Trockenes Auge (Keratokonjunktivitis sicca)

Das Trockene Auge nimmt im Alter zu und ist eine der häufigsten Augenerkrankungen. Frauen sind dabei öfter betroffen. Wie können die Beschwerden in der Selbstmedikation gelindert werden? Wie sieht die Studienlage hierzu aus?

trockenes Auge

Das Trockene Auge (Keratoconjuctivitis sicca, Sicca-Syndrom, Dry-Eye-Syndrom) ist eine symptomatische und multifaktorielle Erkrankung der Augenoberfläche, die durch einen Verlust der Homöostase des Tränenfilms und der Hyperosmolarität charakterisiert ist [1]. Es kommt zu Entzündungen und Schädigungen der Augenoberfläche und neurosensorischen Abnormitäten, was zu Einschränkungen täglicher Aktivitäten, verminderter Vitalität und schlechter allgemeiner Gesundheit führt. Der erhöhte Leidensdruck der Betroffenen kann sogar eine Depression auslösen.  

Aufbau und Aufgaben des Tränenfilms

Der Tränenfilm ist mehrschichtig aufgebaut und besteht aus Lipiden, Wasser und Muzin (Schleim). Die Lipidschicht ist die oberste Schicht des Tränenfilms. Sie besteht unter anderem aus Cholesterin, Phospholipiden und Triglyceriden und dient dazu, den Tränenfilm vor Verdunstung zu schützen.

Die mittlere Schicht des Tränenfilms ist die wässrige Schicht, die zum größten Teil aus Wasser besteht . Weiterhin enthält die Flüssigkeit unter anderem Glucose, Sauerstoff, Immunglobuline der unspezifischen Immunabwehr, Enzyme und Wachstumsfaktoren. Zwischen der wässrigen Schicht und der Hornhautoberfläche befindet sich die Muzinschicht. Muzine sind chemisch betrachtet Glykoproteine. Sie wirken protektiv und spielen eine Rolle bei der Barrierefunktion. Sie sorgen unter anderem dafür, dass Bakterien und Fremdkörper nicht in die Epithelzellen eindringen.

Ein intakter Tränenfilm sorgt für eine Befeuchtung des Auges, versorgt die Cornea mit Sauerstoff und Nährstoffen und schützt vor Infektionen. Ein Augenarzt bzw. eine Augenärztin kann feststellen, ob die Beschwerden auf eine Störung der wässrigen Schicht des Tränenfilms oder der Lipidschicht zurückzuführen sind. Danach richtet sich die Therapie.

Unterformen des Trockenen Auges

Nach Leitlinie des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands (BVA) und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) gibt es mehrere Unterformen dieser Augenerkrankung:

  • Störungen der wässrig-muzinösen Tränenfilmanteile (hyposekretorische Form) durch zu geringe Produktion von Tränenflüssigkeit
  • Störungen der Lipidanteile des Tränenfilms (hyperevaporative Form, z. B. Blepharitis) durch zu schnelle Verdunstung der Tränenflüssigkeit
  • Kombinierte Störungen

Risikofaktoren

Als häufigster Risikofaktor für die Entstehung eines Trockenen Auges wird die Meibom-Drüsen-Dysfunktion angesehen. Die chronische Störung kann charakterisiert sein durch eine hypo- und hypersekretorische Form. Weitere Risikofaktoren sind Alter, weibliches Geschlecht, Androgen-Mangel (durch Schwangerschaft, Stillzeit oder Menopause), Rosazea, atopische Dermatitis, Diabetes mellitus, Vitamin-A-Mangel, hämatopoetische Stammzelltransplantationen, Bestrahlungen des Kopfes, Umweltfaktoren (Zigarettenrauch, trockene Luft), langanhaltende Bildschirmarbeit, Medikamente (z. B. Antihistaminika, Psychopharmaka, Betablocker, orale Kontrazeptiva, Anticholinergika, postmenopausale Östrogentherapie), genetische Prädisposition, ophthalmologische Faktoren wie Lidfehlstellungen, Hornhauterkrankungen, Verätzungen oder Tragen von Kontaktlinsen.

Behandlung

Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und dem Krankheitsstadium. Wenn die Beschwerden auf eine Störung der Lipidschicht zurückzuführen sind, empfehlen sich Tränenersatzstoffe mit einem Zusatz von Trigylceriden oder Phospholipiden. Derartige Zubereitungen sind dickflüssiger als die natürlichen Tränen und verweilen dementsprechend länger auf dem Auge. Bei leichten Beschwerden können zunächst niedrig visköse, bei stärkeren Beschwerden hoch visköse Zubereitungen eingesetzt werden. Da es bei deren Anwendung allerdings zu einer Sichttrübung kommt, sollten solche Präparate eher zur Nacht appliziert werden. Je nach Beschwerden und Befund werden verschiedene Therapien innerhalb der Selbstmedikation empfohlen. Dabei sind Tränenersatzstoffe Mittel der ersten Wahl.

Innerhalb der Selbstmedikation stehen folgende Präparate zur Verfügung:

Die Grenzen der Selbstmedikation sind erreicht bei:

  • Geröteten Augen unerklärbarer Ursache
  • Starken Schmerzen
  • Sehstörungen
  • Säuglingen, Kindern, Kleinkindern
  • Schwangeren und Stillenden
  • Infektiösen Entzündungen des Auges
  • Einseitigen Augenbeschwerden
  • Arzneimittelbedingten Augenbeschwerden (UAW)
  • Augentraumata (durch z. B. Rauch, Verätzung aufgrund Chemikalien-Einwirkung)
  • Keiner deutlichen Besserung nach Anwendung des OTC-Präparates nach spätestens 48 Stunden

Studienlage

Allgemein lässt sich festhalten, dass die die vorhandene Leitlinie [2] zum Trockenen Auge nicht auf die Evidenz der einzelnen Wirkstoffe eingeht. Auch in den Fachinformationen finden sich keine Hinweise zu den durchgeführten klinischen Studien, die eine tiefgründigere Analyse zuließen. Aufgrund der vorhandenen Studien können allerdings unter anderem folgende Aussagen gemacht werden:

  • Lipidhaltige Tränenersatzstoffe sind empfehlenswert [4].
  • Augentropfen in einer Öl-in-Wasser-Emulsion sind besser als solche mit Hypromellose [5].
  • Liposomale Sprays mit Phospholipiden zeigen eine statistisch und klinisch signifikante Verbesserung der Beschwerden [6].
  • Tränenersatzstoffe auf Basis von Hyaluronsäure und solche ohne Hyaluronsäure sind vergleichbar in der Wirksamkeit [7].
  • Augentropfen mit 0,3% Hyaluronsäure sind effektiver als solche mit 0,1% und 0,18% [8].
  • Effektivität von Natriumhyaluronat in Augentropfen ist erst ab einer Konzentration von 0,1% gegeben [9].
  • Hyaluronsäure ist effektiv bei der Therapie des Trockenen Auges [10].
  • Die Kombination aus Hyaluronsäure, Carmellose und Osmoprotektivum (Optive Fusion) wirkt synergistisch und ist effektiv [11].
  • Es wird angenommen, dass Osmoprotektiva am wirksamsten sind, wenn mehrere in einem Produkt kombiniert werden [12]. Solche Präparate, die nur Glycerol enthalten, scheinen nicht effektiv genug zu sein, da Glycerol die Zelle schnell wieder verlässt [13] und damit nur eine kurzzeitige Wirkung zeigt [12].
  • Osmoprotektiva mit Carboxymethylcellulose und Erythritol, L-Carnitine sowie Glycerol sind verglichen mit Natriumhyaluronat im Hinblick auf Sicherheit und Wirksamkeit genauso wirksam [14].
  • Das Muzin-Analogon Systane ist effektiv in der Behandlung des Trockenen Auges, wenn es durch Kontaktlinsen hervorgerufen wurde [15]. Es hilft auch allgemein beim Trockenen Auge [16].
Autor:
Stand:
08.02.2022
Quelle:
  1. Nelson JD et al. TFOS DEWS II Introduction. Ocul Surf. 2017 Jul;15(3):269-275. doi: 10.1016/j.jtos.2017.05.005. Epub 2017 Jul 20. PMID: 28736334
  2. BVA und DOG: Leitlinie Trockenes Auge
  3. Downie et al., Omega-3 and omega-6 polyunsaturated fatty acids for dry eye disease. Cochrane Database Syst Rev. 2019 Dec 18;12(12):CD011016. doi: 10.1002/14651858.CD011016.pub2
  4. Lee SY, Tong L. Lipid-containing lubricants for dry eye: a systematic review. Optom Vis Sci. 2012 Nov;89(11):1654-61. doi: 10.1097/OPX.0b013e31826f32e0. PMID: 23096494
  5. Khanal S, Tomlinson A, Pearce EI, Simmons PA. Effect of an oil-in-water emulsion on the tear physiology of patients with mild to moderate dry eye. Cornea. 2007 Feb;26(2):175-81. doi: 10.1097/ICO.0b013e31802b492d. PMID: 17251808
  6. Craig JP, Purslow C, Murphy PJ, Wolffsohn JS. Effect of a liposomal spray on the pre-ocular tear film. Cont Lens Anterior Eye. 2010 Apr;33(2):83-7. doi: 10.1016/j.clae.2009.12.007 . Epub 2010 Jan 21. PMID: 20096622
  7. Ang BCH, Sng JJ, Wang PXH, Htoon HM, Tong LHT. Sodium Hyaluronate in the Treatment of Dry Eye Syndrome: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sci Rep. 2017 Aug 21;7(1):9013.
  8. You IC, Li Y, Jin R, Ahn M, Choi W, Yoon KC. Comparison of 0.1%, 0.18%, and 0.3% Hyaluronic Acid Eye Drops in the Treatment of Experimental Dry Eye. J Ocul Pharmacol Ther. 2018 Oct;34(8):557-564. doi: 10.1089/jop.2018.0032 . Epub 2018 Jul 23. PMID: 30036099; PMCID: PMC6206550.
  9. Hamano T, Horimoto K, Lee M, Komemushi S. Sodium hyaluronate eyedrops enhance tear film stability. Jpn J Ophthalmol. 1996;40(1):62-5. PMID: 8739501
  10. Yokoi N, Komuro A, Nishida K, Kinoshita S. Efectiveness of hyaluronan on corneal epithelial barrier function in dry eye. Br J Ophthalmol 1997;81:533-536
  11. Mateo Orobia AJ, Saa J, Ollero Lorenzo A, Herreras JM. Combination of hyaluronic acid, carmellose, and osmoprotectants for the treatment of dry eye disease. Clin Ophthalmol. 2018 Mar 6;12:453-461.
  12. Baudouin C, Role of hyperosmolarity in the pathogenesis and management of dry eye disease: proceedings of the OCEAN group meeting. Ocul Surf. 2013 Oct;11(4):246-58. doi: 10.1016/j.jtos.2013.07.003. Epub 2013 Aug 9. PMID: 24112228.
  13. Keitaro Kiyosawa, Biochimica et Biophysica Acta (BBA) – Biomembranes Volume 1064, Issue 2, 7 May 1991, Pages 251-255. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/000527369190309V
  14. Baudouin C, Cochener B, Pisella PJ, et al. Randomized, phase III study comparing osmoprotective carboxymethylcellulose with sodium hyaluronate in dry eye disease. Eur J Ophthalmol. 2012 Sep-Oct;22(5):751-61.
  15. McDonald M, Schachet JL, Lievens CW, Kern JR. Systane® ultra lubricant eye drops for treatment of contact lens-related dryness. Eye Contact Lens. 2014 Mar;40(2):106-10. doi: 10.1097/ICL.0000000000000018. PMID: 24552755
  16. Springs CL. Novel hydroxypropyl-guar gellable lubricant eye drops for treatment of dry eye. Adv Ther. 2010 Oct;27(10):681-90. doi: 10.1007/s12325-010-0052-3. Epub 2010 Aug 26. PMID: 20803266.
  17. Lennecke, Hagel – Selbstmedikation für die Kitteltasche
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