Paxlovid – Vorsicht Arzneimittelinteraktionen!

Ältere Menschen haben ein hohes Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf. Da sie häufig diverse Arzneimittel als Erhaltungsmedikation einnehmen, kann die Behandlung mit Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid) aufgrund von Interaktionen zu Komplikationen führen.

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Die Arzneistoffkombination Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid) reduziert bei ungeimpften, symptomatischen Hochrisiko-COVID-19-Patienten, zu denen unter anderem ältere Menschen gehören, das Risiko für schwere Komplikationen. Insbesondere Ritonavir kann aufgrund der CYP3A4-Hemmung zahlreiche bedeutsame Arzneimittelinteraktionen eingehen und so den Erfolg der Behandlung beeinträchtigen bzw. zu Komplikationen führen. Gerade ältere Menschen müssen häufig zahlreiche Arzneimittel als Erhaltungsmedikation (Polypharmazie) einnehmen und die Behandlung mit Nirmatrelvir/Ritonavir im Fall einer COVID-19-Infektion kann problematisch sein. Um den Behandlungserfolg in dieser Population zu erhöhen und auch Ältere sicher behandeln zu können, sollten potenzielle Arzneimittelinteraktionen vorab identifiziert und berücksichtigt werden [1].

Zielsetzung

Eine kanadische Arbeitsgruppe der McGill University Montreal (Quebec) setzte sich zum Ziel, Arzneimittelinteraktionen zwischen Nirmatrelvir/Ritonavir und bei Älteren häufig eingesetzten Arzneimitteln (einschließlich potenziell unnötiger Arzneimittel) zu identifizieren. Um zu erwartende unerwünschte Interaktionen/Nebenwirkungen abzuschwächen, wurden Anleitungen zum Medikationsmanagement (z.B. Absetzen, Dosisreduktion) entwickelt.

Methoden

Für die Analyse wurden Daten der MedSafer-Studie verwendet. MedSafer ist eine Clusterrandomisierte Studie an hospitalisierten Erwachsenen, die bei Aufnahme in die Studie mindestens 65 Jahre alt waren und mit mindestens fünf verschiedenen Arzneimitteln behandelt wurden. Um potenziell unnötige Arzneimittel zu identifizieren, wurden die die Medikation und Komorbiditäten betreffenden Daten fachgerecht und unter Hinzuziehung von Expertenregeln analysiert. Berichte bezüglich einer empfohlenen Therapieanpassung (Absetzen unnötiger Arzneimittel) wurden dem Behandlungsteam übergeben und mit der üblichen Versorgung abgeglichen, um Arzneimittelnebenwirkungen nach Krankenhausentlassung zu verhindern.

Die MedSafer-Studienkohorte wurde nun einer theoretischen Behandlung mit Nirmatrelvir/Ritonavir ausgesetzt, um bei diesen Patienten mögliche Arzneimittelinteraktionen zwischen Nirmatrelvir/Ritonavir und der Erhaltungsmedikation zu identifizieren. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf zuvor identifizierte potenziell unnötige Arzneimittel (d.h. die im Vorfeld hätten abgesetzt werden sollen) gelegt. Die identifizierten Arzneimittelinteraktionen wurden von den Medizinern mit potenziellen Schäden in Verbindung gebracht.

Ergebnisse

In der MedSafer-Stuide waren 5698 Patienten (mittleres Alter 78 Jahre; 50,2% Frauen) eingeschlossen. Die mittlere Anzahl der Arzneimittel, die täglich von den Patienten zu Hause angewandt wurden, lag bei 10 (8-14) und der potenziell unnötigen Arzneimittel bei 2 (1-4). Von den 5698 Patienten hatten 3869 Patienten (67,9%) mindestens eine Verordnung mit interagierenden Arzneimitteln erhalten. Die meisten Arzneimittelinteraktionen wurden mit antithrombotischen Substanzen (2131 [37,4%]) oder mit Statinen (1901 [33,4%]) verzeichnet. Unter den 3869 Patienten mit interagierenden Arzneimittelverordnungen hatten 823 [21,3%] mindestens ein potenziell unnötiges Arzneimittel und davon hatten 627 [76,2%] ein hohes Risiko für Interaktionen mit Nirmatrelvir/Ritonavir.

Häufige Gelegenheiten für eine Reduktion von Arzneimittelverordnungen waren z.B. die duale Antikoagulanzien-Therapie ohne ein zuvor stattgefundenes koronares Ereignis bzw. eine Intervention (200 von 489 [41,0%]), die Verordnung von Alfuzosin oder Tamsulosin für benigne Prostatahypertrophie bei Personen mit orthostatischer Hypotonie oder wiederholten Stürzen (174 von 779 [22,3%]) sowie die Verordnung von Antipsychotika wie z.B. Clozapin und Quetiapin als Schlafmittel.

Fazit

Bei älteren Menschen mit üblicherweise vorhandener Polypharmazie ist bei einer Behandlung mit Nirmatrelvir/Ritonavir das Risiko für Arzneimittelinteraktionen groß. Viele dieser Interaktionen betreffen Arzneimittel, die nicht immer unbedingt erforderlich sind und im Vorfeld möglicherweise hätten abgesetzt werden können.

Aufgrund dieser potenziellen Arzneimittelinteraktionen können zahlreiche ältere Menschen im Fall einer COVID-19-Infektion nicht sicher mit Nirmatrelvir/Ritonavir behandelt werden und nicht alle dieser Arzneimittelinteraktionen lassen sich dann ad hoc durch Abbruch oder Dosisreduktion der Erhaltungsmedikation abschwächen. In manchen Fällen ist vorausschauendes Management erforderlich, so z.B. bei einer Therapie mit Benzodiazepinen oder Arzneimitteln mit verlängerter Halbwertzeit wie z.B. Amiodaron.

Deshalb sollte, im Hinblick auf eine eventuell notwendige Behandlung mit Nirmatrelvir/Ritonavir, bestenfalls vorab, z.B. im Rahmen einer Routineuntersuchung, spätestens aber beim ersten Auftreten von COVID-19-Symptomen die Erhaltungsmedikation bei älteren Personen überprüft und, falls erforderlich, angepasst werden. Das könnte den Anteil derjenigen erhöhen, die von einer Behandlung mit Nirmatrelvir/Ritonavir profitieren. Unabhängig davon könnte die Reduktion der Erhaltungsmedikation für ältere Menschen mit Polypharmazie prinzipiell von Vorteil sein. Die Autoren geben zu bedenken, dass die Aussagekraft der Studie durch den theoretischen Ansatz limitiert ist.

Autor:
Stand:
22.07.2022
Quelle:

Ross S.B. et al. (2022): Drug interactions with Nirmatrelvir-Ritonavir in older adults using multiple medication. JAMA Network Open, DOI:10.1001/jamanetworkopen.2022.20184

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