Paracetamol

Paracetamol kann in einer Einzeldosis von 1000 mg bei Migräne wirksam sein. Die Evidenz ist schlechter als für andere Substanzen. Für 500 mg Paracetamol ist die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt.

Paracetamol Tabletten

Paracetamol (z. B. Paracetamol-ratiopharm 500 mg Tabletten, Paracetamol Dexcel 500 mg Tabletten, Paracetamol dura 500 mg Tabletten) zeichnet sich durch gute antipyretische und etwas schwächere analgetische Wirkungen aus. Anders als bei den NSARs sind die antiphlogistischen Eigenschaften schwach ausgeprägt. Das liegt vermutlich daran, dass Paracetamol die Cyclooxygenasen am Entzündungsort nicht ausreichend hemmt. Die analgetische Wirkung soll in erster Linie auf eine zentrale Wirkung zurückgehen. Der genaue Mechanismus ist aber noch nicht aufgeklärt [7].

Was ist zu beachten?

OTC-Präparate mit Paracetamol sind zur Behandlung von leichten bis moderaten Schmerzen und/oder Fieber zugelassen. Zu beachten sind die geringe therapeutische Breite und die Hepatotoxizität. Erwachsene können als Einzeldosis 500 mg bis 1000 mg Paracetamol einnehmen, die Tageshöchstdosis von 4000 mg darf allerdings nicht überschritten werden [7].

Kinder

Laut der S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ von 2018 ist Paracetamol 15 mg/kg KG das Mittel zweiter Wahl zur Behandlung von Migräneattacken bei Kindern. Die kritische kumulative Dosierung ist zu beachten. So darf pro Tag nicht mehr als 50mg/kg/KG verabreicht werden [1,7].

Schwangerschaft und Stillzeit

Paracetamol ist Mittel der zweiten Wahl zwischen dem ersten und zweiten Trimenon und sollte nur dann gegeben werden, wenn es Kontraindikationen für Acetylsalicylsäure (ASS) gibt [1]. In der Stillzeit gilt Paracetamol allgemein zur Schmerzbehandlung als Mittel der Wahl neben Ibuprofen [9]. Zu beachten ist allerdings, dass laut Studienlage Ibuprofen die überlegenere Wirkung bei Migräne hat.

Wichtige Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Paracetamol ist in der Regel gut verträglich. Zu beachten ist aber, dass der Arzneistoff hepatotoxisch ist. Patienten mit einer schweren Lebeinsuffizienz dürfen Paracetamol nicht anwenden [7].

Studienlage

Die deutsche S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ von 2018 weist daraufhin, dass die Wirkung von Paracetamol bei Migräneattacken nicht ausreichend belegt ist, das Analgetikum aber dennoch seinen Stellenwert habe. Nach Haag et al. zählt Paracetamol als Monotherapie zu den wissenschaftlich erprobten Arzneistoffen für die Behandlung von Migräne und wird als Erstlinientherapie empfohlen [6].

2015 verglichen Moore et al. in einer Übersichtsarbeit zu systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen die beiden Analgetika Ibuprofen und Paracetamol in Standarddosen direkt oder indirekt, d.h. im Vergleich mit Placebo, bei bestimmten Schmerzzuständen, wozu auch Migräne zählte. Sie schlossen sechzehn systematische Übersichtsarbeiten und vier individuelle Patientendaten-Metaanalysen ein. Ibuprofen war Paracetamol in konventionellen Dosierungen bei einer Reihe von Schmerzzuständen durchweg überlegen. Zwei direkte Vergleiche favorisierten Ibuprofen (akute Schmerzen, Arthrose), ebenso drei von vier indirekten Vergleichen (akute Schmerzen, Migräne, Arthrose). Die Autoren schlussfolgerten, dass in Standarddosen bei verschiedenen Schmerzzuständen Ibuprofen in der Regel überlegen sei. Sie wiesen aber auch daraufhin, dass keines der Medikamente für alle wirksam sein könne und beide werden benötigt würden [15].

Derry und Moore untersuchten 2013 in einem aktualisierten Cochrane Review die Wirksamkeit von Paracetamol alleine oder in Kombination mit einem Antiemetikum in der Akuttherapie der Migräne. Insgesamt elf randomisierte, doppelblinde Studien (2942 Teilnehmer, 5109 Attacken), die Paracetamol 1000 mg allein oder in Kombination mit einem Antiemetikum mit Placebo oder aktiven Vergleichspräparaten, hauptsächlich Sumatriptan 100 mg, verglichen, werteten die Autoren aus. Es zeigte sich, dass bei allen Wirksamkeitsergebnissen Paracetamol Placebo überlegen war. Die Autoren schlussfolgerten, dass Paracetamol 1000 mg allein Placebo bei der Behandlung akuter Migräne statistisch überlegen sei, die Schmerzfreiheit mit anderen häufig verwendeten Analgetika aber schneller erreicht werden könne. Angesichts der niedrigen Kosten und der breiten Verfügbarkeit sei Paracetamol dennoch ein nützliches Medikament der ersten Wahl für akute Migräne bei Patienten mit Kontraindikationen für nicht-steroidale Antirheumatika (NSARs) sein oder wenn ASS nicht vertragen werde. Die Zugabe von 10 mg Metoclopramid entspreche der Wirkung von oralem Sumatriptan 100 mg [20].

2000 erhoben Lipton et al. systematische Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Paracetamol. Dazu führten sie eine randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie durch, in der orales Paracetamol in der Dosierung von 1000 mg (zwei 500 mg Tabletten) mit Placebo zur Behandlung eines einzelnen akuten Migräneanfalls verglichen wurde. Die Ansprechrate der Kopfschmerzen zwei Stunden nach der Einnahme betrug 57,8% in der Paracetamol-Gruppe und 38,7% in der Placebo-Gruppe. Es waren nach zwei Stunden mehr Patienten in der Paracetamol-Gruppe (22,4%) schmerzfrei als in der Placebo-Gruppe (11,3%) und auch bezogen auf die Besserung von Funktionsstörungen, Photophobie und Phonophobie war Paracetamol überlegen. Die Autoren hoben zudem das ausgezeichnete Sicherheitsprofil des Wirkstoffs hervor [21].

Autor:
Stand:
04.08.2022
Quelle:
  1. Diener et al. (2018): Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, Registernummer 030 – 057. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.); (abgerufen am 03.08.2022)
  2. Neubeck: Evidenzbasierte Selbstmedikation, Deutscher Apotheker Verlag, 5. Auflage 2021
  3. Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG): Migräne. (abgerufen am 20.06.2022)
  4. Internationale Kopfschmerzgesellschaft (2018). 3. Auflage der Internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen. Online: ICHD-3), (aufgerufen am 20.06.2022)
  5. Schmerzklinik Kiel. Mögliche Auslöser der Attacken; (abgerufen am 20.06.2022)
  6. Haag et al. (2009): Self medication in migraine and tension type headache – guidelines of the German, Austrian and Swiss headache societies and the German Society of Neurology. Nervenheilkunde, DOI: 10.1007/s10194-010-0266-4
  7. Geisslinger et al. (2020): Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11., völlig neu bearbeitete Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  8. Bayer Vital GmbH: Fachinformation Aspirin. Stand: Februar 2022
  9. Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité - Universitätsmedizin, Campus Virchow- Klinikum (Embryotox); (abgerufen am 31.07.2022)
  10. Kirthi, Derry, Moore (2013): Aspirin with or without an antiemetic for acute migraine headaches in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews, DOI:10.1002/14651858
  11. VanderPluym et al. (2021): Acute Treatments for Episodic Migraine in Adults. A Systematic Review and Meta-analysis. The Journal of the American Medical Association, DOI: 10.1001/jama.2021.7939
  12. Marmura, Silberstein, Schwedt (2015): The acute treatment of migraine in adults: the American Headache Society evidence assessment of migraine pharmacotherapies. Headache, DOI:10.1111/head.12499
  13. Rabbie, Derry, Moore (2013): Ibuprofen with or without an antiemetic for acute mi-graine headaches in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews, DOI: 10.1002/14651858.CD008039.pub3
  14. Kellstein et al. (2000): Evaluation of a novel solubilized formulation of ibuprofen in the treatment of migraine headache: a randomized, double-blind, placebo-controlled, dose-ranging study. Cephalalgia, DOI: 10.1046/j.1468-2982.2000.00055.x
  15. Moore at al. (2015): Overview review: Comparative efficacy of oral ibuprofen and paracetamol (acetaminophen) across acute and chronic pain conditions. European journal of pain, DOI: 10.1002/ejp.649
  16. Suthisisang et al. (2007): Efficacy of low-dose ibuprofen in acute migraine treatment: systematic review and meta-analysis. Annals of Pharmacotherapy, DOI: 10.1345/aph.1K121
  17. Diener et al. (2006): Efficacy and tolerability of diclofenac potassium sachets in migraine: a randomized, double-blind, cross-over study in comparison with diclofenac potassium tablets and placebo. Cephalalgia, DOI: 10.1111/j.1468-2982.2005.01064.x
  18. Massiou et al. (1991): Effectiveness of oral diclofenac in the acute treatment of common migraine attacks: a double-blind study versus placebo. Cephalalgia, DOI: 10.1046/j.1468-2982.1991.1102059.x
  19. Peroutka et al. (2004): Efficacy of diclofenac sodium softgel 100 mg with or without caffeine 100 mg in migraine without aura: a randomized, double-blind, crossover study. Headache, DOI: 10.1111/j.1526-4610.2004.04029.x
  20. Derry, Moore (2013): Paracetamol (acetaminophen) with or without an anti- emetic for acute migraine headaches in adults. Cochrane Database Syst Rev., DOI: 10.1002/14651858.CD008040.pub3
  21. Lipton et al. (2000): Efficacy and safety of acetaminophen in the treatment of migraine—results of a randomized, double-blind, placebo-controlled, population-based study. Archives of internal medicine, DOI: 10.1001/archinte.160.22.3486
  22. Thorlund et al. (2014): Comparative efficacy of triptans for the abortive treatment of migraine: A multiple treatment comparison meta-analysis. Cephalalgia, DOI: 10.1177/0333102413508661
  23. Cameron et al. (2015): Triptans in the Acute Treatment of Migraine: A Systematic Review and Network Meta-Analysis. Headache, DOI: 10.1111/head.12601
  24. Ferrari et al. (2001): Oral triptans (serotonin 5-HT(1B/1D) ago-nists) in acute migraine treatment: a meta-analysis of 53 trials. Lancet, DOI: 10.1016/S0140-6736(01)06711-3
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  27. Thorlund et al. (2017): Comparative tolerability of treatments for acute migraine: A network meta-analysis. Cephalalgia, DOI: 10.1177/0333102416660552
  28. Krewel Meuselbach GmbH: Gebrauchsinformation Migräne-Kranit 500 mg Tabletten. Stand der Information Juli 2013
  29. Göbel et al. (2004): Efficacy of phenazone in the treatment of acute migraine attacks: a double-blind, placebo-controlled, randomized study. Cephalalgia, DOI: 10.1111/j.1468-2982.2004.00764.x
  30. ratiopharm Gmb: Fachinformation Naproxen-ratiopharm Schmerztabletten Stand der Information Juli 2018
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  37. Silberstein (2009): Menstrual migraine. Journal of Women's Health & Gender-Based Medicine, doi: 10.1089/jwh.1.1999.8.919
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