Sind Corona-Impfstoffe sicher in und vor der Schwangerschaft?

Aufgrund der dünnen Datenlage der bereits zugelassenen Corona-Impfstoffe bezogen auf ihre potenziellen Auswirkungen vor und in einer Schwangerschaft besteht große Unsicherheit. Hier eine wissenschaftliche Einschätzung.

Impfung-Schwangere

Im Dezember 2020 erschien online ein Blog-Beitrag, in dem fälschlicherweise behauptet wurde, dass ein leitender Angestellter bei Pfizer besorgt darüber sei, dass Antikörper, welche durch eine Corona-Impfung gebildet werden, die Plazenta angreifen könnten [1]. Der Beitrag wurde zwar schnell gelöscht, doch die Gerüchte darüber verbreiteten sich weiterhin. Eine von 'Find Out Now' durchgeführte Umfrage ergab schließlich, dass mehr als ein Viertel der jungen Frauen in Großbritannien eine Corona-Impfung ablehnen würden, da sie Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit hätten.

Es ist nicht das erste Mal, dass unbegründete Gerüchte über Impfstoffe in Umlauf gebracht werden: So führten im Jahr 2003 die gleichen Bedenken bezogen auf potenzielle Unfruchtbarkeit zu einem Boykott der Polioimpfung in Nordnigeria oder jüngst zu Verunsicherungen bezüglich des Impfstoffs gegen das humane Papillomavirus.

Es ist verständlich, dass Menschen besorgt sind, insbesondere über neue Impfstoffe. Doch bedeutet neu gleich wenig Erfahrung?

Zu wenig Erfahrung - stimmt das?

In der Tat zögern viele Menschen bspw. einen mRNA-Impfstoff zu erhalten, da es sich hierbei um eine relativ neue Plattform handelt über die scheinbar nur wenig bekannt ist. Doch das ist so nicht richtig, denn erste Versuche mit mRNA-Impfstoffen am Menschen starteten bereits im Jahr 2006. Mittlerweile sind es also 15 Jahre, in denen langfristige Probleme, die sich aus der Plattform selbst ergeben hätten, ans Licht gekommen sein müssten [2]. Spezifische Risiken durch Nicht-Lebendimpfstoffe in der Schwangerschaft sind zudem nicht bekannt. Da derzeitig zugelassene Corona-Impfstoffe keine replikationsfähigen Viren enthalten, ist eine Infektion von Schwangeren oder Feten mit SARS-CoV-2 durch die Impfung nicht möglich.

Tierexperimentelle Daten zeigen, dass i.m. injzierte mRNA zudem größtenteils in der Einstichstelle selbst und in den nächsten drainierenden Lymphknoten zu finden ist. Sie ist dabei für circa 72 Stunden nachweisbar. Das Risiko einer Integration der mRNA in das zelleigene Genom ist zudem nicht plausibel, da sie nicht selbstständig in den Zellkern gelangen kann.

Für Frauen mit Kinderwunsch ist es wichtig, dass es bisher keine Hinweise darauf gibt, dass mRNA- oder Vektor-Impfstoffe die Fertilität beeinträchtigen könnten.

Kreuzreaktion mit Syncytin1?

Eine Behauptung, die zu Unruhen führte, besteht darin, dass Antikörper gegen das SARS-CoV-2-Spike-Protein mit dem menschlichen Plazentaprotein Syncytin 1 kreuzreagieren könnten und dadurch die Plazenta schädigen. Wenn eine solche Kreuzreaktivität auftreten würde, wäre zu erwarten, dass alle Corona-Impfstoffe sowie natürliche Infektionen mit einer Plazentapathologie assoziiert wären.

Was spricht dagegen

Eine Analyse von Daten, die Auswirkungen einer Coronavirus-Infektion auf die Schwangerschaft liefern, konnte zeigen, dass Frauen, die kurz vor der Empfängnis oder früh in der Schwangerschaft mit SARS-CoV-2 infiziert wurden, nicht häufiger eine Fehlgeburt erlitten als ihre nicht infizierten Altersgenossen [3].

Weiterhin gibt es keine signifikante Ähnlichkeit zwischen den Aminosäuresequenzen des SARS-CoV-2-Spike-Proteins und Syncytin 1. Rekonvaleszenzseren von Patienten mit COVID-19 reagierten zudem nicht mit Syncytin 1 [4].

Die Daten, die am deutlichsten die Frage beantworten, ob COVID-19-Impfstoffe die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder nicht, stammen jedoch aus den klinischen Zulassungsstudien der Corona-Impfstoffe selbst, in denen keinerlei Hinweise auf derartige Einflüsse festgestellt werden konnte.

Darüber hinaus zeigen Studien zur Entwicklungstoxizität und Reproduktionstoxizität, dass die Impfstoffe nicht verhindern, dass weibliche Nagetiere schwanger werden, oder deren Kinder schädigen, wenn die Impfstoffe während der Schwangerschaft verabreicht werden [1].

Einfluss auf Fertilität?

Das Royal College of Midwives und das Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG) haben eine gemeinsame Erklärung zu Fehlinformationen über die Auswirkungen von Corona-Impfungen auf die Fruchtbarkeit abgegeben. „Es gibt keinen biologisch plausiblen Mechanismus, durch den aktuelle Impfstoffe die Fruchtbarkeit von Frauen beeinträchtigen würden", sagte Edward Morris, Präsident des RCOG.

Darüber hinaus untersuchte ein Forscherteam aus Oxford durch Identifikation von Zelltypen im männlichen und weiblichen Fortpflanzungssystem, die aufgrund der Expression von Wirtsgenen und Proteinen vom Virus für den Zelleintritt verwendet werden, ob hier ein Risiko durch eine SARS-CoV-2-Infektion bestehe. Die Analysen legen nahe, dass eine SARS-CoV-2-Infektion wahrscheinlich keine langfristigen Auswirkungen auf die männliche und weibliche Fortpflanzungsfunktion hat.

Die Forscher fanden durch Einzelzell-RNA-Sequenzierungsdaten heraus, dass in Hodenzellen, einschließlich Spermien, keine Koexpression von ACE2 und TMPRSS2 existiert (also Targets für SARS-CoV-2). Es wurde festgestellt, dass eine Subpopulation von Eizellen in nichtmenschlichem Ovarialgewebe von Primaten ACE2 und TMPRSS2 exprimiert, jedoch wurde in somatischen Ovarialzellen keine Koexpression beobachtet. Es wurde gezeigt, dass die RNA-Expression von TMPRSS2 in 18 Proben menschlicher Cumuluszellen gering ist oder fehlt.

Obwohl die Ergebnisse nicht als endgültig angesehen werden können, implizieren sie, dass die meisten Aspekte der Reproduktion während der COVID-19-Pandemie wahrscheinlich nicht mit einem erhöhten Risiko für klinische Komplikationen verbunden sind [5].

Bisherige Erfahrungen zu Auswirkungen auf eine Schwangerschaft

Wie sich die Impfstoffe auf die Schwangerschaft beim Menschen auswirken, konnte bereits an Daten von Freiwilligen, die während der klinischen Studien schwanger wurden, gezeigt werden. Zwar wurden Schwangere von den Studien ausgeschlossen, und die Teilnehmer wurden gebeten, eine Schwangerschaft zu vermeiden, doch traten in den Studien mit den drei zugelassenen Impfstoffen 53 Schwangerschaften auf [1].

Zum einen konnte kein signifikanter Unterschied in der Rate ungeplanter Schwangerschaften in den geimpften Gruppen im Vergleich zu den Kontrollgruppen gesehen werden, was darauf hinweist, dass die Impfstoffe eine Schwangerschaft nicht verhindern. In ähnlicher Weise sind die Raten an Fehlgeburten zwischen den Gruppen vergleichbar, was darauf hindeutet, dass die Impfung keine nachteiligen Auswirkungen auf die frühe Schwangerschaft hat [6–8].

Tabelle Schwangerschaft 4

Obwohl die Daten spärlich sind, sind sie beruhigend. Aus diesem Grund haben die Aufsichtsbehörden in Großbritannien, in der Europäischen Union und in den Vereinigten Staaten empfohlen, Schwangeren den Impfstoff anzubieten, wenn der Nutzen die potenziellen Risiken überwiegt.

In den Vereinigten Staaten hatten bis zum 10. Februar 2021 20.000 schwangere Frauen einen COVID-19-Impfung erhalten und es wurden bisher keine Sicherheitsprobleme festgestellt [1].

Laufende Studien

Neben einer umfassenden Überwachung der Impfstoffe laufen aktuell zudem klinische Studien an Schwangeren darunter eine klinische Phase-II/III-Studie an 4.000 gesunden schwangeren Frauen in der die Sicherheit, Verträglichkeit und Immunogenität von zwei Impfstoffdosen BNT162b2 im Abstand von 21 Tagen im Vergleich zu Placebo für 7 bis 10 Monate untersucht wird (NCT04754594). Darüber hinaus läuft seit Ende Februar 2021 eine klinische Phase-II-Studie an 400 Schwangeren (NCT04765384), in der die Sicherheit und Reaktogenität von Ad26.COV2.S untersucht wird.

COVID-19-Infektionsrisiko in der Schwangerschaft

Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass symptomatische Schwangere trotz eines geringen absoluten Risikos im Vergleich zu nicht schwangeren Gleichaltrigen ein erhöhtes Risiko für schwerere COVID-19-Verläufe haben [9–11]. Obwohl das absolute Risiko für schweres COVID-19 gering ist, weisen diese Daten im Vergleich zu symptomatischen Fällen auf ein erhöhtes Risiko für die Aufnahme auf eine Intensivstation, den Bedarf an mechanischer Beatmung und Beatmungsunterstützung (ECMO) sowie den Tod schwangerer Frauen mit symptomatischer COVID-19-Infektion gegenüber nicht schwangeren Frauen hin [12].

Schwangere Patienten mit Komorbiditäten wie Adipositas, Hypertonie und Diabetes haben möglicherweise ein noch höheres Risiko für schwere Verläufe. Eine SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft ist zudem mit einer erhöhten Präeklampsie-Prävalenz (ca. 5,9 % bis 10,5 %; RR 1,84 (95 % KI 1,04 - 3,36) [13–15] und gehäuften thromboembolischen Ereignissen assoziiert [16]. Die Rate der Neugeborenen von Müttern mit COVID-19, die auf einer neonatologischen Intensivstation betreut werden mussten, ist ebenfalls erhöht (gepoolte OR 3,13; 95% KI 2,05– 4,79) [17]. Bei altersentsprechend niedriger Gesamt-Mortalität ist die Sterblichkeit von Schwangeren mit COVID-19 jedoch deutlich erhöht (aOR 26.07 (95% KI 11.26-60.38); 141 [95% CI, 65-268] vs. 5,0[95%CI, 3,1-7,7] Todesfälle pro 100.000Frauen) [18]. Angesichts der wachsenden Evidenz hat auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC die Schwangerschaft als einen Faktor aufgenommen, der zu einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf führt.

Diese Tatsachen müssen bei der Nutzen-Risiko-Abwägung einer Corona-Impfung vor oder in der Schwangerschaft auf jeden Fall berücksichtigt werden.

Neue Studie zur Immunantwort

Am 22. März 2021 wurde im Fachjournal American Journal of Obstetrics and Gynecology eine Kohortenstudie veröffentlicht, welche die COVID-19-Impfstoffantwort bei schwangeren und stillenden Frauen untersuchte. Es konnte gezeigt werden, dass bei schwangeren und stillenden Frauen eine vergleichbare impfstoffinduzierte humorale Immunantwort ausgelöst wurde wie bei der nicht-schwangeren Kontrollgruppe. Darüber hinaus wurden höhere Antikörpertiter erzeugt als bei einer SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft und durch den Impfstoff erzeugte Antikörper waren nach der Impfung der Mutter in Nabelschnurblut und Muttermilch nachweisbar.

Empfehlungen

Laut einer Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM) und weiteren Experten können schwangere Frauen gegen COVID-19 geimpft werden. Die Impfung von Frauen mit Kinderwunsch wird sogar empfohlen. Die Stellungnahmen basieren auf einem sorgfältig abgestimmten ExpertInnenkonsens und können sich – insofern neue Erkenntnisse veröffentlicht werden – zeitnah ändern.

Die DGPM erläutert weiterhin, dass nicht zu erwarten ist, dass das Nebenwirkungsprofil einer Impfung gegen COVID-19 bei Schwangeren von dem Nicht-Schwangerer abweicht. Schwangeren, die nach der Impfung Fieber haben, kann zur Einnahme von Paracetamol geraten werden.

Eine generelle Impfung aller Schwangeren wird derzeit von der STIKO nicht empfohlen. Um Schwangere indirekt zu schützen, sollen jedoch enge Kontaktpersonen von Schwangeren, insbesondere deren PartnerInnen, sowie Hebammen und Ärzte priorisiert geimpft werden.

Empfohlen wird, dass Schwangeren mit Vorerkrankungen, einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 oder hohem Expositionsrisiko gegenüber einer SARS-CoV-2-Infektion eine Impfung angeboten werden kann.

Bei der Entscheidungsfindung kann berücksichtigt werden, dass eine Corona-Impfung vor einer geplanten Schwangerschaft, die Infektionsgefahr während der Schwangerschaft und die damit verbundenen Risiken minimieren kann [19].

Quelle:
  1. Male V. Are COVID-19 vaccines safe in pregnancy? Nat Rev Immunol 2021:1–2.
  2. Pardi N, Hogan MJ, Porter FW, Weissman D. mRNA vaccines—a new era in vaccinology. Nature reviews Drug discovery 2018;17:261.
  3. Cosma S, Carosso AR, Cusato J, et al. Coronavirus disease 2019 and first-trimester spontaneous abortion: a case-control study of 225 pregnant patients. Am J Obstet Gynecol 2020.
  4. TENPENNY S. COVID-19 mRNA Vaccines.
  5. Stanley KE, Thomas E, Leaver M, Wells D. Coronavirus disease-19 and fertility: viral host entry protein expression in male and female reproductive tissues. Fertility and sterility 2020;114:33–43.
  6. MHRA. Public Assessment Report Authorisation for Temporary Supply: COVID-19 Vaccine AstraZeneca, solution for injection in multidose containerCOVID-19 Vaccine (ChAdOx1-S [recombinant]).
  7. FDA. FDA Briefing Document Moderna COVID-19 Vaccine.
  8. Pfizer. PFIZER-BIONTECH COVID-19 VACCINE (BNT162, PF-07302048) VACCINES AND RELATED BIOLOGICAL PRODUCTS ADVISORY COMMITTEE BRIEFING DOCUMENT.
  9. Collin J, Byström E, Carnahan A, Ahrne M. Public Health Agency of Sweden's Brief Report: Pregnant and postpartum women with severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 infection in intensive care in Sweden. Acta Obstet Gynecol Scand 2020;99:819–22.
  10. Ellington S, Strid P, van Tong T, et al. Characteristics of women of reproductive age with laboratory-confirmed SARS-CoV-2 infection by pregnancy status—United States, January 22–June 7, 2020. Morbidity and Mortality Weekly Report 2020;69:769.
  11. Delahoy MJ, Whitaker M, O’Halloran A, et al. Characteristics and maternal and birth outcomes of hospitalized pregnant women with laboratory-confirmed COVID-19—COVID-NET, 13 States, March 1–August 22, 2020. Morbidity and Mortality Weekly Report 2020;69:1347.
  12. Zambrano LD, Ellington S, Strid P, et al. Update: characteristics of symptomatic women of reproductive age with laboratory-confirmed SARS-CoV-2 infection by pregnancy status—United States, January 22–October 3, 2020. Morbidity and Mortality Weekly Report 2020;69:1641.
  13. Antoun L, El Taweel N, Ahmed I, Patni S, Honest H. Maternal COVID-19 infection, clinical characteristics, pregnancy, and neonatal outcome: A prospective cohort study. European Journal of Obstetrics & Gynecology and Reproductive Biology 2020;252:559–62.
  14. 1Diriba K, Awulachew E, Getu E. The effect of coronavirus infection (SARS-CoV-2, MERS-CoV, and SARS-CoV) during pregnancy and the possibility of vertical maternal–fetal transmission: a systematic review and meta-analysis. European journal of medical research 2020;25:1–14.
  15. Ahlberg M, Neovius M, Saltvedt S, et al. Association of SARS-CoV-2 test status and pregnancy outcomes. Jama 2020;324:1782–5.
  16. Jering KS, Claggett BL, Cunningham JW, et al. Clinical Characteristics and Outcomes of Hospitalized Women Giving Birth With and Without COVID-19. JAMA Internal Medicine.
  17. Allotey J, Stallings E, Bonet M, et al. Clinical manifestations, risk factors, and maternal and perinatal outcomes of coronavirus disease 2019 in pregnancy: living systematic review and meta-analysis. bmj 2020;370.
  18. Jering KS, Claggett BL, Cunningham JW, et al. Clinical Characteristics and Outcomes of Hospitalized Women Giving Birth With and Without COVID-19. JAMA Internal Medicine.
  19. RCOG. Covid-19 vaccination and pregnancy 2020 Available from: https://www.rcog.org.uk/en/guidelines-research-services/guidelines/coronavirus-pregnancy/covid-19-virus-infection-and-pregnancy#vaccines.
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