
Arzneimittel-Lieferengpässe haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen und mittlerweile auch öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Derzeit scheint insbesondere der pädiatrische Bereich betroffen zu sein. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat kürzlich ein Eckpunktepapier vorgelegt, das die Grundlage für ein Gesetzespaket zur Vermeidung von Arzneimittellieferengpässen bilden soll. Darin sind auch explizite Maßnahmen zur Vermeidung und Abmilderung von Lieferengpässen bei Kinderarzneimitteln aufgeführt.
Die aktuellen Maßnahmen beschränken sich unter anderem auf die im Einzelfall erteilte Gestattung zum Inverkehrbringen von Präparaten in ausländischer Aufmachung, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) befristet nach §4 Abs. 1 Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) erteilt werden kann. Die Behörde hat diese Erlaubnis aufgrund bestehender Versorgungsgenpässe bestimmten Digoxin- sowie Ibuprofen- und Paracetamol-haltige Arzneimitteln erteilt.
Digoxin-Präparat in englischer Aufmachung
Die Herzglykoside Digoxin und Digitoxin sind Reservetherapeutika, die zwar selten, aber immer wieder zur Anwendung kommen. Anfang Dezember kündigte die Firma Merck Healthcare Germany GmbH die Einstellung der Produktion ihrer Digitoxin-Präparate (Digimerck Tabletten und Injektionslösung) zum 01. Januar 2023 an. Als Alternativen stehen die Generika Digitoxin AWD 0,07 der Firma TEVA GmbH und Digitoxin-Philo, 0,25 mg/ml Injektionslösung der mibe GmbH zur Verfügung, aber auch Präparate mit Wirkstoffen vergleichbarer Indikationen, wie Digoxin.
Das BfArM sieht jedoch auch die Versorgung mit Digoxin, insbesondere in flüssiger Darreichungsform, gefährdet, da das Fertigarzneimittel Lenoxin Liquidum der Aspen Germany GmbH ebenfalls in Deutschland vom Markt genommen wurde. Da nicht für alle zugelassenen Anwendungsgebiete Alternativen zur Verfügung stehen, ist die Versorgungssituation insbesondere im pädiatrischen Bereich laut BfArM Kritisch.
Um die Patientenversorgung sicherzustellen, hat die Behörde daher das Inverkehrbringen dieses Präparats in englischer Aufmachung (Kennzeichnung und Packungsbeilage) gestattet. Die Regelung ist zunächst bis zum 31. Dezember 2023 befristet.
Über Lenoxin Liquidum
Lenoxin Liquidum ist indiziert zur Behandlung einer manifesten chronischen Herzmuskelschwäche (aufgrund systolischer Funktionsstörung) sowie einer schnellen Form einer Herzrhythmusstörung bei Vorhofflimmern/Vorhofflattern (Tachyarrhythmia absoluta).
Ibuprofen und Paracetmol
Der Versorgungsengpass mit Ibuprofen- und Paracetamol-haltigen Fiebersäften für Kinder und anderen Darreichungsformen besteht seit Sommer 2022. Das BfArM hat gemeinsam mit dem BMG verschiedene Maßnahmen zur Abmilderung beschlossen.
Bis 31. März 2023 darf die Ibuprofen-haltige Suspension zum Einnehmen Eudorlin Ibuprofen in den Stärken 20 mg/ml und 40 mg/ml (IMET for children 2% und 4%) der Firma Berlin-Chemie AG in ukrainischer Aufmachung auf den deutschen Markt gebracht werden. Zudem wurde auch das Inverkehrbringen des Paracetamol-Fertigarzneimittels Paracetwal der Walter Ritter GmbH + Co.KG in französischer oder englischer Aufmachung gestattet. Es handelt sich hierbei um Suppositorien in den Stärken 125 mg und 250 mg.
Deutschsprachige Produktinformation beifügen
Die Zulassung der betroffenen Präparate entspricht vollumfänglich den in Deutschland bestehenden nationalen Zulassungen.
Jeder Lieferung muss ein Informationsschreiben, das die derzeitige Versorgungssituation und die entsprechenden Maßnahmen erklärt sowie eine Produktinformation in deutscher Sprache beigefügt werden. Die deutschsprachigen Gebrauchsinformationen sind zudem auf der Webseite des BfArM zu finden.