Topoisomerase-I-Inhibitoren

Topoisomerase-I-Inhibitoren sind eine Klasse von Wirkstoffen, die das Enzym Topoisomerase I hemmen. Hierdurch kommt es zu Doppelstrangbrüchen der DNA und somit zu einem Abbruch der DNA-Replikation. Aufgrund dieser Tatsache werden Topoisomerase-I-Inhibitoren als Zytostatika zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen angewendet.

Topoisomerase-I-Hemmer

Anwendung

Topoisomerase-I-Inhibitoren werden als Zytostatika angewendet zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen wie bspw. Kolorektalkarzinom, Ovarialkarzinom, kleinzelligen Lungenkarzinom (SCLC) oder Zervixkarzinom.

Wirkung

Der Mensch kodiert sechs Topoisomerasen: TOP1, TOP1MT, TOP2α, TOP2β, TOP3α und TOP3β, welche die DNA verpacken und entpacken. Das Genom ist in Chromosomenschleifen organisiert. Die Trennung der beiden DNA-Stränge während der Transkription und Replikation erzeugt Torsionsspannung und Supercoils, die durch Topoisomerasen aufgelöst werden.

Während TOP1 wie alle sechs menschlichen Topoisomerasen DNA-negatives Supercoiling entfernt, lösen nur TOP2α und TOP2β DNA-Knoten und ineinander verschlungene DNA-Kreise auf, wenn sie beide DNA-Stränge spalten. In allen Fällen ändern Topoisomerasen den topologischen Zustand von Nukleinsäuren, indem sie Topoisomerase-Spaltungskomplexe (TOPCCs) bilden, die es einer intakten DNA oder RNA ermöglichen, die in der DNA (oder RNA für TOP3β) erzeugten Topoisomerase-gebundenen Brüche zu passieren.

Das Pflanzenalkaloid Camptothecin und seine klinischen Derivate Topotecan und Irinotecan zielen auf TOP1CCs ab, indem sie an der Schnittstelle von TOP1CCs eine ternären Komplex mit TOP1-DNA bilden. Die Bindung verhindert, dass DNA-Strangbrüche wieder verschlossen werden können, wodurch die Replikationsgabel der DNA blockiert wird. In der Folge kommt es zum Abbruch der Replikation Die zytotoxische Wirkung erwies sich als zeitabhängig und S-Phase spezifisch.

Irinotecan ist ein Prodrug, welches durch Carboxylesterasen in seinen aktiven Metaboliten SN-38 umgewandelt wirid. Die Pharmakokinetik von Irinotecan und SN-38 hängt von einem pH-abhängigen Gleichgewicht zwischen den aktiven Lacton- und inaktiven Carboxylatformen ab. SN-38 besitzt eine mittlere terminale Halbwertszeit von ~10–20 Stunden.

Topotecan unterliegt einer reversiblen Hydrolyse zur inaktiven Carboxylatform mit offenem Ring, die bei physiologischem pH vorherrscht. Die terminale Halbwertszeit von Topotecan beträgt nur 2–3 Stunden, was seine Wirksamkeit einschränkt, da eine anhaltende Arzneimittelexposition erforderlich ist, um die TOP1CCs aufrechtzuerhalten, bis Replikations-/Transkriptionskollisionen zum Zelltod führen.

Topoisomerase-Hemmer

Nebenwirkungen

Die dosislimitierenden Toxizitäten von Irinotecan sind Myelosuppression und Durchfall mit einer Inzidenz von etwa 15 bis 20%. Frühzeitiger Durchfall innerhalb weniger Stunden nach der Verabreichung steht im Zusammenhang mit einem cholinergen Schub aufgrund der Hemmung der Acetylcholinesterase. Spätdurchfall, der nach 24 Stunden auftritt, ist unvorhersehbar und kann bei 23–31% der Patienten schwerwiegend oder lebensbedrohlich sein. Direkte mukosale Zytotoxizität durch Dekonjugation von freiem intestinalem SN-38 oder SN-38G (durch bakterielle b-Glucuronidase zurück zu SN-38) liegt der späten Diarrhoe zugrunde. SN-38-induzierte Apoptose und Hypoproliferation im Darm verursacht Dickdarmschäden mit Veränderungen in Becherzellen und Mucinsekretion. Personen, die homozygot für das UGT1A1*28-Allel sind (10% der Nordamerikaner) (UGT1A1 7/7-Genotyp) haben darüber hinaus ein erhöhtes Risiko für Neutropenie.

Die dosislimitierende Toxizität von Topotecan ist eine Myelosuppression mit potenziell schwerer Neutropenie und Thrombozytopenie, die bei etwa 80% bzw. 30% der Patienten auftritt.

Kontraindikationen

Für die Anwendung von Topotecan gelten folgende Gegenanzeigen:

  • schwerer Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile
  • bereits vor Beginn des ersten Zyklus bestehende schwere Knochenmarkdepression, bei einer Neutrophilenzahl von < 1,5 x 109/l und/oder Thrombozytenzahl von  ≤ 100 x 109/l
  • Stillzeit

Irinotecan darf nicht angewendet werden bei:

  • Chronisch-entzündlicher Darmerkrankung und/oder Darmverschluss
  • Bekannter schwerer Überempfindlichkeitsreaktion gegenüber Irinotecan
  • Stillzeit
  • Bilirubinwert >3-fachem oberem Normwert
  • Schwerer Funktionsstörung des Knochenmarks
  • WHO Performance-Status >2  
  • Gleichzeitiger Anwendung von Johanniskrautpräparaten

Wirkstoffe

Vertreter der Topoisomerase-I-Inhibitoren sind:

Hinweise

  • Wie andere zytotoxische Arzneimittel können auch Topotecan und Irinotecan zu einer schweren Myelosuppression führen, die zu Sepsis und Todesfällen führen kann. Das Blutbild (einschließlich der Thrombozytenzahl) sollte deshalb bei den Patienten regelmäßig bestimmt werden.
  • Topotecan und Irinotecan wurden mit Berichten über interstitielle Lungenerkrankungen, von denen einige tödlich verliefen, in Verbindung gebracht. Patienten sollten deshalb auf pulmonale Symptome, die auf eine interstitielle Lungenerkrankung hinweisen können (z. B. Husten, Fieber, Dyspnoe und/oder Hypoxie), überwacht werden.
  • Topotecan wird zum Teil renal eliminiert, weshalb eine Nierenfunktionsstörung zu einer erhöhten Exposition von Topotecan führen kann.
  • Patienten müssen über das Risiko einer verzögert einsetzenden Diarrhö, die mehr als 24 Stunden nach der Verabreichung und jederzeit vor dem nächsten Behandlungszyklus auftreten kann, in Kenntnis gesetzt werden.
  • Während der Behandlung wird eine wöchentliche Überwachung des großen Blutbilds empfohlen.
  • Vor Behandlungsbeginn und vor jedem Behandlungszyklus mit Irinotecan müssen Leberfunktionstests durchgeführt werden.
  • Vor jeder Verabreichung wird die prophylaktische Gabe eines Antiemetikums empfohlen, da Übelkeit und Erbrechen häufig auftreten.
  • Wenn ein akutes cholinerges Syndrom auftritt (früh einsetzende Diarrhö und Symptome wie Schwitzen, Bauchkrämpfe, Miosis und Speichelfluss), sollte, sofern nicht klinisch kontraindiziert, Atropinsulfat (0,25 mg subkutan) verabreicht werden.
  • Myokardiale ischämische Ereignisse wurden nach einer Therapie mit Irinotecan überwiegend bei Patienten berichtet, die an Herzerkrankungen, anderen bekannten Risikofaktoren für Herzerkrankungen litten oder zuvor eine zytotoxische Chemotherapie erhielten.
  • Die Anwendung von Lebend- oder attenuierten Lebendimpfstoffen bei Patienten, die durch chemotherapeutische Arzneimittel wie Irinotecan oder Topotecan immunsuppressiert sind, kann zu schweren oder tödlichen Infektionen führen.
  • Während der Behandlung und mindestens drei Monate lang nach Therapieende müssen Patientinnen im gebärfähigen Alter und auch Patienten männlichen Geschlechts eine wirksame Empfängnisverhütung durchführen.
Quelle:
  1. Thomas, Anish, and Yves Pommier. “Targeting Topoisomerase I in the Era of Precision Medicine.” Clinical cancer research : an official journal of the American Association for Cancer Research vol. 25,22 (2019): 6581-6589. doi:10.1158/1078-0432.CCR-19-1089
  2. Fachinformation Irinotecan Accord
  3. Fachinformation Hycamtin

Abbildung

Adapted from „DNA Replisome (Eukaryotic Replication)”, by BioRender.com

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