
Checkpoint-Inhibitoren können zu immunassoziierten Nebenwirkungen (engl. immune related adverse events, irAE) führen. Gegen den Checkpoint CTLA-4 gerichtete Antikörper scheinen in stärkerem Maße auch höhergradige irAE auszulösen als Antikörper gegen die Checkpoints PD-1 oder PD-L1 , berichtete Dr. Sylvia Gütz, Chefärztin der Abteilung für Innere Medizin I des St. Elisabeth-Krankenhauses Leipzig [1, 2]. Außerdem steigt die Häufigkeit von irAE mit der Therapiedauer an [3]. Die Mehrzahl der irAE ist mild bis moderat. Es gibt aber auch tödliche Nebenwirkungen dieser Art, betonte sie [4]. Daher benötigen diese Toxizitäten eine besondere Aufmerksamkeit.
Jeder vierte Lungenkrebspatient betroffen
Das gilt umso mehr für Menschen, die von einer Krebserkrankung betroffen sind und bereits unter einer Autoimmunerkrankung leiden. Die Datenlage dazu ist immer noch vergleichsweise schwach. Patienten mit Autoimmunerkrankungen sind in den großen prospektiven Studien zur Krebstherapie mit Checkpoint-Inhibitoren nicht vertreten. Dabei muss nach US-amerikanischen Daten davon ausgegangen werden, dass beispielsweise Lungenkrebspatienten zu einem Viertel auch vorbestehende Autoimmunerkrankungen aufweisen, meinte Gütz [5].
Autoimmunerkrankung keine absolute Kontraindikation
Die vorhandenen Daten belegen, dass Subgruppen mit Autoimmunerkrankungen von Checkpoint-Inhibitoren profitieren können, berichtete sie. In einer prospektiven Fallsammlung zeigte sich bei Krebspatienten mit Autoimmunerkrankung, die eine PD-1- oder PD-L1-Blockade erhielten, zwar eine höhere Rate an irAE (44,4% vs. 23,8%), aber auch eine höhere Gesamtansprechrate als bei Krebspatientinnen und -patienten ohne eine solche Vorerkrankung (38% vs. 28%) [6]. Eine retrospektive Fallserie kam zu einem ähnlichen Schluss [7]. Schwere irAE sind nach Metaanalysen bei PD-1- und PD-L1-Hemmung ähnlich häufig unabhängig davon, ob eine Autoimmunerkrankung besteht oder nicht, und Abbruchraten der Checkpoint-Inhibitor-Therapie sind denen in den Zulassungsstudien vergleichbar. Die Datenlage ist aber bislang noch schwach, die Fallserien umfassen meist nur wenige Tumorerkrankungen (v.a. Melanom und Lungenkarzinom), berichten überwiegend über die PD-1- und PD-L1-Hemmung und Menschen mit schweren Autoimmunerkrankungen waren ausgeschlossen. Mit CTLA-4-Hemmern scheint auch bei Menschen mit vorbestehenden Autoimmunerkrankungen die Rate der schweren irAE gegenüber PD1- und PD-L1-Hemmern deutlich anzusteigen, sagte Gütz.
Verschlechterung der Autoimmunerkrankung
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis oder dermatologischen Autoimmunerkrankungen (v.a. Vitiligo, Psoriasis) kommt es bei CPI-Therapie wegen einer Krebserkrankung bei etwa einem Viertel der Patientinnen und Patienten zu einem Aufflammen (engl. Flare) der Autoimmunerkrankung [8]. Meist sei der Flare eher leichtgradig und die Checkpoint-Inhibitor-Therapie könne fortgeführt werden, meinte Gütz. Mit den Autoimmun-Beschwerden müssen die Betroffenen allerdings dann umgehen – sie bestehen unter der Checkpoint-Inhibitor-Therapie häufig fort. Meist wurden zur Therapie der Autoimmunerkrankung konventionelle Therapien eingesetzt, beispielsweise nichtsteroidale Antirheumatika oder Steroide. Das Auftreten eines Flares und die entsprechende Therapie hatten keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Checkpoint-Inhibitoren.
Immunsuppression versuchen umzustellen
Ungünstig für die Wirksamkeit der Checkpoint-Inhibitor-Therapie scheint eine Vortherapie mit Prednisolon in einer Dosis von ≥10 mg pro Tag zu sein [9]. Unter einer selektiven Immunsuppression wurden keine derartigen Effekte beobachtet. Es gibt die Empfehlung, in einer ersten Rotationsphase alle unselektiven Immunsuppressiva wie Steroide, Mycophenolat mofetil, Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin A oder Januskinase-Inhibitoren zu beenden und die Behandlung der Autoimmunerkrankung auf ein selektives Immunsuppressivum umzustellen, wenn das möglich ist [5]. Die Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren kann bei stabiler Tumorerkrankung zwei bis vier Wochen später begonnen werden, bei raschem Tumorprogress auch gleichzeitig mit der Umstellung der Immunsuppression. In der Erhaltungsphase wird die selektive Immunsuppression parallel zur Checkpoint-Inhibitor-Therapie beibehalten.
Individuelle und interdisziplinäre Entscheidung
Bei Tumorpatienten mit vorbestehenden Autoimmunerkrankungen sollte der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren immer zusammen mit dem Spezialisten für die Autoimmunerkrankung erwogen werden. Idealerweise sollte die Immunsuppression wegen der Autoimmunerkrankung soweit reduziert werden, wie die Autoimmunerkrankung noch stabil ist [10]. Der Checkpoint-Inhibitoren-Einsatz ist immer eine Enzelfallentscheidung mit individueller Risiko-Nutzen-Abwägung und einer informierten Entscheidung zusammen mit dem Patienten. Kommt eine Checkpoint-Inhibitor-Therapie infrage, ist zu beachten, dass CTLA-4-Inhibitoren ein höheres Potenzial für hochgradige irAE als PD-1-und PD-L1-Hemmer haben. Die duale Checkpoint-Inhibitor-Therapie ist zu vermeiden. Es wurden für verschiedene Autoimmunerkrankungen Algorithmen zur Therapie einer Tumorerkrankung mit CPI entwickelt [5].
Bei autoimmunen neurologischen und neuromuskulären Erkrankungen, lebensbedrohlichen oder schlecht kontrollierten Autoimmunerkrankungen sowie solchen, die nur mit hohen Dosen von Immunsuppressiva zu kontrollieren sind, sollten Checkpoint-Inhibitoren nicht eingesetzt werden [10].