.webp)
„In den US gibt es in jedem größeren Ort ein Niedrig-Testosteron-Zentrum“, berichtete Dr. Cornelia Jaursch-Hancke von der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden anlässlich des Internistenkongresses 2022 [1]. Dort erfolgt schon bei unspezifischen Symptomen, die auf einen Testosteronmangel hindeuten könnten, eine Testosteron-Therapie.
Symptome unspezifisch
Dabei sind die Symptome alleine nicht ausreichend, um auf einen behandlungsbedürftigen Testosteronmangel zu schließen, betonte die Endokrinologin. Relativ typisch ist eine verminderte Libido, aber selbst die kann genauso gut durch berufliche oder familiäre Belastungen, Zeitmangel oder Krankheiten begründet sein. Weitere unspezifische und häufig auch anders zu erklärenden Symptome sind erektile Dysfunktion (seltener als Libidominderung) Osteoporose, Anämie, abnehmende Muskelmasse und -kraft, die Zunahme der Körperfettmasse, eine nachlassende Vitalität, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Depression und Energieverlust [2].
Adipositas senkt Testosteronspiegel
Das Alter gilt als wesentlicher Faktor für die Abnahme des Testerosteronspiegels. Das muss aber gar nicht immer so sein, betonte Jaursch-Hancke. In China zeigte sich, dass Männer, die auch im Alter noch schlank waren und gesund lebten, kaum geringere Testosteronspiegel aufwiesen als jüngere Männer [2]. Auch in den USA und Europa liegt der Gesamttestosteronspiegel bei 70- bis 79-jährigen Männern nicht unter dem von Männern im Alter von 40-49 Jahren (476 vs. 477 ng/dl) [3]. Niedrige Testosteronspiegel zusammen mit Symptomen wie nachlassender Libido oder erektiler Dysfunktion betreffen nur wenige ältere Männer, betont auch die Leitlinie der Society for Endocrinology [4]. Oft sind erniedrigte Testosteronwerte auf Komorbiditäten zurückzuführen, allem voran auf eine Adipositas.
Welcher Spiegel ist normal?
Von allgemeinen Wechseljahren des Mannes kann laut Jaursch-Hancke also keine Rede sein. Der Normbereich für Gesamttestosteron liegt – je nach Labor und Methode – bei 2,4 – 8,3 ng/ml. Häufig wird vom Labor der Bereich von 2,4–3,5 ng/dl bereits als grenzwertig erniedrigt angegeben. „Aber auch ein Mann mit 3,0 ng/dl ist ein echter Mann“, betonte die Endokrinologin. Testosteronwerte sind individuell unterschiedlich, so wie die gesamte Regulation der Hypothalamus-Hypophysen-Achse auch. Ethnizität, Umwelt, Gewicht, Erkrankungen, Ernährung und körperliche Aktivität spielen eine Rolle.
Tipps zur Testosteronbestimmung
Die Blutabnahme für die Testosteronbestimmung sollte nicht nüchtern am Nachmittag erfolgen. Jaursch-Hancke empfahl, immer das sexualhormonbindende Globulin (SHBG) mit zu messen und nicht nur das Gesamttestosteron. Der freie Androgenindex aus dem Quotienten von Gesamttestosteron/SHBG sollte zwischen 7,0 und 44 liegen. Eine einmalige Messung ist nicht ausreichend, betonte sie. Bei wiederholter Messung haben 30% der Männer mit initial erniedrigtem Testosteron einen normalen Wert [5].
Hypogonadismus bei Diabetes und Übergewicht: Abnehmen!
Wenn ein Testosteronmangel bei gleichzeitigem Diabetes und Übergewicht besteht, ist die Gewichtsabnahme eine durchaus wirksame Methode. Je mehr Gewicht reduziert werden kann, umso mehr steigt der Testosteronspiegel an, berichtete Jaursch-Hancke. Eine bariatrische Operation kann bei morbid adipösen Männern Gesamttestosteron, freies Testosteron, Somatotropin (GH) und Thyrotropin (TSH) sogar je nach erreichter Gewichtsreduktion wieder normalisieren [6]. Bei Typ-2-Diabetes spricht sich die Endocrine Society explizit gegen eine Testosteronsubstitution als blutdrucksendende Therapie aus [7].
Letztlich ist die Therapieentscheidung bei Patienten mit funktionellem Hypogonadismus eine individuelle, um eine möglichst sichere Therapie mit guten Erfolgschancen einzusetzen. Jaursch-Hancke empfahl, eine Testosterontherapie erst einzuleiten, wenn zugrunde liegende Ursachen abgeklärt und behandelt sind.