Zu den wichtigsten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zählen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Insbesondere Menschen in Industrienationen, wie Nordamerika und Nordeuropa, sind betroffen. Dabei liegt das Alter bei Erstmanifestation zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) umfassen Krankheitsbilder mit schubweise verlaufenden Entzündungen des Magendarmtraktes. Neben den Hauptformen Morbus Crohn (MC) und Colitis ulcerosa (CU) werden auch seltenere Formen wie die kollagene Colitis unter dem Begriff zusammengefasst.
CED zeichnen sich durch Diarrhö und krampfartigen Bauchschmerzen aus und weisen häufig eine hohe Morbidität auf. Eine frühe Diagnosestellung, sowie die rasche Einleitung einer geeigneten Therapie sind essenziell für die Krankheitskontrolle.
Epidemiologie
In Deutschland sind ca. 360.000 Menschen von CED betroffen [1]. Die Häufigkeit liegt bei ca. 100 - 200 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner (MC) bzw. 160-250 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner (CU) [2].
Insgesamt ist in den letzten Jahren eine globale Zunahme chronisch entzündlicher Darmerkrankungen in allen Regionen und Altersgruppen zu beobachten, dabei zeigt sich insbesondere in Ländern mit vermehrt industrialisierter Lebensweise eine deutliche Zunahme der Neuerkrankungen [1]. Weltweit besteht sowohl ein Nord-Süd-Gefälle, als auch ein West-Ost-Gradient.
Ursachen
Die genaue Ursache der Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen ist noch nicht geklärt, es wird ein multimodales Zusammenspiel genetischer, immunologischer und Umweltfaktoren angenommen. Dabei wird von einer Autoimmunreaktion ausgegangen, welche die kommensale Darmflora schädigt [3].
CED sind mit über 160 Risikogenen assoziiert [4]. Beim MC zeigten Zwillingsstudien eine größere Bedeutung der genetischen Prädisposition als bei CU [5]. Umweltfaktoren, wie Antibiotikagabe in der Jugend, sowie Rauchen (für MC) spielen ebenfalls eine bedeutsame Rolle in der Entstehung der Erkrankung [6].
Pathogenese
Pathogenetisch führt eine abnorme und prolongierte Immunantwort gegen Strukturen der Darmschleimhaut bei genetisch prädisponierten Individuen zu einer Dysbiose der gastrointestinalen Mikroflora [1,7]. Diese Mikroflora hat eine zentrale Bedeutung für die daraufhin entstehenden chronischen Entzündungsprozesse [7].
Verschiedene Defekte der Barrierefunktion des Darms führen zu einer Störung der mikrobiellen Abwehr und zu einer Veränderung des Mikrobioms [8]. Bakterien dringen durch die geschädigte Darmschleimhaut ein und lösen daraufhin eine Entzündungsreaktion aus, welche chronifiziert und zur typischen Symptomatik der CED führt [9].
Symptome
Leitsymptome der CED sind Diarrhö und krampfartige Bauchschmerzen. Blutige Diarrhö weist auf eine Colitis ulcerosa hin, während sie bei Morbus Crohn eher selten ist. Begleitend können Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Übelkeit und Fieber hinzukommen. Bei Kindern kann eine Wachstumsverzögerung das einzige Symptom sein. Über 40% der Patienten sind von extraintestinalen Manifestationen betroffen. Am häufigsten treten Wachstumsstörungen und Osteoporose auf. Die Haut kann von Erythema nodosum oder Pyoderma gangraenosum betroffen sein [10].
Die klassische Trias mit Bauchschmerzen, Diarrhö und Gewichtsverlust zeigt sich nur bei 25% der Patienten mit CED [11]. Beim Morbus Crohn sind vor Ausbruch der Erkrankung Gelenkschmerzen, Hautveränderungen und Entzündungen am Auge wie Iritis, Uveitis oder eine Episkleritis möglich [8,10].
Diagnostik
Bei klinischem Verdacht ist der Goldstandard der CED-Diagnostik die Gastro- und Ileokolonoskopie in Zusammenschau mit der histologischen und radiologischen Diagnostik [10]. Hierbei weisen Erytheme, Exsudate und Ulcera in der intestinalen Schleimhaut auf eine chronische Entzündung hin, welche sich histologisch als gestörte Kryptenarchitektur und fokale oder diffuse Plasmozytose zeigt.
Eine granulomatöse Entzündung, sowie skip lesions sind hinweisend auf einen MC. Zusätzlich können durch Ultraschalluntersuchungen oder MRT intestinale Wandunregelmäßigkeiten sowie veränderte Echogenitäten nachgewiesen werden [12].
Therapie
Durch die Therapie sollen langfristig v. a. Komplikationen vermieden und der Progress der Erkrankung verhindert werden. Das Ziel ist eine „deep remission“ d. h. das vollständige Ausheilen der Schleimhaut ohne Rezidive, daher wird eine frühe aggressive Therapie bevorzugt.
Es wird zwischen zwei verschiedenen Therapieformen unterschieden, der Induktionstherapie bei akuten Schüben und der Erhaltungstherapie.
Induktionstherapie
Die Induktionstherapie erfolgt im akuten Schub bei hoher Krankheitsaktivität. Es wird Prednison oder (Methyl-)Prednisolon 1 mg/kgKG p.o. einmal morgendlich gegeben. Dabei ist dringend zu beachten, dass Kortikosteroide aufgrund der zahlreichen Nebenwirkungen (Osteopenie, Wachstumsretardierung etc.) keinesfalls zur Erhaltungstherapie eingesetzt werden sollten.
Bei leicht bis mäßig aktiver CU kann zudem 5-Aminosalicylsäure (5-ASA) bzw. Mesalazin eingesetzt werden.
Bei MC kann hingegen eine exklusive enterale Ernährungstherapie versucht werden. Auch Anti-TNF-alpha-Antikörper sind sowohl für MC, als auch für CU zur Therapie im akuten Schub zugelassen. Bei Versagen der Therapie durch Anti-TNF-AK kann Vedolizumab (ein Antikörper aus der Gruppe der Integrin-Antagonisten) gegeben werden.
Januskinase(JAK)-Inhibitoren können sowohl in der Induktionstherapie, als auch in der Erhaltungstherapie genutzt werden. Dabei unterscheidet sich die Wirksamkeit der JAK-Inhibitoren aufgrund der differenten Zytokinprofile von CU und MC. Die mittelschwere bis schwere CU kann bereits mit Tofacitinib behandelt werden [15]. MC zeigte in der Fitzroy-Studie ein gutes Ansprechen auf Filgotinib, der Wirkstoff ist jedoch noch nicht erhältlich [16].
Erhaltungstherapie
In der Erhaltungstherapie kann für die CU ebenfalls Mesalazin gegeben werden.
Bei MC wird Methotrexat verwendet, außerdem bestehen Ansätze partieller Ernährungstherapie mit signifikant positivem Einfluss auf den Erkrankungsverlauf.
Thiopurine (Azathioprin, 6-Mercaptopurin) werden ebenfalls zur Erhaltungstherapie eingesetzt, jedoch muss bedacht werden, dass der Wirkungseintritt erst nach 8 bis 14 Wochen beginnt.
Auch hier stellen Anti-TNF-alpha-Antikörper eine Therapieoption für komplizierte Verläufe, oder rezidivierende Schübe dar und werden bei fehlendem Therapieansprechen durch Vedolizumab abgelöst[13].
Bei Komplikationen, wie der Ausbildung von Abszessen oder Fisteln, wird eine Antibiotikatherapie mit Metronidazol oder Ciprofloxacin eingeleitet.
Operative Maßnahmen
Die operative Therapie wird erst nach Ausschöpfung der medikamentösen Therapieoptionen in Betracht gezogen. Die CU ist durch eine Kolektomie mit ileoanaler Pouch kurativ behandelbar. Bei MC werden sehr zurückhaltende Darmsresektionen angestrebt, da hier operativ keine Heilung möglich ist. Die Operationen dienen in erster Linie der Behandlung von Komplikationen (Abszesse, Fisteln, Strikturen) [13].
Prognose
Die Mortalität von Erkrankten mit Morbus Crohn ist im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht und abhängig von krankheitsassoziierten Komplikationen sowie frühzeitiger Diagnose und Therapie. Das Risiko, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln liegt genau so hoch, wie bei Patienten mit CU bei ca. 8% innerhalb von 20 Jahren [10].
Die Operationsrate bei MC liegt innerhalb von 20 Jahren bei ca. 75%, bei CU liegt sie innerhalb von 10 Jahren bei 15% [14].
Anders als bei MC ist die CU durch eine Kolektomie theoretisch heilbar, wird jedoch oft durch eine postoperative, nicht gut behandelbare Pouchitis verkompliziert [10].
Prophylaxe
Die Einnahme von NSAR erhöht die Wahrscheinlichkeit für CED und für Exazerbationen bei bestehender Erkrankung. Hintergrund ist die Erhöhung der intestinalen Permeabilität und die Steigerung der lokalen und systemischen Antigenpräsentation [10].
Rauchen, sowie eine frühe Appendektomie wirken sich protektiv in Bezug auf die Entstehung der Colitis ulcerosa aus, fördern jedoch die Entstehung eines Morbus Crohn [10].
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