Bei der chronischen myeloischen Leukämie vermehren sich Leukozyten, speziell Granulozyten und ihre Vorstufen, im Blut und im blutbildenden Knochenmark stark. Durch den Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren kann bei den meisten Patienten die chronische Phase bzw. eine Remission bis zum Lebensende erhalten werden.
Die CML ist eine klonale myeloproliferative Neoplasie. Sie ist durch die Translokation t(9;22)(q34;q11) gekennzeichnet, die zur Bildung des Philadelphia (Ph)-Chromosoms führt. Das dadurch entstehende Fusionsprotein BCR-ABL1 ist für die onkogene Transformation der betroffenen pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle verantwortlich.
Epidemiologie
Bei etwa 20% aller Leukämiefälle handelt es ich um CML. Sie tritt vor allem bei Erwachsenen auf, mit einer stetigen Zunahme mit dem Alter. Die Erstdiagnose wird im Median bei 65 Jahren gestellt. Die Inzidenz der Erkrankung beträgt etwa 1,2 bis 1,5/100.000 Einwohner und Jahr. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Zurzeit beträgt die jährliche Mortalität von CML-Patienten etwa 1,7%.
Ursachen
Die genaue Ursache der CML ist unbekannt. Als auslösende Faktoren für die maligne Entartung einer pluripotenten Stammzelle des Knochenmarks vermutet man ionisierende Strahlung, Viren oder Chemikalien.
Pathogenese
Die CML ist eine Erkrankung der Stammzellen des Knochenmarks. Bei 90-95% der CML-Patienten kann das charakteristische aberrante Ph-Chromosom nachgewiesen werden, das durch reziproke Translokation zwischen den langen Armen der Chromosomen 9 und 22 entsteht (t(9;22)(q34;q11)). Auf molekularer Ebene führt das Rearrangement zur Fusion der Gene ABL1 (Abelson) und BCR (break point cluster region). Es entsteht ein Fusionsprotein, BCR-ABL1, mit konstitutiver Tyrosinkinaseaktivität. Das BCR-ABL1-Fusionsprotein wirkt als Onkogen und ist für die gesteigerte und unkontrollierte Vermehrung der betroffenen hämatopoetischen Stammzelle verantwortlich. Nach einigen Jahren beobachtet man die Dominanz des Zellklons. Die normale Hämatopoese wird nach und nach unterdrückt.
5-10% der CML-Patienten in chronischer Phase weisen variante Ph-Translokationen oder einen unauffälligen Karyotyp auf. Manche dieser Aberrationen sind zytogenetisch nicht sichtbar. Mit Hilfe der Fluoreszenz in situ-Hybridisierung (FISH) oder RT-PCR kann bei zwei Dritteln dieser Ph-Chromosom-negativen Patienten das BCR-ABL1-Gen dennoch nachgewiesen werden.
Zum Zeitpunkt der Diagnose werden bei mindestens 10% der CML-Patienten in chronischer Phase zusätzlich Chromosomenveränderungen gefunden, die in der Regel eine Progression in die akzelerierte Phase oder die Blastenkrise ankündigen.
Symptome
Im natürlichen Krankheitsverlauf beobachtet man drei Phasen: die chronische Phase, die Akzelerationsphase und die Blastenkrise.
Der Beginn der Krankheit verläuft über Jahre meist asymptomatisch. Diese sogenannte chronische Phase der CML kann einige Monate bis Jahrzehnte andauern und ist durch eine Leukozytose mit kontinuierlicher Linksverschiebung und graduell unterschiedlich ausgeprägter Splenomegalie gekennzeichnet. Häufig liegt eine Anämie vor. Oft beobachtet man eine erhöhte Thrombozytenzahl.
Im weiteren Verlauf (Akzelerationsphase) steigt der Blastenanteil im Blut und es können die folgenden Symptome auftreten:
Abgeschlagenheit
Schwäche
Appetitlosigkeit
Gewichtsverlust
Knochenschmerzen
Oberbauchbeschwerden (durch Splenomegalie)
In der sogenannten Blastenkrise liegt der Blastenanteil im Blut bei über 30%. Aufgrund der progredienten Knochenmarkinsuffizienz treten Blutungen, Anämie und Infektionen auf. Die Blastenkrise stellt das Endstadium der Erkrankung dar und führt zum Tod.
Bei stark erhöhten Leukozytenzahlen kommt es gelegentlich zu Milzinfarkten oder retinalen Venenverschlüssen durch leukämische Thromben.
Diagnostik
Erstdiagnose
Bei fast allen Fällen liegt bei Erwachsenen bei Diagnosestellung eine CML in der chronischen Phase vor. Bei Kindern ist der Anteil mit Erstmanifestation in fortgeschrittener Krankheitsphase mit 5 bis 8% höher. Häufig wird die Erkrankung als Zufallsbefund bei einer Blutbildbestimmung diagnostiziert.
Für die Diagnose sind folgende Untersuchungen entscheidend:
Anamnese: Abgeschlagenheit, Schwäche, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Knochenschmerzen oder Oberbauchbeschwerden bei Milzvergrößerung
körperliche Untersuchung: Leber- und Milzgröße
Blutbild: Leukozyten mit Differentialblutbild, Thrombozyten, Hämoglobin, Hämatokrit
peripheres Blut: Multiplex-PCR auf BCR-ABL1-Transkripte
Knochenmarkbiopsie: Fibrose, Blastenzahl und –verteilung
Stadieneinteilung
Im Folgenden sind die Kriterien der akzelerierten Phase und der Blastenkrise zusammengefasst. Diese Kriterien gelten für Kinder und Erwachsene.
Nach der Definition des European LeukemiaNet (ELN) bestimmt das Vorliegen eines der folgenden Kriterien die akzelerierte Phase:
15 – 29% Blasten in Blut oder Knochenmark
Blasten plus Promyelozyten im Blut oder Knochenmark >30% (mit <30% Blasten)
≥ 20% Basophile in Blut oder Knochenmark
Therapie-unabhängige Thrombozytopenie <100.000/µl
Thrombozyten > 1.000.000/µl
neu entstandene klonale Evolution
progrediente Fibrose des Knochenmarks
progrediente Splenomegalie und ansteigende Leukozyten, die auf die Therapie nicht ansprechen
Nach der Definition der WHO von 2016 bestimmt das Vorliegen von mindestens einem der folgenden Kriterien die akzelerierte Phase:
Persistierende oder ansteigende Leukozytose (>10.000/µl), nicht ansprechend auf Behandlung mit TKI
Persistierende oder ansteigende Splenomegalie, nicht ansprechend auf Behandlung mit TKI
Persistierende Thrombozytose (>1.000.000/µl)
Persistierende Thrombozytopenie (<100.000/µl), unabhängig von der Behandlung mit TKI
>20% Basophile im PB
10-19% Blasten im PB und/oder KM
Zytogenetische Zusatzaberrationen in Ph+ Zellen zur Diagnose, einschließlich „Major route aberrations“ (2. Ph, +8, iso(17q), +19), komplexer Karyotyp, oder Aberrationen unter Beteiligung von 3q26.2
Jegliche neue klonale chromosomale Aberrationen in Ph+ Zellen unter Behandlung mit TKI
Dabei gelten folgende Bedingungen als provisorische Kriterien bezüglich des Ansprechens auf TKI:
Hämatologische Resistenz gegenüber dem ersten TKI (oder kein komplettes hämatologisches Ansprechen auf den ersten TKI) oder
Jegliche hämatologische, zytogenetische oder molekulare Hinweise auf Resistenz gegenüber 2 sequenziell verabreichten TKI oder
Auftreten von 2 oder mehr BCR-ABL1-Mutationen unter Therapie
Nach der Definition des ELN bestimmt das Vorliegen eines der folgenden Kriterien die Blastenkrise:
≥ 30% Blasten in Blut oder Knochenmark oder
Nachweis einer Proliferation extramedullärer Blasten
Nach der Definition der WHO von 2016 bestimmt das Vorliegen eines der folgenden Kriterien die Blastenkrise:
≥ 20% Blasten in Blut oder Knochenmark oder
Nachweis einer Proliferation extramedullärer Blasten
Beobachtung des Krankheitsverlaufs
Um das Ansprechen auf die Behandlung mit TKI zu bewerten, sollen molekulare, zytogenetische und hämatologische Parameter herangezogen werden.
Zytogenetisches Monitoring
Das zytogenetische Monitoring sollte aus Metaphasen aus heparinisiertem Knochenmark erfolgen. Der Anteil Ph-positiver Metaphasen sollte auf mindestens zwanzig ausgewertete Metaphasen bezogen werden.
Molekulares Monitoring
Zur Quantifizierung der BCR-ABL1 mRNA im peripheren Blut wird eine quantitative RT-PCR aus 10 ml EDTA-antikoaguliertem Blut durchgeführt. BCR-ABL1-Transkripte werden auf eine internationale Skala bezogen. Die Untersuchungsintervalle sollten drei Monate betragen und können bei guter Remission und stabilem Verlauf auf sechs Monate verlängert, sollen jedoch nach Absetzen des TKI auf vier bis sechs Wochen verkürzt werden.
Im Rezidiv wurden mehr als 100 verschiedene Mutationen der Kinase-Domäne sequenziert. Die Kenntnis der spezifischen Mutation hilft bei der Auswahl einer alternativen TKI-Therapie.
Remissionskriterien
Um das Ansprechen auf eine TKI-Behandlung einzuschätzen, werden das zytogenetische Ansprechen (Prozentsatz der Zellen, in denen das Ph-Chromosom nachweisbar ist), das molekulare Ansprechen (Vorliegen von BCR-ABL-mRNA) und hämatologische Kriterien berücksichtigt.
Keine hämatologische Komplettremission Ph >95%; BCR-ABL1 >10%, falls bestätigt innerhalb 1- 3 Monaten
Ph 36-95% BCR-ABL1 >10%
Ph ≤35% BCR-ABL1 ≤10%
6 Monate
Ph >35% BCR-ABL1 >10%
Ph 1-35% BCR-ABL1 >1-10%
Ph 0% BCR-ABL1 ≤1%
12 Monate
Ph ≥1% BCR-ABL1 >1%
BCR-ABL1 >0,1-1%
BCR-ABL1 ≤0,1%
Jederzeit
BCR-ABL1 >1%, Resistenzmutationen, Hochrisiko-ACA
BCR-ABL1 >0,1-1%, Verlust MMR
BCR-ABL1 ≤0,1%
Als hämatologische Kriterien für eine Komplettremission gelten:
Leukozyten < 10.000/µl
Basophile < 5%
keine Myelozyten, Promyelozyten oder Myeloblasten im Differenzialblutbild
Thrombozyten < 450.000/µl
Milz nicht tastbar
Therapie
Das Ziel der Therapie ist eine weitgehende Normalisierung des Blutbildes im Sinne einer Remission. Die Auswahl des individuell bevorzugten TKI erfolgt bei fehlendem Unterschied im Gesamtüberleben anhand der Effektivität und des Nebenwirkungsspektrums unter Berücksichtigung der individuellen Risikofaktoren.
Erstlinientherapie
Imatinib 400 mg/Tag war bis zur Publikation der Daten zur Therapieoptimierung der Standard für die Erstlinientherapie aller CML-Patienten in chronischer Phase nach Sicherung der BCR-ABL1-Positivität. Eine erhöhte Imatinib-Dosis konnte die Remissionsrate von Patienten mit suboptimalem Ansprechen verbessern. Nach dem Erfolg von Imatinib wurden weitere TKI mit verbesserter Wirksamkeit entwickelt (Zweitgenerationsinhibitoren):
Diese zeigten in der Erstlinientherapie gegenüber Imatinib 400 mg/Tag eine bessere Effektivität mit höheren Raten zytogenetischer und molekularer Remissionen. Nilotinib und Dasatinib zeigten zusätzlich eine Reduktion früher Akzelerationsphasen oder Blastenkrisen. Die Überlebensraten konnten jedoch mit dem Einsatz der Zweitgenerationsinhibitoren gegenüber Imatinib nicht verbessert werden.
Nach einer Kombination von Imatinib mit pegyliertem Interferon alpha 2a wurden auch nach Absetzen von Imatinib Langzeitremissionen beobachtet. Eine Erhaltungstherapie mit Interferon alpha nach TKI ist eine Option.
TKI-Absetzstudien belegten die Machbarkeit des sicheren Absetzens nach Erreichen einer tiefen molekularen Remission.
Zweitlinientherapie - TKI
Die Wahl der Zweitlinientherapie erfolgt nach klinischen Kriterien und vorliegenden BCR-ABL1-Mutationen. Die Verfügbarkeit von insgesamt fünf zugelassenen und einem in Entwicklung befindlichen TKI ermöglicht die individualisierte Therapie nach zytogenetischem und molekularbiologischem Ansprechen, nach klinischen Kriterien in Bezug auf das Nebenwirkungsspektrum und nach Mutationsstatus bei Resistenz auf die Primärtherapie.
Die TKI wurden für die chronische und akzelerierte Phase nach Imatinib-Versagen mit folgenden Dosisempfehlungen zugelassen:
Nilotinib 2 x 400 mg/Tag
Dasatinib 100 mg/Tag
Bosutinib 500 mg/Tag
Bei Patienten mit T315I-Mutation ist lediglich für Ponatinib eine Wirksamkeit nachweisbar.
Therapieoptionen für Patienten nach Versagen der Standardtherapie beinhalten neben dem Einsatz alternativer TKI auch den Einschluss des Patienten in eine klinische Studie oder die Durchführung einer allogenen Stammzelltransplantation.
Therapie in der akzelerierten Phase
Der Mechanismus der CML-Progression ist heterogen und wurde noch nicht vollständig geklärt. Es handelt sich meist um einen Prozess in mehreren Schritten, wobei chromosomale und molekulare Ereignisse auftreten. Für die Wahl der Therapie bei einer fortgeschrittenen Phase der CML muss berücksichtigt werden, ob die Progression aus einer TKI-Resistenz resultiert oder ob der Patient TKI-naiv ist. In jedem Fall sind je nach individueller Situation Zweitgenerationsinhibitoren in höheren Dosierungen zu bevorzugen, sowie die Option der allogenen Stammzelltransplantation bei geeigneten Patienten zu erwägen.
Therapie in der Blastenkrise
Vor dem Einsatz von TKI kommen zum Erreichen einer kurzzeitigen Remission folgende Wirkstoffe in Frage:
Bei der Therapie mit TKI kommt es gelegentlich zu einer Abschwächung bis zum Verlust der Wirkung eines Medikaments. Die häufigste Ursache der Imatinib-Resistenz sind BCR-ABL1-Punktmutationen. Inzwischen sind mehr als 100 Mutationen bekannt. Bei einem mehr als fünffachen Anstieg der BCR-ABL1-Last unter gleichzeitigem Verlust der guten molekularen Remission (BCR-ABL1 >0,1%) wird eine Mutationsanalyse empfohlen. Beim Auftreten der Mutationen mit komplettem Wirkverlust, z. B. Y253F/H, E255K/V, oder T315I in einem dominanten Klon soll zur Verhinderung der weiteren Selektion resistenter Zellen der TKI rasch abgesetzt werden. Je nach Mutation kann die Anwendung eines anderen TKI sinnvoll sein.
Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) mit einem neuen Wirkmechanismus
Asciminib ist ein neu zugelassener STAMP-Inhibitor zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver chronischer myeloischer Leukämie in der chronischen Phase (Ph+CML-CP), die bereits mit mindestens zwei Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) behandelt wurden. Im Gegensatz zu herkömmlichen TKIs, die die ATP-Bindungsstelle hemmen, bindet Asciminib an die ABL-Myristoyl-Tasche und zeigt Wirksamkeit bei TKI-Resistenz. Die Studien ASCEND-CML und ASC4FIRST untersuchen zudem das Potenzial von Asciminib als Erstlinientherapie, was seine Bedeutung als neue Therapieoption unterstreicht.
Erstlinientherapie bei Kindern und Jugendlichen
Für pädiatrische Patienten ist die Datenlage sehr spärlich. Zur Anwendung von Imatinib (zugelassen im Jahr 2003) liegen Daten aus einer Registerstudie „CML-paed-II“ mit 140 Patienten in chronischer Phase mit einer Dosis von 270 mg/qm Körperoberfläche vor. Die European Medicines Agency (EMA) hat im November 2017 die Zulassung von Nilotinib für die Anwendung bei Kindern erteilt. Im Jahr 2018 erfolgte die Zulassungserweiterung von Dasatinib für Kinder.
Die häufigsten Grad 3/4 - Nebenwirkungen unter Imatinibtherapie bei Kindern und Jugendlichen waren Neutropenie (49%), Thrombozytopenie (27%), Anämie (66%) sowie eine erhöhte Aktivität der Transaminasen (7%) und traten am häufigsten in den ersten beiden Jahren unter der Imatinibtherapie auf. Eine Retardierung des Längenwachstums tritt spezifisch bei pädiatrischen Patienten und umso ausgeprägter auf, je jünger die Kinder bei Diagnosestellung sind. Für Nilotinib und Dasatinib liegen hierzu noch keine Daten vor. Exzessiv erhöhte Leukozytenzahlen treten altersabhängig vor allem bei pädiatrischen Patienten auf.
Aktive Studien
Wenn immer möglich, sollen Patienten in klinische Studien oder Register eingeschlossen werden, bei Kindern und Jugendlichen ist dies obligatorisch. Hierbei erhält der Patient Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und wird mit innovativen Medikamenten und entsprechend aktueller Behandlungsstrategien therapiert.
Prognose
Bevor Medikamente zur Verfügung standen, war die CML diejenige Erkrankung aus dem Formenkreis der myeloproliferativen Neoplasien mit der ungünstigsten Prognose. Mit der Einführung von Imatinib wurde die Behandlung der CML revolutioniert. In allen Prognosegruppen und in jedem Alter wurde eine deutliche Überlegenheit von Imatinib gegenüber den zuvor durchgeführten Therapien beobachtet. Nachfolgend zugelassene TKI weisen eine noch bessere Wirksamkeit auf. Heute entspricht die Lebenserwartung von CML-Patienten beinahe der der Normalbevölkerung.
Das klinische Bild der Ph-Chromosom-negativen Form der CML unterschied sich in einer Studie deutlicher von der „typischen“ CML und hatte eine deutlich schlechtere Prognose. Mit Fortschreiten der Erkrankung steigt der Anteil der Fälle mit Zusatzaberrationen auf etwa 80%. Häufig auftretende Veränderungen werden als major route Aberration bezeichnet und sind mit einer schlechten Prognose und höheren Progressionsrate verbunden.
Klinische Prognosescores
Die bisher gebräuchlichen Prognosescores sind die Scores nach Sokal und Hasford (EURO-Score). Sie wurden vor der Verfügbarkeit von TKI entwickelt und sind für Kinder weniger geeignet. Im Rahmen eines Registers im Rahmen der „European Treatment and Outcome Study“ (EUTOS), in der eine Erstlinientherapie mit Imatinib untersucht wurde, wurde ein neuer Score etabliert und validiert. Der EUTOS-Score nutzt den Anteil der Basophilen im peripheren Blut und die Milzgröße zum Diagnosezeitpunkt zur Vorhersage der Chance auf das Erreichen einer kompletten zytogenetischen Remission. Die relative Größe der Milz zur altersbedingt variablen Körpergröße erschwert die Anwendung bei Kindern. Unter Berücksichtigung des CML-spezifischen Überlebens wurde der „EUTOS-Long Term Survival (ELTS)-Score“ etabliert, dessen bevorzugte Anwendung heute empfohlen wird. Der ELTS-Score definiert als einziger der für Erwachsene etablierten Scores auch bei Minderjährigen eine Kohorte mit statistisch signifikant niedrigerem progressionsfreiem Überleben.
Prophylaxe
Es gibt keine Evidenz für wirksame Maßnahmen zur Vorbeugung.
Schwangerschaft
Eine Schwangerschaft ist unter der TKI-Therapie wegen des teratogenen Risikos nicht möglich. Deshalb sind für Patientinnen mit Kinderwunsch individuelle Maßnahmen erforderlich, die die Möglichkeit der Remissionserhaltung während der Schwangerschaft ohne Verwendung von TKI ermöglichen.
PDQ® Adult Treatment Editorial Board. PDQ Chronic Myelogenous Leukemia Treatment. Bethesda, MD: National Cancer Institute. Letzte Aktualisierung: 08.02.2019. Abgerufen am 21.05.2019. [PMID: 26389354]
Patientenfreundliche Zusammenfassung der Empfehlungen des European LeukemiaNet (2013) zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie; veröffentlicht vom CML Advocates Network, abgerufen am 22.05.2019
Prof. Dr. David Yeung: „Excellent Early and Major Molecular Responses Observed with Asciminib Treatment for CP-CML: Results from the ALLG CML13 Ascend-CML Study“, Abstract #865, 65th ASH Annual Meeting and Exposition vom 9.-12. Dezember 2023, in San Diego.
Hochhaus A et al. (2024): Asciminib in Newly Diagnosed Chronic Myeloid Leukemia. The New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMoa2400858