Aminoglykosid-Antibiotika

Aminoglykoside bzw. Aminoglykosid-Antibiotika sind eine heterogene Gruppe von Oligosaccharid-Antibiotika. Sie besitzen ein sehr breites Wirkungsspektrum. Sowohl gramnegative als auch grampositive Keime sind empfindlich. Allerdings sind ernste Nebenwirkungen, insbesondere eine Ototoxizität möglich, welche ihre therapeutische Anwendung einschränkt.

Anwendung

Der Anwendungsschwerpunkt von Aminoglykosiden liegt bei Infektionen mit problematischen Erregern. Sie wirken hauptsächlich gegen gramnegative Enterobakterien, teilweise auch gegen Pseudomonas aeruginosa sowie grampositive Staphylokokken. Gegen anaerobe Bakterien sind sie wirkungslos.

Anwendungsart

Während Neomycin, Paromomycin und Kanamycin ausschließlich lokal angewendet werden, wird Gentamicin auch zur systemischen Therapie eingesetzt. Streptomycin wird ausschließlich parenteral verabreicht.

Wirkmechanismus

Aminoglykoside binden an die 16S-rRNA der 30s-Unterheit bakterieller Ribosomen, wodurch sie die Anlagerung falscher Aminoacyl-tRNAs induzieren und somit die Translation stören. Die so erzeugten Nonsense-Proteine können vom Bakterium nicht verwendet werden und das Bakterium stirbt ab.

Die Aminoglykosid-Antibiotika wirken bakterizid.

Aminoglycoside

Eigenschaften von Aminoglykosiden

Aminoglykoside sind sehr gut wasserlösliche Basen. Unter physiologischen Bedingungen liegen sie als Polykationen vor. Aufgrund ihrer polaren Eigenschaften passieren sie nur sehr langsam Membranen und werden nach oraler Gabe praktisch nicht resorbiert. Sie werden deshalb entweder parenteral oder topisch appliziert. Nach parenteraler Applikation verteilen sie sich im Extrazellulärraum. Im Intrazellularraum werden hingegen keine antibakteriell wirksamen Konzentrationen erreicht. Lediglich in den Zellen des proximalen Tubulus der Niere und im Innenohr werden relativ hohe intrazelluläre Konzentrationen erreicht (CAVE: Nephro- und Ototoxizität).

Aminoglykoside werden mit Halbwertszeiten von etwa 1,5 bis 2 Stunden durch glomeruläre Filtration rasch renal eliminiert, wohingegen die Elimination aus der Niere jedoch sehr lange dauert: noch Wochen nach der Behandlung können diese im Nierengewebe nachweisen werden. Eine eingeschränkte Nierenfunktion verzögert die Ausscheidung von Aminoglykosiden, wodurch für diese Patienten das Risiko für toxische Effekte erhöht ist. Daher muss vor Therapiebeginn mit Aminoglykosiden die Nierenfunktion überprüft werden und gegebenenfalls die Dosis reduziert werden.

Aufgrund ihrer kurzen Halbwertszeit wurden Aminoglykoside dreimal täglich gegeben. Studien haben jedoch gezeigt, dass aufgrund der nachhaltigen Wachstumshemmung der Erreger durch  Aminoglykoside und der Tatsache, dass deren Toxizität weniger mit den Spitzenspiegeln als vielmehr mit den Talspiegeln korreliert, auch die gesamte Tagesdosis auf einmal angewendet werden kann. Die Verträglichkeit war sogar bei der einmal täglichen Anwendung günstiger.

Nebenwirkungen

Unter der Anwendung von Aminoglykosiden sind folgende Nebenwirkungen möglich:

  • Aminoglykoside diffundieren dosisabhängig in die Peri- und Endolymphe des Innenohres. Sie werden von dort erheblich langsamer eliminiert als aus dem Plasma und entfalten an dieser Stelle ihre zytotoxische Wirkung.
  • Die Ototoxizität ist irreversibel, wenn die Medikation nicht sofort abgebrochen wird. Symptome sind Druckgefühl und Ohrensausen sowie ein bei hohen Frequenzen beginnender und zunächst nur audiometrisch nachweisbarer Verlust der Schallempfindlichkeit.
  • Die Vestibularisschädigung äußert sich als Übelkeit, Schwindelgefühl und Gangunsicherheit.
  • Nephrotoxische Potenz, sie kann durch Bestimmung des Serumkreatinins sowie eine Kontrolle der Aminoglykosidspiegel am Ende des Applikationsintervalls erkannt werden
  • Neuromuskuläre Blockaden durch Hemmung der Acetylcholinfreisetzung bei Patienten mit Myasthenie und unter Therapie mit kurareähnlichen Substanzen
  • Allergische Reaktionen kommen sowohl bei systemischer als auch, besonders häufig, bei topischer Anwendung vor

Wechselwirkungen

Folgende Wechselwirkungen sind für Aminoglykoside beschrieben worden:

  • erhöhtes Nebenwirkungsrisiko in Kombination mit anderen nephrotoxischen Substanzen
  • Verstärkung neuromuskulär blockierender Eigenschaften durch Muskelrelaxantien
  • Betalaktam-Antibiotika: Hohe Aminoglykosid-Konzentrationen können zu chemischen Veränderungen an Betalaktamen führen und einen Wirkungsverlust verursachen. Deshalb sollte bei Kombination beide Substanzen zeitlich versetzt und örtlich versetzt gegeben werden, also mit separaten Infusionsleitungen.

Kontraindikationen

Aminoglycoside besitzen folgende Gegenanzeigen:

  • Gravidität
  • bekannte Cochlearis- und Vestibularisschäden
  • Myasthenia gravis
  • lokale Applikation in den Gehörgang

Wirkstoffe

Es gibt folgende Gruppen von Aminoglykosid-Antibiotika:

Quelle:
  1. Medizinische Chemie; Dieter Steinhilber, Manfred Schubert-Zsilavecz, Hermann J. Roth, 2. Auflage 2010
  2. Arzneiverordnungen, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, 2009
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