Fibrinolytika (Thrombolytika)

Fibrinolytika (auch Thrombolytika genannt) sind Enzyme, die zur Notfallbehandlung von Krankheitszuständen indiziert sind, die durch Blutgerinnsel verursacht werden. Anwendungsgebiete sind deshalb Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall, tiefe Venenthrombosen oder Lungenembolie. Durch Aktivierung der Fibrinolyse und Umwandlung von Plasminogen zu Plasmin lösen sie Gerinnsel auf.

ATC Code

Anwendung

Fibrinolytika sind Arzneimittel, die die Auflösung von Thromben durch Aktivierung des fibrinolytischen Wegs stimulieren. Dies unterscheidet sie von gerinnungshemmenden Arzneimitteln (Cumarinderivate und Heparin), die die Bildung von Blutgerinnseln verhindern, indem sie die Synthese oder Funktion verschiedener Gerinnungsfaktoren unterdrücken.

Fibrinolytika werden eingesetzt zur fibrinolytischen Therapie bei:

  • akutem Herzinfarkt
  • akuter massiver Lungenembolie mit hämodynamischer Instabilität
  • akutem ischämischen Schlaganfall

Anwendungsart

Fibrinolytika werden intravenös angewendet.

Wirkung

Das fibrinolytische System ist an der Lyse von Blutgerinnseln während der Wundheilung beteiligt und baut Fibrin und Fibrinogen zu Produkten ab, welche das Enzym Thrombin hemmen. Das am fibrinolytischen Prozess beteiligte aktive Enzym ist Plasmin, das aus seinem Vorläufer Plasminogen unter dem Einfluss eines aus Endothelzellen freigesetzten Aktivierungsfaktors gebildet wird.

Fibrinolytika wirken als Gewebs-Plasminogenaktivatoren, die die Umwandlung von Plasminogen zu Plasmin fördern. Darüber hinaus sind sie in der Lage auch an Fibrin gebundenes Plasminogen zu Plasmin zu aktivieren, welches das Fibringerinnsel abbaut und es so zur Auflösung kommt.

Fibrinolytika wie bspw. Streptokinase, lysieren bei systemischer Verabreichung akute tiefe Venen-, Lungen- und Arterienthromben; Das Medikament ist jedoch weniger wirksam bei der Behandlung chronischer Okklusionen (Blockaden). Bei intravenöser Applikation, kurz nachdem sich ein Koronarverschluss gebildet hat, ist Streptokinase wirksam bei der Wiederherstellung des Blutflusses und bei der Begrenzung der Größe des Infarktbereichs (Gewebetod). Streptokinase kann auch direkt in die Koronarblutgefäße verabreicht werden, um eine hohe Dosis direkt an der Stelle des Gerinnsels zu erreichen.

Blutgerinnung

Gewebe-Plasminogen-Aktivatoren

Gewebe-Plasminogen-Aktivatoren werden bei akutem Myokardinfarkt, zerebrovaskulärem thrombotischem Schlaganfall und Lungenembolie eingesetzt. Bei akutem Myokardinfarkt werden im Allgemeinen Gewebe-Plasminogen-Aktivatoren gegenüber Streptokinase bevorzugt.

  • Alteplase ist eine rekombinante Form des humanen Gewebe-Plasminogen-Aktivators. Es hat eine kurze Halbwertszeit (~5 min) und wird daher normalerweise als intravenöser Bolus gefolgt von einer Infusion verabreicht.
  • Reteplase ist ein gentechnisch hergestelltes, kleineres rekombinantes Derivat des humanen Gewebe-Plasminogen-Aktivators, mit erhöhter und schneller Wirksamkeit als der humane Gewebe-Plasminogen-Aktivator. Es wird normalerweise als intravenöse Bolusinjektionen verabreicht. Es wird bei akutem Myokardinfarkt und Lungenembolie eingesetzt.
  • Tenecteplase besitzt eine längere Halbwertszeit und eine größere Bindungsaffinität für Fibrin als Gewebe-Plasminogen-Aktivatoren. Aufgrund seiner längeren Halbwertszeit kann es als intravenöser Bolus verabreicht werden. Es ist nur für den Einsatz bei akutem Myokardinfarkt zugelassen.

Streptokinase

Streptokinase und Anistreplase werden bei akutem Myokardinfarkt, arterieller und venöser Thrombose und Lungenembolie eingesetzt. Die Verbindungen besitzen allerdings antigenes Potenzial, da sie von Streptokokkenbakterien abstammen.

  • Natürliche Streptokinase wird aus Streptokokkenbakterien isoliert und gereinigt. Sein Mangel an Fibrinspezifität macht es zu einem weniger effizienten thrombolytischen Arzneimittel als Gewebe-Plasminogen-Aktivatoren.
  • Anistreplase ist ein Komplex aus Streptokinase und Plasminogen. Es hat eine höhere Fibrinspezifität sowie eine längere Aktivität als natürliche Streptokinase und  verursacht eine beträchtliche Fibrinogenolyse.

Urokinase

Urokinase ist ein Plasminogenaktivator mit begrenzter klinischer Verwendung, da es, wie Streptokinase, eine beträchtliche Fibrinogenolyse hervorruf. Ein Vorteil gegenüber Streptokinase ist, dass Urokinase nicht antigen ist.

Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen von Fibrinolytika sind Blutungen verschiedenster Art.

Kontraindikation

Fibrinolytika dürfen nicht angewendet werden bei:

  • bekannter Überempfindlichkeit gegen das jeweilige Arzneimittel
  • wesentlicher Blutgerinnungsstörung innerhalb der letzten 6 Monate
  • bekannter hämorrhagischer Diathese
  • Patienten unter wirksamer oraler Antikoagulanzientherapie, z. B. Warfarin
  • manifester oder kurz zurückliegender schwerer oder lebensgefährlicher Blutung
  • bestehender, anamnestisch bekannter intrakranialer Blutung oder Verdacht darauf
  • Verdacht auf Subarachnoidalblutung oder Zustand nach aneurysmatischer Subarachnoidalblutung
  • Schädigung des Zentralnervensystems in der Anamnese (z. B. Neoplasma, Aneurysma, intrakraniale oder spinale Operation)
  • kurz zurückliegender (weniger als 10 Tage) traumatischer externer Herzmassage, Entbindung, kurz zurückliegender Punktion eines nicht komprimierbaren Blutgefäßes (z. B. Vena subclavia oder Vena jugularis)
  • unkontrollierbarer schwerer arterieller Hypertonie
  • bakterieller Endokarditis, Perikarditis
  • akuter Pankreatitis
  • nachgewiesenen ulzerativen Erkrankungen im Gastrointestinaltrakt innerhalb der vergangenen 3 Monate
  • Ösophagusvarizen
  • arteriellen Aneurysmata
  • arteriellen/venösen Missbildungen
  • Neoplasie mit erhöhtem Blutungsrisiko
  • schwerer Lebererkrankung einschließlich Leberversagen, Zirrhose, Pfortaderhochdruck (Ösophagusvarizen) und aktiver Hepatitis
  • größeren Operationen oder schweren Traumen innerhalb der vergangenen 3 Monate

Wirkstoffe

Fibrinolytika der ersten Generation

Fibrinolytika der zweiten Generation

Fibrinolytika der zweiten Generation entfalten ihre volle enzymatische Aktivität erst nach Bindung an Fibrin.

Hinweise

Bei der Anwendung von Fibrinolytika soll eine sorgfältige Überwachung des Patienten durch eine Laborüberwachung der Gerinnungsfaktoren, Beurteilung des Volumenstatus und aller Anzeichen einer Blutung gewärleistet sein. Allergische Reaktionen auf Fibrinolytika können typischerweise mit der Gabe eines Antihistaminikums (Diphenhydramin) und eines Glukokortikoids behandelt werden.

Für die Behandlung massiver Blutungen durch Fibrinolytika steht in Deutschland nur noch das Antifibrinolytikum Tranexamsäure (Cyklokapron) zur Verfügung.

Quelle:
  1. Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth; Medizinische Chemie 2. Auflage 2010
  2. Mutschler Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie, Begründet von Ernst Mutschler, 11., Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  3. Fachinformation Actilyse

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