Neues Antibiotikum bei komplizierten Harnwegsinfekten

Ein neues Aminoglykosid-Antibiotikum, Plazomicin, ist in einer klinischen Phase-III-Studie dem Vergleichsantibiotikum Meropenem nicht unterlegen. Getestet wurde seine Wirksamkeit bei komplizierten Harnwegsinfekten in Europa und Nordamerika.

Bakterien

Hintergrund

Harnwegsinfektionen gehören sowohl ambulant als auch stationär zu den häufigen Infekten. In den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) alleine stellten sich zwischen 2006 und 2009 mehr als 10 Millionen Patienten mit Harnwegsinfekten in den Notaufnahmen der Kliniken vor. Drei Millionen Patienten müssen in den USA Schätzungen zufolge pro Jahr wegen komplizierter Harnwegsinfekten behandelt werden. Das stellt Ärzte und Wissenschaftler vor ein stetig größer werdendes Problem: „Die wirksame Behandlung von komplizierten Harnwegsinfektionen wird durch das wachsende Problem der Antibiotikaresistenz zunehmend erschwert“, erläutert Professor Florian Wagenlehner von der Justus-Liebig-Universität in Gießen, Erstautor der Studie [1]. Die Folgen sind längere Krankenhausaufenthalte, steigende Kosten und ein höheres Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen und Todesfälle.

In der internationalen randomisierten klinischen Phase-III-Studie EPIC (Evaluating Plazomicin In CUTI) haben Wissenschaftler um Wagenlehner und seinen Partnern von der University of California, Los Angeles deshalb nun Plazomicin auf seine Wirksamkeit bei komplizierten Harnwegsinfekten getestet.

Zielsetzung

Eine größer werdende Zahl an Bakterienstämmen, die komplizierte Harnwegsinfekte auslösen können, sind resistent gegen Cephalosporine und Carbapeneme. Sie sind häufiger in der Lage, Aminoglykosid-modifizierende Enzyme zu bilden und so Resistenzen auszubilden. In der Phase-III-Studie wollten die Wissenschaftler überprüfen, ob Plazomicin im Vergleich dem Reserveantibiotikum Meropenem unterlegen ist [2].

Methodik

388 erwachsene Patienten wurden an 68 Kliniken in Nordamerika und Europa in die Studie aufgenommen. 191 dieser Patienten wurden randomisiert dem Plazomicinarm der Studie zugeteilt, 197 dem Meropenemarm. Eingeschlossen in die Studie wurden nur Patienten, die eine Kreatininclearance von mindestens 30 ml/min hatten, die Kriterien für eine komplizierte Harnwegsinfektion oder eine akute Pyelonephritis erfüllten und keine gegen Meropenem resistenten Bakterienstämme hatten.

Die Patienten wurden für vier Tage intravenös mit Plazomicin (15mg pro kg Körpergewicht pro Tag) oder Meropenem (1g alle 8 Stunden) behandelt. Anschließend erhielten sie entweder eine orale Step-down-Therapie mit Levofloxacin oder, falls kontraindiziert, mit anderen vergleichbaren Agenzien oder eine verlängerte intravenöse Therapie.

Die primären Endpunkte waren ein Composite aus klinischer Heilung und einer mikrobiologischen Eradikation erstmals an Tag 5 und bei einer Nachuntersuchung nach 15 bis 19 Tagen („Test-of-cure“-Visite). Klinische Heilung wurde definiert als Abnahme der Erkrankungsschwere, mikrobiologische Eradikation als Absinken der Uropathogenlast auf weniger als 104 koloniebildende Einheiten pro Milliliter.

Ergebnisse

Am fünften Tag der Behandlung lag die Composite-Heilung für Patienten im Plazomicinarm der Studie bei 88,0% und bei 91,4% im Meropenemarm. Bei der Nachuntersuchung, der Test-of-Cure-Heilung, 15 bis 19 Tage nach Therapiebeginn, lag sie für Plazomicin immer noch bei 81,7%, für Meropenem bei 70,1%. Auch bei späteren Nachuntersuchungen 24 bis 32 Tage nach Therapiebeginn war die Rezidivrate unter Plazomicintherapie deutlich geringer mit 1,6% im Vergleich zu 7,1% für Meropenem, inklusive erneutem Auftreten von Erregern.

Auch bei der Eradikation von Bakterienstämmen, die nicht empfindlich auf Aminoglykoside reagierten, war Plazomicin (78,8%) dem Vergleichsantibiotikum Meropenem (68,6%) überlegen.

Nebenwirkungen

Unter den mit Plazomicin behandelten Patienten gaben 19,5% Nebenwirkungen an. Vor allem Durchfall, Bluthochdruck sowie Hypotension, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen zählten zu den unerwünschten Wirkungen. In einigen wenigen Fällen kam es zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion sowie einem Anstieg der Kreatininkonzentration und ototoxischen Ereignissen.

Fazit

Basierend auf ihren Studienergebnissen schlussfolgern die Wissenschaftler, dass eine Gabe von Plazomicin einmal am Tag Meropenem bei komplizierten Harnwegsinfektionen und akuter Polynephritis durch Enterobakterien nicht unterlegen ist. Darin eingeschlossen sind besonders auch multi-resistente Bakterienstämme.

„Die EPIC-Studie hat gezeigt, dass Plazomicin gegenüber Meropenem bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit komplizierten HWI, einschließlich akuter Pyelonephritis, nicht unterlegen war“, so Wagenlehner.

Die Studie wurde gefördert durch Achaogen und die Biomedical Advanced Research and Development Authority der Vereinigten Staaten von Amerika.

Autor:
Stand:
11.03.2019
Quelle:
  1. Justus-Liebig-Universität Gießen, Pressemeldung, 28. Februar 2019
  2. Wagenlehner et al. (2019): Once-Daily Plazomicin for Complicated Urinary Tract Infections. New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa1801467
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige

Orphan Disease Finder

Orphan Disease Finder

Hier können Sie seltene Erkrankungen nach Symptomen suchen:

 

Seltene Krankheiten von A-Z
Schwerpunkt Seltene Erkrankungen