Nierenzellkarzinom: Wird die kombinierte Immuntherapie bald neuer Behandlungsstandard?

Dr. Laurence Albiges erläuterte Daten aus der aktuellen JAVELIN Renal 101-Studie (Phase III), in der Axitinib plus Avelumab mit Sunitinib verglichen wurde. Die Daten könnten zu einem neuen Behandlungsstandard bei Nierenzellkarzinomen führen.

Nieren

Mit Daten einer guten Immuntherapie, wie aus der JAVELIN-Studie, könnte die Anwendung von Sunitinib, das derzeit als Erstlinientherapie beim Nierenzellkarzinom eingesetzt wird, in Frage gestellt werden. Während die Kombination aus Ipilimumab und Nivolumab in den USA und der Schweiz für die Erstlinientherapie des Nierenzellkarzinoms zugelassen wurde, lehnte die Europäische Arzneimittelagentur diese Indikation bisher ab, so dass die beste Kombination, die wirklich einige Überlebensvorteile gezeigt hat, für Patienten in Europa immer noch nicht verfügbar ist, sagte die wissenschaftliche Kongresspräsidentin Prof. Solange Peters [1]. Dr. Laurence Albiges vom Institute Gustave Roussy, Villejuif, Frankreich, stellte in ihrem Vortrag auf dem ESMO 2018 Kongress in München Ergebnisse und Bedeutung aktueller Studien zur Immuntherapie beim Nierenzellkarzinom vor [2, 3].

Letzte Aktualisierung der ESMO-Leitlinien

Auf dem ESMO-Meeting im Jahr 2017 wurden Daten der Checkmate 214-Studie vorgestellt, in der Sunitinib mit Nivolumab plus Ipilimumab bei der Behandlung von Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (mRCC) verglichen werden. Diese Studie zeigte einen Vorteil zugunsten der Nivolumab-Ipilimumab-Kombination bei Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko, wobei das mediane Gesamtüberleben (overall survival, OS) von 26 Monaten in der Sunitinib-Gruppe nicht erreicht wurde (p<0,0001).

Die komplette Ansprechrate (complete response, CR) betrug 9% gegenüber 1% zugunsten der Kombinationsbehandlung. In der günstigen Risikogruppe der mRCC-Patienten erwies sich Sunitinib jedoch als besser und zeigte eine objektive Ansprechrate (objective response rate, ORR) von 52% gegenüber 29%, mit einem höheren medianen progressionsfreien Überleben (progression free survival, PFS) von 25,1 Monaten gegenüber 15,3 Monaten (p<0,0001).

Aufgrund dieser Daten wurden die ESMO-Leitlinien aktualisiert. Bei Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko wird nun die Kombinationsbehandlung als Erstlinientherapie empfohlen [4].

Aktuelle Studien zur Immuntherapie

Es gibt derzeit mehrere laufende Studien, aus denen Daten für eine weitere Leitlinienänderung kommen könnten. Dazu gehören die IMmotion 151-Studie (Atezolizumab plus Bevacizumab), die JAVELIN renal 101-Studie (Avelumab plus Axitinib), und die Keynote 426-Studie (Pembrolizumab plus Axitinib). Problematisch für all diese Studien ist, dass sie Effekte gegen Sunitinib vergleichen und nicht gegen Nivolumab plus Ipilimumab, den neuen Behandlungsstandard.

Daraus ergeben sich folgende methodische Fragen: Müssen wir definieren, welche Hazard Ratio in künftigen Studien mit Sunitinib verglichen werden muss? Sollte diese höher oder gleich sein? Müssen wir wissen, ob das PFS ausreichend ist? Oder benötigen wir Daten zum OS? Betrachtet man nur das PFS ohne Informationen über das OS, könnten Störfaktoren die Interpretation beeinflussen. Welche anderen Aspekte, wie zum Beispiel die Therapiesicherheit sollten berücksichtigt werden, wenn die Hazard Ratios vergleichbar sind?

In den Studien Checkmate 214, IMmotion 151 und JAVELIN renal 101, setzt die neue Kombination von Immuncheckpoint-Inhibitor (ICI) und Inhibitor des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (vascular endothelial growth factor, VEGF) einen neuen Standard mit einer objektiven Ansprechrate von 55-58%. In zukünftigen Studien wird die Ansprechrate sehr wichtig sein, insbesondere bei symptomatischen Patienten und Patienten mit hohem Risiko.

Daraus ergeben sich wiederum die Frage, ob ein Patient, der eine CR und eine langfristige Remission erreicht hat, die gezielte Therapie abbrechen kann. Dr. Albiges vermutet, dass in naher Zukunft die Kombination VEGF-Rezeptor-Inhibitor plus ICI die Erstlinientherapie bei Patienten mit gutem Risikoprofil für mRCC sein wird und als Zweitlinientherapie bei Patienten mit mittlerem und hohem Risiko fungieren würde.

Ausblick

Dr. Albiges betont, dass es noch eine Reihe an offene Fragen gibt, die ebenfalls beantwortet werden müssen:

  • Kann ein Patient mit vollständiger Remission die Behandlung abbrechen? Ist er geheilt?
  • Was ist die Rückfalloption für Patienten, bei denen die Therapie mit VEGFR-Inhibitor plus ICI versagt hat?
  • Wie wirkt sich die Frontline-Kombinationstherapie auf nachfolgende Therapien aus?
  • Wie sind die Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme, wenn teure ICI-Kombinationstherapien zur Erstlinientherapie werden?

Dr. Albiges geht davon aus, dass der Vorteil im OS unter Nivolumab plus Ipilimumab der neue Maßstab für den indirekten Vergleich aller neuen Kombinationsstudien mit VEGFR-Inhibitor plus ICI sein wird. Optimierungspotenzial sieht sie bei der Patientenselektion. Außer der aktuellen Risikoklassifizierung, werden in den laufenden Studien Patienten zum Beispiel oft anhand des PD-L1-Status betrachtet.

Quelle:

[1] „Revolutionäre“ Daten – vor allem zur Immuntherapie – erwartet: Der ESMO 2018 könnte ein Meilenstein in der Krebstherapie werden - Medscape - 19. Okt 2018

[2] Laurence Albiges: „Challenging established frontline therapies in renal cancer“, ESMO-Kongress, München, 22.10.2018

[3] Hanan Goldberg: ESMO 2018: Challenging established frontline therapies in renal cancer, https://www.urotoday.com/conference-highlights/esmo-2018/esmo-2018-kidney-cancer/107862-esmo-2018-challenging-established-frontline-therapies-in-renal-cancer.html

[4] ESMO Guidelines Committee: eUpdate – Renal cell carcinoma treatment recommendations, veröffentlicht am 10.04.2017, https://www.esmo.org/Guidelines/Genitourinary-Cancers/Renal-Cell-Carcinoma/eUpdate-Renal-Cell-Carcinoma-Treatment-Recommendations

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