
20-25% der über 65-Jährigen nehmen potentiell inadäquate Medikamente ein. 86% der verordneten Tagesdosen werden von Hausärzten verordnet, davon sind schätzungsweise 77% potenziell inadäquate Medikament. Hausärztlich betreute Patienten erhalten im Durchschnitt 3,7 verordnete Medikamente, fast 30% dieser Patienten erhalten mehr als fünf Medikamente, 53% erhalten sogar fünf Medikament und weitere freiverkäufliche Arzneimittel. Bewohner von Pflegeheimen erhalten im Mittel zwischen sechs und sieben Arzneimitteln.
Krank durch Polymedikation
In einer Studie von Hoffmann et al.¹ nahmen etwa 70 % der Heimbewohner fünf oder mehr Wirkstoffe pro Tag ein. Die Querschnittsstudie ergab, dass 63,6 % der Bewohner eine Niereninsuffizienz aufwiesen. Hintergründe, Methodik und Ergebnisse der Studie "Renal insufficiency and medication in nursing home residents—a cross-sectional study (IMREN)": In die Studie wurden insgesamt 852 Bewohner aus 21 Heimen eingeschlossen.
Hintergrund
Pflegeheimbewohner sind oft von Multimorbidität und Polypharmazie betroffen. Viele Arzneimittel werden renal eliminiert. Deshalb erfordern sie eine entsprechende Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz. Die Studie untersucht erstmalig für Deutschland, wie oft Pflegeheimbewohner eine Niereninsuffizienz aufweisen und wie häufig Medikamente in Bezug auf die Nierenfunktion nicht adäquat dosiert oder kontraindiziert sind.
Methodik
Die Autoren führten eine Querschnittsstudie in Bremer und niedersächsischen Pflegeheimen durch. Die anonymisierte Datenerhebung erfolgte ausschließlich durch Pflegekräfte der Heime. Alle Auswertungen beschränken sich ausschließlich auf die Dauermedikation. Bedarfsmedikamente und Individualrezepturen wurden nicht berücksichtigt.
Lagen in den Heimen keine aktuellen Kreatininwerte vor, so wurden diese vom Hausarzt erfragt. Die geschätzte Kreatinin-Clearance (eCCr) wurde mittels Cockcroft-Gault-Formel berechnet:
eCCr in ml/min: [(140-Alter) x Gewicht/72x Serumkreatinin in mg/dl] x (0,85, falls weiblich)
Ergebnisse der Studie
- 48,2 % der Patienten, also fast die Hälfte der Heimbewohner, wiesen eine mittelgradige Niereninsuffizienz (eCCr 59–30 ml/min) auf, 15.5% wiesen eine schwere Niereninsuffizienz auf (eCCr < 30 ml/min).
- Etwa die Hälfte aller für Pflegeheimbewohner eingesetzten Dauermedikamente muss bei Niereninsuffizienz in ihrer Dosierung angepasst werden oder ist sogar kontraindiziert.
- 25% der Teilnehmer der Studie erhielten mindestens 9 Dauermedikamente.
- Fast jeder fünfte Bewohner der Studie erhielt mindestens ein Arzneimittel, das bzgl. der vorhandenen Nierenfunktion gemäß Fachinformation nicht adäquat dosiert oder kontraindiziert war.
- Wenn 5 oder mehr Dauermedikamente verabreicht wurden, war die Gefahr für nicht adäquat dosierte oder kontraindizierte Medikamente höher als bei weniger Medikamenten.
Anpassung der Medikation
Die 685 Bewohner erhielten insgesamt 4 316 Arzneimittel als Dauermedikation, von denen 2 184 potenziell bei eingeschränkter Nierenfunktion kontraindiziert beziehungsweise in der Dosierung anzupassen wären (50,6 %). Am häufigsten betraf dies die Wirkstoffe Ramipril, Simvastatin und Torasemid (siehe Tabelle 1). Lediglich ein kleiner Teil davon (n = 169; 7,7 %) wurde allerdings tatsächlich in Bezug auf die Nierenfunktion nicht korrekt eingesetzt, weil die Arzneimittel bei vorliegender eCCr entweder nicht adäquat dosiert (n = 54) oder kontraindiziert waren (n = 115). Dies betraf am häufigsten die Wirkstoffe Metformin, Ramipril sowie Kaliumchlorid (siehe Tabellen 2 und 3).