DGK Herztage 2022: Endokrinologische Ursachen für eine Hypertonie

Eine Hypertonie infolge endokrinologischer Erkrankungen erweist sich häufig als therapieresistent. Auf den DGK-Herztagen gab Joachim Feldkamp einen Überblick über die wichtigsten endokrinologischen Ursachen für eine Hypertonie und ihre Diagnostik.

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Kausale Ansätze für die Therapie der Hypertonie

Die Hypertonie gehört zu den Volkskrankheiten, deren Prävalenz stetig zunimmt. Neben den primären Ursachen kann auch eine Vielzahl sekundärer Ursachen insbesondere für einen therapieresistenten Bluthochdruck verantwortlich sein. Angesichts der weiten Verbreitung von Hypertonie und der weitreichenden Folgen auf die Gesundheit, die Lebensqualität und auch die Lebenserwartung der Patienten, ist ein effektiver, kausal orientierter Therapieansatz anzustreben.

Endokrinologische Erkrankungen als Ursache für Hypertonie finden im Praxisalltag nicht unbedingt immer die nötige Beachtung. Univ.-Prof. Dr. med. Joachim Feldkamp, Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Infektiologie Klinikum Bielefeld, gab daher auf den DGK Herztagen 2022 einen Überblick über die möglichen endokrinologischen Hypertonie-Ursachen und erklärte für die wichtigsten, wie sie erkannt werden können [1].

Endokrinologische Ursachen für eine Hypertonie

Von den folgenden endokrinologischen Erkrankungen ist bekannt, dass sie eine Hypertonie hervorrufen können:

  • Primärer Hyperparathyreoidismus (PHPT)
  • Primärer Hyperaldosteronismus (PA) (Conn Syndrom)
  • Hyperkortisolimus (Cushing Syndrom, Morbus Cushing)
  • Phäochromozytom Katecholamin-produzierende Tumoren im Nebennierenmark
  • Paragangliom PPGL (Katecholamin-produzierende Tumoren in den Nervenzellen des thorakalen und abdominalen Grenzstranges)
  • Hypothyreose (auch die Schilddrüsenunterfunktion kann eine Hypertonie verursachen!)
  • Thyreotoxikose
  • Akromegalie
  • Kongenitale adrenale Hyperplasie

Primärer Hyperaldosteronismus

Der primäre Hyperaldosteronismus ist die häufigste endokrinologische Ursache für Hypertonie. Er soll für 6-10% der Hypertonieerkrankungen verantwortlich sein. Dabei nimmt mit dem Schweregrad der Hypertonie die Inzidenz des Primären Hyperaldosteronismus zu. Feldkamp empfiehlt bei allen Hypertonie Patienten, die eines der folgenden Kriterien erfüllen, einen primären Hyperaldosteronismus über die Bestimmung des Aldosteron/Renin-Quotienten (ARQ) abzuklären:

  • Blutdruck von >150/100 mmHg bei jeder von drei Messungen an verschiedenen Tagen
  • Hypertonie (140/90 mmHg), die gegen drei konventionelle Antihypertensiva resistent ist.
  • Kontrolle des Blutdrucks (140/90 mmHg) durch ≥4 antihypertensive Wirkstoffe
  • Hypertonie und eine spontane oder diuretisch induzierte Hypokaliämie
  • Hypertonie und Nebennieren-Inzidentalome (adrenal incidentaloma [AI])
  • Hypertonie und Schlafapnoe
  • Hypertonie bei einer Familienanamnese mit frühem Hypertonie-Beginn oder einem zerebrovaskulären Ereignis im Alter <40 Jahren
  • Verwandte jeden Grades, bei denen ein primärer Hyperaldosteronismus diagnostiziert wurde

Wenn Zweifel an der Aussagekraft eines erhöhten ARQ-Quotienten bestehen, kann das Ergebnis mit einem Kochsalz-Infusionstest geprüft werden. Der Kochsalz-Infusionstest gilt mit hoher Sensitivität und Spezifität als Bestätigungstest bei einem (auch einem normokaliämischen) primären Hyperaldosteronismus.

Medikamente mit Einfluss auf den ARQ

Verschiedene Medikamente können den ARQ beeinflussen und sollten daher vor der Probennahme vorübergehend abgesetzt werden. Spironolacton sollte 4 Wochen vor der Blutentnahme abgesetzt werden. Eine Woche vor der Blutabnahme sollte die Behandlung mit Betablockern, zentralen Alpha-Agonisten, Diuretika, ACE-Hemmern und AT1-Antagonisten pausiert werden. Um das gesundheitliche Risiko durch das Absetzen der Medikamente für die Patienten zu kontrollieren, sollten ihre Blutdruckwerte täglich (ggf. telefonisch) überprüft werden.

Zur Blutdruckkontrolle können alternativ Verapamil (max. 2 x 240 mg), Doxazosin (4-8 mg/d) oder Urapidil (max. 2 x 90 mg), Moxonidin (2 x max. 6 mg/d) und falls nötig Dihydralazin (max. 2 x 50 mg) Folgende Medikamente haben keine Auswirkungen auf den ARQ und können weiter eingenommen werden: Calciumkanalblocker, Alphablocker und Vasodilatatoren.

Hyperparathyreoidismus, Phäochromozytom und Paragangliom

In einer Studie, die an seiner Klinik durchgeführt wurde, litten, laut Feldkamp, 45,5% der Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus auch an Hypertonie. In einer Studie von Heyliger et al. senkte eine Parathyroidektomie den systolischen Blutdruck dieser Patienten im Mittel von 152,5 ± 10.5 auf 140,3 ± 16.2 mmHg (p<0,001) und den diastolischen von 94,5 ± 6,8 auf 81,7 ± 10,3 mmHg (p<0,001). Al Sabhi et al. konnten 2022 in einer aktuellen Metaanalyse zeigen, dass die Inzidenz von Phäochromozytomen und Paragangliomen in den letzten 20 Jahren von im Mittel 0,19/100.000 auf 0,58/100.000 angestiegen ist [2,3].

Symptome des Phäochromozytom bzw. Paraganglioms

Das Phäochromozytom geht in >90% der Fälle mit einer Hypertonie einher. Diese kann permanent bestehen aber auch intermittierend auftreten. 60-90 % der Patienten leiden unter Kopfschmerzen. Anders als viele Hypertonie-Patienten, die zu einer rötlichen Gesichtsfarbe tendieren, fallen 40-45% der Patienten mit Phäochromozytom eher durch ihre Blässe auf. Weitere Hinweise auf ein Phäochromozytom können Hyperglykämie (30-40%) Nervosität und Ängstlichkeit (25-40%), Oppression in der Herzregion (20-50%), Nausea (20-45%), Schwäche 15-40%, Fieber und Gewichtsverlust (je 10%), Sehstörungen (5-20%).

Bei einem Verdacht sollten Metanephrin oder Normetanephrin im Plasma (Achtung Kühlung!) oder im angesäuerten 24h-Sammelurin bestimmt werden.

Hyperkortisolismus (Cushing Syndrom)

Bei Personen mit einem Cushing Syndrom können die zentrale Adipositas, Fettspeicher im Nackenbereich, eine Neigung zu Hämatomen, Hirsutismus bei Frauen und rötliche „Schwangerschaftstreifen“ auffallen. Die Patienten haben darüber hinaus häufig eine Hyperglykämie und leiden unter Osteoporose. Zur Prüfung des Verdachts empfiehlt sich der Dexamethason-Suppressionstest (DST). 

Screening nach Patientenalter

Um potenzielle endokrinologische Ursachen möglichst früh abzuklären, sollte bei allen Patienten mit Hypertonie TSH und Calcium bestimmt werden. Bei erhöhtem Calcium sollte auch Parathormon (PTH) gemessen werden. Eine Normokalzämie schließt einen Hyperparathyreoidismus jedoch nicht aus!

Darüber hinaus sollten Hinweise auf eine Schlafapnoe abgeklärt werden. Bei jungen Hypertonikern sollten die Nieren und die Nierengefäße sonographisch untersucht werden. Der Aldosteron/Renin-Quotient sollte ermittelt werden.

Zum Screening von Menschen im fortgeschrittenen Alter verweist Feldkamp auf seine Empfehlungen zur Abklärung des primären Hyperaldosteronismus und aufgrund der großen Bandbreite möglicher Risikofaktoren auch eine sorgfältige Patienten- und Familienanamnese.

Quelle:
  1. Feldkamp (2022): Abklärung sekundärer Hypertonie-Ursachen – Welche Diagnostik ist sinnvoll? Session: Arterielle Hypertonie: Was der Kardiologe wissen muss. DGK Herztage, Hybrid Kongress Bonn und Digital vom 29.09.-01.10.2022
  2. Heyliger, Tangpricha, Weber et al. (2009): Parathyroidectomy decreases systolic and diastolic blood pressure in hypertensive patients with primary hyperparathyroidism. Surgery 146: 1042-1047. DOI: 10.1016/j.surg.2009.09.024
  3. Al Subhi, Boyle, Elston (2022): Systematic Review: Incidence of Pheochromocytoma and Paraganglioma Over 70 Years, J. Endocr. Soc. 6, bvac105, DOI:10.1210/jendso/bvac105
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