Neueinführung Spravato bei Depression

Mit Spravato (Esketamin) ist zum 1. März 2021 ein neues Medikament zur Behandlung einer therapieresistenten Major Depression oder zur Akutbehandlung eines psychiatrischen Notfalls auf den deutschen Markt gekommen. Es handelt sich um ein Nasenspray, das unter direkter Aufsicht von medizinischem Fachpersonal angewendet wird.

Nasenspray

Was ist Spravato und wofür wird es angewendet?

Bei Spravato handelt es sich um ein Nasenspray mit dem Wirkstoff Esketamin, also die enantiomerenreine Form des racemischen Narkosemittels Ketamin. Das Arzneimittel ist in Kombination mit einem SSRI oder SNRI bei Erwachsenen mit therapieresistenter Major Depression zugelassen, die in der aktuellen mittelgradigen bis schweren depressiven Episode auf mindestens zwei unterschiedliche Therapien mit Antidepressiva nicht angesprochen haben.

Darüber hinaus ist Spravato in Kombination mit einer oralen antidepressiven Therapie bei erwachsenen Patienten mit einer mittelgradigen bis schweren Episode einer Major Depression indiziert  als akute Kurzzeitbehandlung zur schnellen Reduktiondepressiver Symptome, die nach ärztlichem Ermessen einem psychiatrischen Notfall entsprechen.

In den USA ist Spravato bereits seit März 2019 verfügbar und das erste nasal applizierbare Antidepressivum.

Wie wird Spravato angewendet?

Spravato wird nasal unter direkter Aufsicht von medizinischem Fachpersonal angewendet und ist als 28 mg Nasenspray-Lösung erhältlich. Vor der Anwendung muss der Blutdruck des Patienten gemessen werden. Bei erhöhtem Blutdruck oder wenn ein erhöhter intrakranieller Druck ein schwerwiegendes Risiko darstellt, darf Spravato nicht angewendet werden.

Nach der Anwendung von Spravato sollte der Blutdruck etwa 40 Minuten sowie anschließend nach klinischem Ermessen erneut kontrolliert werden.

Wegen des möglichen Auftretensvon Sedierung, Dissoziation und erhöhtem Blutdruck müssen die Patienten von medizinischem Fachpersonal überwacht werden, bis der Patient nach klinischer Einschätzung stabil genug ist, um entlassen zu werden.

Das BfArM hat einen Leitfaden für die sichere Anwendung für Patienten herausgegeben.

Anwendungshinweise

Dosierung

In Behandlungswoche 1-4 wird Spravato zweimal wöchentlich angewendet. Die Initialdosis beträgt 56 mg Esketamin. Danach beträgt die Dosis entweder 56 mg oder 84 mg Esketamin.
In Behandlungswoche 5-8 wird Spravato nur noch einmal wöchentlich mit einer Dosis von 56 mg oder 84 mg angewendet.
Ab Behandlungswoche 9 wird Spravato lediglich alle zwei Wochen oder einmal wöchentlich (je nach Ansprechen) mit einer Dosis von 56 mg oder 84 mg angewendet.

Wie wirkt Spravato?

Der Wirkmechanismus, der zur antidepressiven Wirkung von Esketamin führt, ist weitgehend ungeklärt. Es wird angenommen, dass die antidepressive Wirkung von Esketamin über einen Antagonismus auf den N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptor (NMDAR) vermittelt wird, der eine vorübergehende Erhöhung der Glutamatfreisetzung bewirkt. Diese bedingt eine vermehrte Stimulation des α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolpropionsäure-Rezeptors (AMPA-Rezeptor) und in der Folge eine erhöhte Neurotrophin-induzierte Signalweiterleitung. Dieser Mechanismus kann zu einer Wiederherstellung der synaptischen Funktionen in den Hirnregionen beitragen, die für die Stimmungs- und Emotionsregulation zuständig sind. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass die antidepressive Wirkung über die Aktivierung des AMPA-Rezeptors durch den Metaboliten (2S,6S;2R,6R)-Hydroxynorketamine (HNK) verursacht wird.

Die Vorteile von Spravato seien laut CHMP die Fähigkeit ein breites Spektrum an depressiven Symptomen bei Patienten mit einer mittelschweren bis schweren depressiven Episode zu reduzieren

Gegenanzeigen

Spravato darf nicht angewendet werden bei:

  • Aneurysmatischen Gefäßerkrankungen
  • Arteriovenösen Fehlbildungen
  • Intrazerebraler Blutung in der Anamnese
  • Überempfindlichkeit gegen Esketamin oder Ketamin
  • Kürzlich (innerhalb der letzten 6 Wochen) erfolgtes kardiovaskuläres Ereignis einschließlich Myokardinfarkt

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen bei der Anwendung von Spravato sind:

  • Schwindelgefühl (31%)
  • Dissoziation (27%)
  • Übelkeit (27%)
  • Kopfschmerzen (23%)
  • Somnolenz (18%)
  • Dysgeusie (18%)
  • Vertigo (16%)
  • Hypästhesie (11%)
  • Erbrechen (11%)
  • erhöhter Blutdruck (10%)

Warnhinweise

Folgende Warnhinweise sind bei der Anwendung von Esketamin-Nasenspray zu beachten:

  • Blutdruckanstieg: Patienten mit kardiovaskulären und zerebrovaskulären Erkrankungen und Risikofaktoren haben möglicherweise ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen
  • Kognitive Beeinträchtigung: Spravato kann die Aufmerksamkeit, das Urteilsvermögen, das Denken, die Reaktionsgeschwindigkeit und die motorischen Fähigkeiten beeinträchtigen
  • Beeinträchtigte Verkehrstüchtigkeit und Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen
  • Embryofetale Toxizität: Esketamin kann den Fötus schädigen

Wechselwirkungen

Folgende Verbindungen können bei gleichzeitiger Anwendung mit Esketamin zu Wechselwirkungen führen:

  • Zentral dämpfende Arzneimittel (z. B. Benzodiazepine, Opioide, Alkohol) können die Sedierung verstärken
  • Psychostimulanzien (z.B. Amphetamine, Methylphenidat, Modafinil, Armodafinil) können den Blutdruck weiter erhöhen
  • Monoaminoxidasehemmer (MAOIs) können den Blutdruck weiter erhöhen

Studienlage

In zwei klinischen Phase-III-Studien (ASPIRE I & II) wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Esketamin-Nasenspray bei erwachsenen Patienten mit Major Depression untersucht.
Die doppelblinden, randomisierten, placebokontrollierten, multizentrischen Studien erfüllten beide ihren jeweiligen primären Wirksamkeitsendpunkt, der eine Verringerung der depressiven Symptome 24 Stunden nach der ersten Dosis darstellte, gemessen anhand der Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale (MADRS). In beiden Studien zeigte Esketamin-Nasenspray 84 mg plus SOC (comprehensive standard of care: Duloxetin, Escitalopram, Sertralin oder Venlafaxin mit verlängerter Freisetzung) eine klinisch bedeutsame und statistisch signifikante Überlegenheit (p = 0,006) gegenüber Placebo plus SOC bei der raschen Verringerung der Symptome einer Major Depression. Bereits vier Stunden nach der ersten Gabe von Esketamin zeigte sich bei den Patienten eine erste Besserung der Symptome. Dieser schnelle Wirkeintritt ist bisher einzigartig unter den herkömmlichen Antidepressia.
Zwischen vier Stunden und 25 Tagen verbesserten sich sowohl die Esketamin- als auch die Placebo-Gruppe (plus SOC) weiter. In den ASPIRE I & II-Studien erreichten 54 Prozent bzw. 47 Prozent der Esketamin plus SOC-Gruppe eine Remission (MADRS-Score ≤ 12) am Ende der Doppelblindperiode. Die klinische Besserung blieb während der neunwöchigen Nachbeobachtungsphase in beiden Behandlungsgruppen erhalten.

Die Zulassung von Esketamin-Nasenspray erfolgt auf der Grundlage von 3 randomisierten Parallelstudien (TRANSFORM 1 bis 3) und einer randomisierten Langzeitanwendung (SUSTAIN-1). Nur in einer der 3 Studien konnte ein signifikanter Vorteil von Esketamin  gegenüber herkömmlichen Behandlungsmethoden nachgewiesen werden.

Zusammengefasst scheint Esketamin-Nasenspray eine nachhaltigere Verbesserung der depressiven Symptomatik zu bewirken und zeichnet sich vor allem durch seinen sehr schnellen Wirkeintritt gegenüber klassischen Antidepressiva aus.

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