
Die großen Erfolge bei fortgeschrittenen Stadien des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) durch neue zielgerichtete Therapien haben Hoffnungen geweckt, dass sich diese Strategien auch auf die Behandlung von frühen Stadien übertragen lassen. Wenn dies gelingen würde, könnte die krankheitsfreie Zeit (disease free survival/DFS) verlängert werden und die Erkrankung an dem NSCLC vielleicht sogar vollständig geheilt werden.
Dr. Julie Brahmer, assoziierte Professorin für Onkologie und Kodirektorin der Abteilung für Atemwegserkrankungen des Bloomberg Kimmels-Instituts für Krebsimmunotherapie an der John Hopkins Universität, präsentierte in einem Vortrag auf dem ESMO Kongress in München, den derzeitigen Stand der Forschung zum Einsatz von zielgerichteten Tumortherapien bei frühen Stadien des NSCLC [1].
Überblick zu NSCLC-Erkrankungen
Weltweit gibt es jährlich etwa 1.800.000 Lungenkrebsfälle. Hiervon sind 85% NSCLC-Erkrankungen, von denen wiederum 25% operabel sind, sich also in einem relativ frühen Tumorstadium befinden. Bei den etwa 380.000 Patienten, die jährlich operiert werden, beträgt die Fünf-Jahres-Überlebensrate zwischen 41% bis 90%.
Eine adjuvante Radiotherapie hat diese Rate bisher nicht verbessert. Ein Nachweis der Wirksamkeit der Strahlentherapie ist jedoch schwierig, weil sich Tumoren bei Rückfällen meist an einer anderen Lokalisation entwickeln.
„Eine effektive (neo)adjuvante systemische Therapie würde viele Leben retten.“, so Brahmer in ihrem Vortrag.
Angriffspunkt Treibermutationen
Bei Patienten mit Metastasen gab es in den letzten Jahren große Therapieerfolge durch die gezielten Angriffe mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) auf die sogenannten Treibermutationen, wie beispielsweise den mutierten Rezeptor für den epidermalen Wachstumsfaktor (epidermal growth factor receptor [EGFR]). Die Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) Gefitinib, Erlotinib und Afatinib haben sich bei der Erstlinienbehandlung von Mutationen des EGFR wirksam gezeigt. Erst kürzlich hat sich auch Osimertinib bei fortgeschrittenen mutierten EGFR-positiven (EGFRmut+) Erkrankungen bewährt und wird als Erstlinienbehandlung empfohlen [2].
TKIs als adjuvante Therapie in frühen Stadien
Die Behandlung mit Gefinitib konnte bei EGFR-positiven NSCLC die krankheitsfreie Überlebenszeit von 3 Jahren post operationem von 27% bei klassischer adjuvanter Chemotherapie auf 34% verbessern.
Ein weiterer spezifischer Angriffspunkt für TKIs ist bei Lungenkrebs die anaplastische Lymphomkinase (ALK). Crizotinib, Ceritinib und Alectinib können das Therapieergebnis bei fortgeschrittenen ALK-positiven Lungentumoren verbessern. Für die adjuvante Therapie bei frühen Tumorstadien post operationem werden derzeit Studien durchgeführt. Ergebnisse sind jedoch leider noch nicht verfügbar.
Immunotherapie stimmt optimistisch
Die Immunotherapie mit den Wirkstoffen Nivolumab, Atezolizumab und Pembrolizumab hat sich in den vergangenen Jahren einzeln oder Kombination mit anderen Therapeutika in der Therapie fortgeschrittener Stadien des NSCLC ebenfalls bewährt und längere Gesamtüberlebenszeiten bei den Patienten erzielt. Auch bei der Immuntherapie in frühen Stadien von NSCLC-Tumoren gibt es vielversprechende Studienergebnisse. Sowohl bei der adjuvanten als auch bei der neoadjuvanten Behandlung konnten signifikant längere progressionsfreie Zeiten (PFS) als mit klassischer Chemotherapie erreicht werden.
Fazit
Während die Vorteile der Therapie mit TKIs in frühen Stadien des NSCLC vergleichsweise heterogen ausfallen, stimmen die bisher verfügbaren Daten zur Immuntherapie optimistischer. In beiden Fällen sind jedoch noch wesentlich mehr Studien erforderlich.