlaubt ist beispielsweise jedoch die Anwendung von:
- inhalativen Aerosolen und Pulverinhalatoren
- Topika wie Salben, Cremes oder Gels
- Augentropfen und -salben
- sublinguale Applikationsformen
- Vaginaltabletten und Ovula
- Injektionen – mit Ausnahme von Nährstoffen
- Sauerstoff.
Je nach Krankheit und Medikament gibt es also diverse Möglichkeiten, die Behandlung anzupassen.
Diabetes und Ramadan
In Deutschland begehen geschätzt 100.000 Diabetiker den Fastenmonat Ramadan. Die Behandlung wird in dieser Zeit zu einer besonderen Herausforderung. Folgende Tipps helfen, Blutzuckerentgleisungen zu vermeiden:
- mehrmals täglich Blutzuckerspiegel kontrollieren
- immer Traubenzucker gegen Hypoglykämien mitführen
- Einnahme oraler Antidiabetika auf den Abend verschieben
- lang wirksame Sulfonylharnstoffe durch kurz wirksame ersetzen
- Dosierungsintervalle anpassen. Eine einmal täglich eingenommene Tagesdosis sollte zusammen mit der Mahlzeit bei Sonnenuntergang eingenommen werden. Bei einer zwei- oder dreimal täglichen Antidiabetika-Einnahme ist es sinnvoll, die Hälfte der Abenddosis vor Sonnenaufgang und die normale Frühdosis (und gegebenenfalls mittägliche Dosis) nach Sonnenuntergang einzunehmen.
- Metformin wegen der Gefahr von Hypoglykämien auf einen anderen Wirkstoff umstellen
- bei basalgestützter Oraltherapie (BOT) die orale Dosis je zur Hälfte morgens und abends einnehmen
- kurz vor Sonnenaufgang und bei Sonnenuntergang Nahrungsmittel mit hohem Faseranteil und niedrigem glykämischen Index bevorzugen
- Nahrungsmittel mit hohem glykämischen Index in der ersten halben Stunde nach Einnahme des Antidiabetikums meiden
- zum Fastenende bei Sonnenuntergang maximal drei der traditionellen Datteln essen.
Vorsichtsmaßnahmen bei Insulin-Therapie
Bei der konventionellen Insulintherapie sollte die morgendliche Dosis des Mischinsulins reduziert werden. Die zweite Injektion erfolgt zur Abendmahlzeit nach Sonnenuntergang. Diese muss in der Regel – angepasst an Umfang und den zu verzehrenden Lebensmitteln – geringer dosiert werden als sonst.
Bei moderner intensivierter konventioneller Insulintherapie (ICT, Basis-Bolus-Therapie) ist das Fasten mit einigen Vorsichtsmaßnahmen ebenso möglich. In der Fastenzeit sollte der basale Insulinbedarf wie zuvor durch ein Verzögerungsinsulin gedeckt werden. Zusätzlich werden die nach Sonnenuntergang zugeführten Kohlenhydrate mit der passenden Menge kurz wirksamen Insulins reguliert.
Andere Erkrankungen
Folgende Medikations-Umstellungen haben sich im Ramadan bewährt:
- Dosisreduktion von Diuretika wegen der Gefahr von Dehydratation
- orale Schilddrüsenmedikamente einige Stunden früher als üblich einnehmen
- dreimal täglich einzunehmende Antibiotika, abhängig von Sensitivität und Resistenz des jeweiligen Erregers, auf einen nur einmal täglich einzunehmen Wirkstoff (beispielsweise Azithromycin) oder eine zweimal tägliche Gabe alle zwölf Stunden (zum Beispiel Cotrimoxazol) umstellen
- bei rheumatoider Arthritis und anderen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises lang wirksame nicht-steroidale Antirheumatika bevorzugen
- bei Epilepsie eine dreimal täglich einzunehmende Dosis Phenytoin vorübergehend auf eine einmal tägliche Gabe mit höherer Wirkstoffmenge umstellen
- orale Opioid-Analgetika gegen Transdermalsysteme austauschen
- bei einer Hormonersatztherapie Pflaster bevorzugen
- retardiertes Theophyllin um 15.00 Uhr verhindert tagsüber eine toxische Wirkstoff-Konzentration
- eventuelle Dosisanpassung bei Propranolol (wird morgens schneller resorbiert als abends/nachts), Nifedipin (um 40 Prozent verringerte Bioverfügbarkeit am Abend) und Diltiazem (abends höhere Bioverfügbarkeit als morgens).