Die Wirkstoffgruppe der Gicht-Therapeutika umfasst Wirkstoffe, die der Hyperurikämie und der Gelenkentzündung entgegenwirken. Zu ihnen zählen Urikostatika, Urikosurika, Interleukin-1-Hemmer, Colchicin, Glukokortikoide und NSAR.
Gicht-Therapeutika werden angewendet zur Behandlung der Gicht, die gekennzeichnet ist durch Ablagerung von Harnsäurekristallen in Gelenken als Folge einer Hyperurikämie.
Die medikamentöse Therapie der Gicht ist ein Drei-Säulen-Modell und umfasst die:
Kupierung des akuten Gichtanfalls
Prävention wiederholter Anfälle
Verzögerung von Gelenkdestruktionen
Die Auswahl der Gicht-Therapeutika hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich des Stadiums der Gicht, der Häufigkeit und Schwere der Anfälle, der Serumharnsäurekonzentration, der Anwesenheit von Tophi oder Nierensteinen, sowie von Komorbiditäten und der Verträglichkeit der Medikamente. Hier ist eine allgemeine Richtlinie, welche Gruppe von Gicht-Therapeutika wann empfohlen wird:
Akute Gichtanfälle
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR): Erste Wahl zur schnellen Linderung von Schmerzen und Entzündungen bei akuten Gichtanfällen, sofern keine Kontraindikationen vorliegen.
Colchicin: Effektiv, wenn es innerhalb der ersten 24 Stunden nach Beginn eines Gichtanfalls eingenommen wird. Die Dosierung muss sorgfältig angepasst werden, um gastrointestinale Nebenwirkungen zu minimieren.
Glukokortikoide: Eine Option für Patienten, die NSAR oder Colchicin nicht vertragen oder bei denen Kontraindikationen bestehen. Kann oral, intramuskulär oder direkt in das betroffene Gelenk injiziert werden.
Langzeitmanagement und Prävention von Gichtanfällen
Xanthinoxidase-Hemmer (Urikostatika): Allopurinol ist oft die erste Wahl zur langfristigen Senkung der Harnsäurekonzentration und zur Prävention weiterer Gichtanfälle. Febuxostat wird alternativ eingesetzt, besonders bei Patienten, die Allopurinol nicht vertragen.
Urikosurika: Für Patienten, die Xanthinoxidase-Hemmer nicht vertragen oder bei denen diese nicht wirksam sind. Sie sind besonders nützlich bei Patienten mit unterdurchschnittlicher Harnsäureausscheidung.
Enzymtherapien (z.B. Pegloticase): Empfohlen für Patienten mit schwerer tophöser Gicht, die auf herkömmliche Therapien nicht ansprechen. Aufgrund seiner potenziellen Nebenwirkungen und der Notwendigkeit der Verabreichung per Infusion wird es als Option für schwerere Fälle betrachtet.
Spezielle Situationen
Interleukin-1-Hemmer: Können in Betracht gezogen werden für Patienten mit Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten gegenüber Standardtherapien, insbesondere bei schweren oder refraktären Gichtanfällen.
Wirkmechanismus
Gicht-Therapeutika zielen darauf ab, die Symptome und die zugrunde liegende Hyperurikämie der Gicht zu behandeln, indem sie entweder die Produktion von Harnsäure reduzieren, deren Ausscheidung erhöhen oder die entzündliche Reaktion auf Harnsäurekristalle in den Gelenken minimieren.
Antiinflammatorische Wirkstoffe wie NSAR, Colchicin und Glukokortikoide unterdrücken die Entzündungsreaktion durch Hemmung der Cyclooxygenase-Enzyme, Störung der Leukozytenmobilität und Modulation der Genexpression zur Reduktion proinflammatorischer Zytokine.
Urikostatika (Xanthinoxidase-Hemmer wie Allopurinol und Febuxostat) blockieren die Xanthinoxidase, ein Schlüsselenzym im Purinstoffwechsel, wodurch die Umwandlung von Hypoxanthin und Xanthin in Harnsäure gehemmt und die Harnsäureproduktion verringert wird.
Urikosurika (z.B. Benzbromaron, Probenecid) fördern die renale Harnsäureausscheidung, indem sie die Rückresorption von Harnsäure im Nierentubulus hemmen.
Enzymtherapien wie Pegloticase wandeln Harnsäure enzymatisch in das leichter ausscheidbare Allantoin um, was zu einer schnellen Reduktion der Serumharnsäure führt.
Interleukin-1-Hemmer (z.B. Anakinra, Canakinumab) blockieren die Wirkung von IL-1, einem proinflammatorischen Zytokin, das eine zentrale Rolle in der Entzündungsreaktion bei Gichtanfällen spielt.
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen von Gicht-Therapeutika können je nach Medikamentengruppe variieren. Die bekanntesten Nebenwirkungen, gruppiert nach der Art des Medikaments umfassen:
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Ulzerationen und Blutungen
Nierenfunktionsstörungen
Erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse
Kopfschmerzen, Schwindel
Colchicin
Magen-Darm-Störungen wie Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
Myopathie und Neuropathie bei Langzeitgebrauch oder Überdosierung
Knochenmarkdepression
Glukokortikoide
Gewichtszunahme, Flüssigkeitsretention
Erhöhter Blutzucker und Risiko für Diabetes
Osteoporose
Erhöhtes Infektionsrisiko
Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen
Urikostatika (Allopurinol und Febuxostat)
Hautausschläge, Stevens-Johnson-Syndrom (selten, aber schwerwiegend)
Leberfunktionsstörungen
Nierenfunktionsstörungen
Übelkeit, Durchfall
Urikosurika (Benzbromaron, Probenecid)
Magen-Darm-Beschwerden
Erhöhtes Risiko für Nierensteine durch erhöhte Harnsäureausscheidung
Allergische Reaktionen
Kopfschmerzen, Schwindel
Enzymtherapien (Pegloticase)
Infusionsreaktionen
Anaphylaxie
Verschlechterung der Gichtsymptome zu Beginn der Therapie
Hautausschläge
Interleukin-1-Hemmer (Anakinra, Canakinumab)
Infektionsrisiko, insbesondere Atemwegsinfektionen
Das Enzym Pegloticase, eine pegylierte Urikase, fördert den Abbau von Harnsäure zum wasserlöslichen Metaboliten Allantoin, welcher über die Niere ausgeschieden wird.
Hauptsächlich in der Onkologie zur Behandlung der tumorlyseinduzierten Hyperurikämie verwendet.
Interleukin-1-Hemmer
Interleukin-1-Hemmer können bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten gegen die Standardtherapeutika als Alternative zur Behandlung der akuten Gicht in Betracht gezogen werden. Ein routinemäßiger Einsatz wird nicht empfohlen. Beispiele für Interleukin-1-Hemmer sind:
Langfassung zur S2e-Leitlinie Gichtarthritis (fachärztlich) Evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh).
DEGAM S1-Handlungsempfehlung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: Akute Gicht in der hausärztlichen Versorgung.
Lehnert H.: Rationelle Diagnostik und Therapie in Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel. Georg Thieme Verlag. 4. Auflage. 17. Dezember 2014.
Dalbeth, N. et. al.: Hyperuricaemia and gout: time for a new staging system? Ann Rheum Dis, 73(9):1598–600. doi: 10.1136/annrheumdis-2014–205304. Epub. 9. April 2014.