Anthrazykline

Anthrazykline sind aus Streptomyces-Arten isolierte oder semisynthetisch hergestellte zytostatisch wirksame Antibiotika, die bei unterschiedlichen Tumorarten angewendet werden. Allerdings limitiert die durch Anthrazykline induzierte Kardiotoxizität ihren klinischen Einsatz.

Anthracycline

Anwendung

Eine Vielzahl der Chemotherapie-Regime zur Behandlung neoplastischer Erkrankungen beinhalten Anthrazykline als hochwirksame Zytostatika. Anthrazykline werden häufig in Kombination (Polychemotherapie) mit anderen zytotoxischen Wirkstoffen (Zytostatika) bei unterschiedlichen Tumorerkrankungen eingesetzt. Die zahlreichen Indikationsgebiete der Anthrazykline umfassen mitunter:

Wirkung

Der exakte Wirkmechanismus der Anthrazykline ist noch nicht vollständig erforscht. Die antineoplastische Wirkung der Anthrazykline wird wahrscheinlich über mehrere zytotoxische Mechanismen vermittelt, die synergistisch zu einer Beeinträchtigung der DNA-Synthese und somit der Replikation führen. Zu diesen Mechanismen zählen:

  • Interkalation in die DNA: Die Interkalation der Anthrazyklin-Moleküle in die DNA führt zur Hemmung der Nukleinsäuresynthese (RNA und DNA).
  • Hemmung des Enzyms Topoisomerase II: Die Inhibition der Topoisomerase II bewirkt Einzel- und Doppelstrangbrüche in der DNA-Doppelhelix.
  • Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS, reactive oxygen species): Stark reaktive Sauerstoffverbindungen wie Hydroxyl-Radikale verursachen eine Schädigung der DNA.

Mechanismus der Anthrazyklin-induzierten Kardiotoxizität

Der klinische Einsatz von Anthrazyklinen wird durch deren kardiotoxische Nebenwirkungen limitiert. Der Entstehungsmechanismus der Anthrazyklin-induzierten Kardiotoxizität ist allerdings noch nicht vollständig aufgeklärt, scheint jedoch multifaktoriell zu sein. Folgende Haupteinflussfaktoren werden postuliert:

  • Reaktive Sauerstoffspezies (ROS): Die Chinon-Struktur der Anthrazykline ist prädestiniert dafür Redoxreaktionen einzugehen, die zur Entstehung von Semichinon-Radikalen beitragen. In Kardiomyozyten ist in diesen Reaktionen hauptsächlich die NADH-Dehydrogenase (Komplex I) der mitochondrialen Elektronentransportkette involviert. In Anwesenheit von molekularem Sauerstoff kann das aus dem jeweiligen Anthrazyklin entstandene Semichinon autooxidieren, wodurch ein Superoxid-Anion entsteht und das Anthrazyklin in seine Ausgangsform zurückkehrt. Es folgt ein sich wiederholender Redoxzyklus, der in einer Akkumulation von reaktiven Superoxid-Anionen resultiert. Darüber hinaus können sich unter Beteiligung von freiem Eisen die ROS-Level erhöhen und Anthrazyklin-Eisen-Komplexe bilden, die die Entstehung toxischer Radikale und reaktiver Stickstoffspezies (RNS) fördern, was wiederum eine mitochondriale Dysfunktion bedingt.
  • Topoisomerase IIß (Top2ß): Topoisomerasen sind Enzyme, die temporäre Strangbrüche in der DNA-Doppelhelix induzieren und dadurch Prozesse wie die DNA-Replikation oder das Chromatin-Remodelling regulieren. Es existieren zwei Isoformen der Topoisomerase II in Menschen, die Topoisomerase IIα (Top2α) und die Topoisomerase IIß (Top2ß). Top2α ist die vorherrschende Isoform und wird in hohem Ausmaß in proliferierenden Zellen (maligne und benigne) exprimiert. Top2ß ist überwiegend in ruhenden Zellen wie adulten Kardiomyozyten vorzufinden und wird konstant exprimiert. Anthrazykline bilden mit der DNA und dem Enzym Topoisomerase II einen ternären Komplex, der das Wiederverschließen von Strangbrüchen verhindert und dadurch Apoptose einleitet. Dieser Effekt ist in proliferierenden malignen Zellen erwünscht und wird dort über die Bindung der Anthrazykline an die Isoform Top2α vermittelt. Binden Anthrazykline allerdings an die Isoform Top2ß in Kardiomyozyten, führt dies zu mitochrondrialen Dysfunktionen sowie einer erhöhten Apoptoserate, was zur Kardiotoxizität beiträgt.

Nebenwirkungen

Die zytotoxische Wirkung von Anthrazyklinen beschränkt sich nicht nur auf Tumorzellen, sondern betrifft auch gesunde Körperzellen. Deshalb führt eine Behandlung mit zytotoxischen Wirkstoffen wie Anthrazyklinen häufig zu Nebenwirkungen, wobei einige davon so schwerwiegend sind, dass eine engmaschige Überwachung des Patienten unvermeidbar ist.
 
Die für Zytostatika typischen Nebenwirkungen Übelkeit und Erbrechen sowie Alopezie (Haarausfall) treten auch unter Anthrazyklin-Therapie bei fast allen Patienten auf. Auch Mukositis und Stomatitis sowie Erkrankungen der Haut sind häufig (Photosensibilität, Erythem, Exanthem, Pruritus)

Art und Häufigkeit der Nebenwirkungen werden von der Applikationsgeschwindigkeit und der Dosierung beeinflusst.

Knochenmarkdepression

Die Knochenmarkdepression ist eine akute und dosislimitierende Nebenwirkung, die allerdings meist nur vorübergehend auftritt.

Mögliche klinische Folgen der Knochenmark- bzw. Hämatotoxizität sind:

  • Fieber
  • Infektionen
  • Sepsis/Septikämie
  • Septischer Schock
  • Blutbildveränderungen (Anämie, Leukopenie, Neutropenie, Thrombozytopenie)
  • Blutungen
  • Gewebshypoxie

Kardiotoxizität

Anthrazykline sind bekannt für kardiotoxische Nebenwirkungen, die ihren klinischen Einsatz limitieren. Zu diesen Nebenwirkungen zählen:

  • Kardiomyopathie
  • Bradykardie
  • Dekompensierte Herzinsuffizienz
  • Sinustachykardie
  • Tachyarrhythmie

Die Kardiotoxizität von Anthrazyklinen kann sich in zwei Erscheinungsformen manifestieren:

Soforttyp

Die Nebenwirkungen vom Soforttyp treten zumeist innerhalb der ersten 24-48 Stunden nach Einleiten der Therapie auf, sind dosisunabhängig und durch folgende Symptome gekennzeichnet:

  • vorübergehende Arrhythmien (häufig)
  • insbesondere Sinustachykardien (häufig)
  • supraventrikuläre und ventrikuläre Extrasystolen

Sie werden (sehr selten) durch unspezifische EKG-Veränderungen (ST-T-Strecken-Veränderungen, Niedervoltage und verlängerte QT-Zeit) charakterisiert.
Diese Veränderungen sind im Allgemeinen reversibel und ihr Auftreten stellt keine Kontraindikation bei der erneuten Anwendung eines Anthrazyklins dar.

Über Tachyarrhythmien, einschließlich vorzeitiger ventrikulärer Kontraktionen und ventrikulärer Tachykardien, Bradykardien sowie über atrioventrikuläre- und Bündelzweigblockaden wurde ebenfalls berichtet. In der Regel sind diese Erscheinungen keine Vorboten einer späten Kardiotoxizität und klinisch nicht relevant.

In den meisten Fällen kann die Therapie fortgesetzt werden. Es wurden jedoch auch lebensbedrohliche Arrhythmien während oder wenige Stunden nach der Anwendung von Anthrazyklinen beobachtet, in Einzelfällen auch akutes Linksherzversagen, Perikarditis oder ein tödliches Perikarditis-Myokarditis-Syndrom.

Spättyp

Die Nebenwirkungen vom Spättyp repräsentieren eine dosisabhängige kumulative Organtoxizität in Form der Kardiomyopathie, welche im Allgemeinen irreversibel und häufig lebensbedrohlich ist.Diese tritt üblicherweise im späteren Verlauf der Therapie mit Anthrazyklinen oder binnen 2-3 Monaten nach Therapieende auf (auch einige Monate bis Jahre nach Beendigung der Therapie). Die Kardiomyopathie manifestiert sich meist als Linksherzinsuffizienz und/oder Anzeichen oder Symptomen von kongestivem Herzversagen:

  • Dyspnoe
  • Lungenödem
  • abhängiges Ödem
  • Kardiomegalie
  • Hepatomegalie
  • Oligurie
  • Aszites
  • Lungenerguss
  • Herzjagen

Subakute Wirkungen wie Perikarditis oder Myokarditis wurden ebenfalls beobachtet.

Eine lebensbedrohliche Herzinsuffizienz ist die schwerste Form der Anthrazyklin-induzierten Kardiomyopathie und stellt die kumulative dosislimitierende Toxizität der Substanzen dar. Die Inzidenz der Kardiotoxizität steigt mit Höhe der kumulativen Gesamtdosis. Dies ist insbesondere bei der Anwendung bei Kindern zu berücksichtigen, welche insgesamt niedrigere Lebensgesamtdosen tolerieren und durch zusätzliche Bestrahlungsbehandlungen, junges Alter bei Therapiebeginn und aggressive Begleittherapien besonders gefährdet sind, eine spät auftretende, lebensbedrohliche Kardiotoxizität mit ventrikulärer Dysfunktion, Herzversagen und/oder Arrhythmien zu entwickeln.

Darüber hinaus scheinen Mädchen gegenüber Jungen besonders prädestiniert für das Auftreten später Kardiotoxizität nach Anthrazyklin-Therapie zu sein.

Mit Hilfe von kardioprotektiven Wirkstoffen wie Dexrazoxan kann das Risiko einer Anthrazyklin-induzierten Kardiotoxizität reduziert werden.

Wechselwirkungen

Jegliche Wechselwirkungen in Bezug auf zytotoxische Wirkstoffe wie Anthrazykline können die Nebenwirkungen der Krebstherapie verstärken und potenziell lebensbedrohlich sein oder den Therapieerfolg beeinträchtigen. Daher gilt es, diese Wechselwirkungen zu vermeiden bzw. akribisch zu überwachen:

  • Anthrazykline wie Doxorubicin sind starke radiosensibilisierende Wirkstoffe („Radiosensitizer“) und die hierdurch induzierten Recall-Phänomene können lebensbedrohlich sein. Eine vorangegangene, gleichzeitige oder spätere Bestrahlungstherapie kann die Kardio- oder Hepatotoxizität von Anthrazyklinen verstärken.
  • Bei einer (Vor-)Behandlung mit Medikamenten, welche die Knochenmarkfunktion beeinflussen (z.B. Zytostatika, Sulfonamide, Chloramphenicol, Phenytoin, Amidopyrin-Derivate, antiretrovirale Arzneimittel), ist die Möglichkeit einer ausgeprägten Störung der Hämatopoese zu berücksichtigen.
  • Bei Kombination mit anderen Zytostatika (z.B. Cytarabin, Cisplatin, Cyclophosphamid) können sich die toxischen Nebenwirkungen verstärken.
  • Die gleichzeitige Einnahme kardioaktiver Arzneimittel wie Calciumkanalantagonisten kann zu einer verstärkten Kardiotoxizität beitragen (durch einen Anstieg der maximalen Anthrazyklin-Spiegel, einer Verlängerung der terminalen Halbwertszeit und einer Erhöhung des Verteilungsvolumens).
  • Die Anwendung von ebenfalls kardiotoxischen Arzneimitteln (z.B. Trastuzumab) in Kombination mit Anthrazyklinen wie Doxorubicin ist mit einem hohen kardiotoxischen Risiko verbunden und sollte deshalb vermieden werden.
  • Anthrazykline binden an Heparin, wodurch es zu Präzipitationen und Wirkungsverlust beider Wirkstoffe kommen kann.

Kontraindikation

Bei Überempfindlichkeit gegen den jeweiligen Wirkstoff der Klasse, andere Anthrazykline oder Anthrazendione oder sonstige Bestandteile des Arzneimittels sowie in Schwangerschaft und Stillzeit ist die Einnahme eines Anthrazyklins kontraindiziert.

Anthrazykline sind kontraindiziert bei:

  • Ausgeprägter Myelosuppression (z.B. nach Vorbehandlung mit Chemo- und/oder Strahlentherapie)
  • Vorliegen einer kardiopathologischen Anamnese (instabile Angina pectoris, progrediente Herzinsuffizienz, schwerwiegende Herzrhythmusstörungen und Leitungsstörungen, akute entzündliche Herzerkrankungen, Herzinfarkt während der letzten 6 Monate, Myokardiopathie)
  • Vorbehandlung mit Anthrazyklinen (z.B. Epirubicin, Idarubicin oder Daunorubicin) und/oder Anthrazendionen bis zur jeweiligen kumulativen Höchstdosis
  • Erhöhter Blutungsneigung
  • Akuter Infektionen
  • Stark eingeschränkte Leberfunktion
  • Stomatitis

Weitere Kontraindikationen sind abhängig von der Applikationsart und dem jeweiligen Anthrazyklin.

Alternativen

Aufgrund der zahlreichen Indikationsgebiete bieten sich einige Alternativen bzw. Kombinationspartner für Anthrazykline, die sich an Art und Stadium der Erkrankung sowie patientenindividuellen Faktoren orientieren.

Klassische Zytostatika

Anthrazykline sind Bestandteil einiger Chemotherapie-Regime, die grundsätzlich auch andere klassische Zytostatika beinhalten. Alternativ oder ergänzend stehen folgende zytotoxische Wirkstoffe zur Verfügung:

Weitere Onkologika

Die moderne Tumortherapie bietet allerdings auch andere, in der Regel zielgerichtete Alternativen, deren Spektrum sich stetig erweitert. Dazu gehören:

Generell besitzen neben Kinase-Inhibitoren auch monoklonale Antikörper, die einen Großteil der Biologicals repräsentieren, einen hohen Stellenwert in der modernen Onkologie.

Pegylierte liposomale Formulierung von Doxorubicin

Caelyx pegylated liposomal ist eine pegylierte liposomale Formulierung von Doxorubicin-HCl mit einer langen Zirkulationszeit. Die pegylierten Liposomen enthalten an der Oberfläche gebundene hydrophile Methoxypolyethylenglykol (MPEG)-Ketten. Diese linearen MPEG-Ketten ragen aus der Liposomenoberfläche heraus und schaffen so eine Schutzschicht, die die Wechselwirkungen zwischen der Lipid-Doppelmembran der Liposomen und Plasmabestandteilen vermindert. Hierdurch können die Liposomen länger im Blutkreislauf zirkulieren. Die mit MPEG-konjugierten Liposomen sind so klein (durchschnittlicher Durchmesser von ungefähr 100 nm), dass sie intakt durch die geschädigten Blutgefäße der Tumoren hindurchtreten (extravasieren) können.

Der Nachweis, dass pegylierte Liposomen aus Blutgefäßen in Tumoren eindringen und sich dort ansammeln, konnte bei Mäusen mit C-26 Colon-Karzinomen und bei transgenen Mäusen mit KS-ähnlichen Läsionen geführt werden. Die pegylierten Liposomen besitzen darüber hinaus eine Lipidmatrix mit geringer Permeabilität und ein wässriges Puffersystem im Inneren, die gemeinsam dafür sorgen, dass Doxorubicin-HCl während der Zirkulationszeit in den Liposomen eingeschlossen bleibt und gezielt zum Tumorgewebe gelangt, wo die Wirkung lokal erwünscht ist.

Eine randomisierte Phase-III-Studie von Caelyx pegylated liposomal im Vergleich mit Doxorubicin an Patientinnen mit metastasierendem Mammakarzinom wurde bei 509 Patientinnen durchgeführt. Das im Protokoll spezifizierte Studienziel, die Nicht-Unterlegenheit zwischen Caelyx pegylated liposomal und Doxorubicin zu zeigen, wurde erreicht. Das relative Risiko (HR) für das progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 1,00 (95% CI für HR=0,82-1,22). Das an prognostizierte Variablen angepasste relative Risiko der Behandlung für das progressionsfreie Überleben war identisch mit dem PFS für die ITT-Gruppe. Die primäre Analyse der Kardiotoxizität zeigte, dass das Risiko einer kardialen Nebenwirkung in Abhängigkeit von der kumulativen Anthrazyklin-Dosis mit Caelyx pegylated liposomal signifikant niedriger war als mit Doxorubicin (HR=3,16; p < 0,001). Bei kumulativen Dosen über 450 mg/m2 traten unter Caelyx pegylated liposomal keine kardialen Ereignisse auf.

Wirkstoffe

Hinweise

Allgemein

Vor Behandlungsbeginn mit Anthrazyklinen sollten Patienten sich von den akuten Toxizitäten vorausgegangener zytotoxischer Therapien (wie Stomatitis, Neutropenie, Thrombozytopenie und allgemeinen Infektionen) erholt haben.

Kontrolluntersuchungen

Die folgenden Kontrolluntersuchungen werden vor und während der Behandlung mit Anthrazyklinen empfohlen (wie oft diese durchgeführt werden, ist abhängig vom Allgemeinzustand, der Dosis und der Begleitmedikation):

  • Röntgenaufnahmen der Lungen und des Brustkorbs
  • Herzfunktionskontrollen (vor allem LVEF)
  • Überprüfung der Mundhöhle und des Rachens auf Schleimhautveränderungen (Stomatitis)
  • Blutuntersuchungen (Hämatokrit, Thrombozyten, Differenzialblutbild, SGPT, SGOT, LDH, Bilirubin, Harnsäure)

Kardiotoxizität

  • Anthrazykline sind kardiotoxisch (siehe Nebenwirkungen und Mechanismus für Details).
  • Es ist wahrscheinlich, dass die Toxizität von Anthrazyklinen oder Anthrazendionen additiv ist.
  • Die Herzfunktion sollte vor Behandlungsbeginn genau untersucht und während der Behandlung sorgfältig überwacht werden, um das Risiko einer Kardiotoxizität zu verringern.
  • Kinder und Jugendliche sowie weibliche Patienten weisen ein erhöhtes Risiko für eine Kardiotoxizität auf (kardiologische Nachuntersuchungen werden empfohlen, um dieses Risiko überwachen zu können).
  • Das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer Anthrazyklin-Therapie sollte daher bei solchen Patienten vor Behandlungsbeginn abgewogen werden.
  • Bei Überschreiten der maximalen kumulativen Gesamtdosis steigt die Häufigkeit der Anthrazyklin-induzierten Kardiomyopathie auch ohne vorbestehende Risikofaktoren rasch an.

Hämatologische Toxizität

  • Wie andere zytotoxische Substanzen können auch Anthrazykline eine Myelosuppression verursachen.
  • Die hämatologischen Parameter sollten vor und während jedes Behandlungszyklus untersucht werden, einschließlich Differenzialblutbild der weißen Blutkörperchen.
  • Es muss sichergestellt sein, dass eine schwere Infektion und/oder Blutungsepisode rasch und wirksam behandelt werden kann.
  • Bestehende Infektionen sollten vor Beginn einer Therapie mit Anthrazyklinen behandelt werden.

Sekundärleukämien

  • Als späte Nebenwirkung ist die Entwicklung von Zweitneoplasien nicht auszuschließen.
  • Bei Patienten, die mit Anthrazyklinen behandelt wurden, wurden Sekundärleukämien (gelegentlich) mit oder ohne präleukämischer Phase beobachtet.
  • Die Sekundärleukämien sind häufiger, wenn Anthrazykline in Kombination mit DNA-verändernden Zytostatika (z.B. Alkylanzien, Platinverbindungen) oder einer Strahlentherapie eingesetzt wurden, wenn die Patienten intensiv mit zytotoxischen Arzneimitteln vorbehandelt wurden oder die Dosierung der Anthrazykline erhöht wurde (diese Leukämien können nach einer Latenzzeit von 1-3 Jahren auftreten).

Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts

  • Das emetogene Potenzial von Anthrazyklinen ist hoch, sodass relativ schwere Übelkeit und Erbrechen am ersten Tag der Behandlung, aber auch danach auftreten (eine antiemetische Prophylaxe wird empfohlen).
  • Mukositis oder Stomatitis treten gewöhnlich bald nach Behandlungsbeginn auf und können in schweren Fällen in einigen Tagen zu Geschwüren der Mundschleimhaut führen.
  • Zu Diarrhöen (sehr häufig) kann es als Folge einer Proliferationshemmung im Darmepithel kommen.

Alopezie (Haarausfall)

Die regelmäßig auftretende totale oder subtotale Alopezie ist nach Absetzen der Therapie in der Regel reversibel.

Reaktionen an der Injektionsstelle und Paravasate

  • Eine Phlebosklerose kann durch Injizieren in eine kleine Vene oder durch wiederholten Einstich in dieselbe Vene auftreten.
  • Genaue Befolgung der empfohlenen Verabreichungsmethoden reduziert die Gefahr einer Phlebitis/Thrombophlebitis an der Injektionsstelle.
  • Anthrazykline müssen als reizend angesehen werden, sodass Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung einer Paravasation zu ergreifen sind.
  • Paravasale Injektionen führen zu schwersten Gewebsschädigungen (Blasenbildung, schwere Zellulitis) und Gewebsnekrosen sowie Thrombophlebitis.
  • Das Ausmaß der Gewebsschädigung ist von der Paravasatmenge abhängig.
  • Die Folgen eines Paravasates sind Schmerzen sowie schlecht heilende Ulzera.
  • Sollte im Bereich der Infusionsnadel ein brennendes Gefühl entstehen, deutet dies auf eine paravenöse Applikation hin.
  • Bei Paravasaten ist die Infusion oder Injektion sofort zu stoppen, wobei die Kanüle zunächst belassen werden sollte, um sie nach einer kurzen Aspiration zu entfernen.
  • Eine intravenöse Infusion mit Dexrazoxan, nicht später als 6 Stunden nach Paravasation, wird empfohlen (für weitere Informationen siehe Fachinformation von Dexrazoxan).
  • Danach muss die Infusion des Anthrazyklins in einer anderen Vene erneut begonnen werden.

Strahlentherapie

  • Bei Patienten mit vorangegangener, gleichzeitiger oder geplanter Strahlentherapie ist besondere Vorsicht geboten.
  • Diese Patienten haben bei der Anwendung von Anthrazyklinen ein erhöhtes Risiko von Lokalreaktionen im Bestrahlungsfeld (Recall-Phänomen).
  • Außerdem wurden in diesem Zusammenhang über das Auftreten schwerer, zum Teil tödlicher Hepatotoxizität sowie über Toxizitätsreaktionen des Myokards, der Mukosa und der Haut berichtet.

Impfungen

  • Aktive Impfungen oder Impfungen mit abgeschwächten Erregern sollten im zeitlichen Zusammenhang mit einer Anthrazyklin-Therapie nicht durchgeführt werden.
  • Dies kann bei Patienten, die durch Chemotherapeutika, einschließlich Anthrazyklinen, immunsupprimiert sind, zu schwerwiegenden oder tödlichen Infektionen führen.
  • Impfungen mit abgetöteten oder inaktivierten Vakzinen können durchgeführt werden, wobei der Impferfolg jedoch vermindert sein kann.
  • Der Kontakt mit Polioimpflingen sollte allerdings vermieden werden.

Tumorlysesyndrom

  • Aufgrund des hochgradigen Purinabbaus, der die rasche Auflösung der Tumorzellen gewöhnlich begleitet (Tumorlysesyndrom), kann die Anthrazyklin-Behandlung eine Hyperurikämie verursachen.
  • Blutharnsäure-, Kalium-, Calciumphosphat- und Kreatinin-Spiegel sollten nach der Initialbehandlung kontrolliert werden.
  • Hydratation, Urinalkalisierung und eine Prophylaxe mit Allopurinol zur Vermeidung einer Hyperurikämie kann die Gefahr von möglichen Komplikationen eines Tumorlysesyndroms minimieren.
Autor:
Stand:
07.02.2022
Quelle:
  1. Fachinformationen der Wirkstoffe dieser Wirkstoffklasse (Anthrazykline)
  2. EMA: Caelyx pegylated liposomal
  3. Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
  4. Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  5. McGowan, John V et al., Anthracycline Chemotherapy and Cardiotoxicity, Cardiovascular drugs and therapy, vol. 31(1), 63-75, 2017
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