
RET steht für rearranged during transfection. Es handelt sich um eine transmembranäre Rezeptor-Protein-Tyrosinkinase, die auf der Oberfläche einer Reihe von Gewebetypen vorhanden ist, darunter das Nervensystem, das Nebennierenmark und die Schilddrüse. Änderungen des RET können zu Funktionsgewinn oder -verlust führen, wobei der RET-Funktionsverlust zu Erkrankungen wie der Hirschsprung-Krankheit führt. Eine abnormale RET-Aktivierung erfolgt durch zwei Mechanismen, die mit Malignität, Mutationen und Fusionen verbunden sind: Sowohl somatische als auch Keimbahn-RET-Mutationen wurden beschrieben und treten am häufigsten beim medullären Schilddrüsenkarzinom und bei Patienten mit multiplem endokrinen Neoplasie-Syndrom auf. Die Aktivierung von RET Punktmutationen tritt bei etwa 60 Prozent der Fälle von medullärem Schilddrüsenkarzinom auf.
RET-Fusionen sind im Vergleich zu den Mutationen typischerweise bei nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) vorhanden. RET-Fusionen treten bei 1 bis 2 Prozent der NSCLC auf und bei 10 Prozent bis 20 Prozent der papillären und anderer Schilddrüsenkarzinome. Wie andere onkogene Treibermutationen bei Lungenkrebs sind Patienten mit RET-Fusionen typischerweise mit jüngerem Alter, weiblichem Geschlecht, Nichtrauchern und asiatischer Ethnizität assoziiert.
Was ist Retsevmo und wofür wird es angewendet?
Retsevmo (Selpercatinib, LOXO-292) von Eli Lilly ist ein selektiver RET-Kinasehemmer. Das Medikament ist als Monotherapie indiziert zur Behandlung von Erwachsenen mit:
- fortgeschrittenem RET-Fusions-positivem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), die eine systemische Therapie nach Platin-basierter Chemotherapie und/oder einer Behandlung mit Immuntherapie benötigen
- fortgeschrittenem RET-Fusions-positivem Schilddrüsenkarzinom, die eine systemische Therapie nach einer Behandlung mit Sorafenib und/oder Lenvatinib benötigen
Darüber hinaus wird Retsevmo als Monotherapie angewendet zur Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit fortgeschrittenem RET-mutierten medullären Schilddrüsenkarzinom (MTC), die eine systemische Therapie nach einer Behandlung mit Cabozantinib und/oder Vandetanib benötigen.
Wie wird Retsevmo angewendet?
Retsevmo ist zum Einnehmen bestimmt. Vor Beginn der Behandlung mit Retsevmo sollte das Vorhandensein einer RET-Gen Fusion (NSCLC und nicht-medulläres Schilddrüsenkarzinom) oder Mutation (MTC) durch einen validierten Test bestätigt werden.
Bei gleichzeitiger Therapie mit einem Protonenpumpen-Inhibitor muss Retsevmo zusammen mit Nahrung eingenommen werden.
Wird zusätzlich mit einem H2-Rezeptor-Antagonisten therapiert, sollte Retsevmo 2 Stunden vor oder 10 Stunden nach dessen Einnahme verabreicht werden.
Dosierung
Die Dosierung von Retsevmo richtet sich nach dem Gewicht des Patienten. Bei weniger als 50 kg beträgt die Dosierungsempfehlung 120 mg zweimal täglich. Ab 50 kg werden 160 mg zweimal täglich empfohlen. Wenn der Patient sich erbricht oder eine Dosis auslässt, sollte er angewiesen werden, die nächste Dosis wie ursprünglich geplant einzunehmen; eine zusätzliche Dosis sollte nicht eingenommen werden. Wird parallel ein starker CYP3A-Inhibitor angewendet sollte die jeweils vorgesehene Selpercatinib-Dosis um 50 Prozent reduziert werden.
Empfehlungen zur gewichtsabhängigen Dosisanpassung bei Nebenwirkungen von Retsevmo können der Fachinformation entnommen werden.
Wie wirkt Retsevmo?
Selpercatinib ist ein Inhibitor der RET-Rezeptor-Tyrosin-Kinase. Bestimmte Punktmutationen in RET oder chromosomale Rearrangements, wie z. B. in-frame RET-Fusionen mit verschiedenen Partnern, können zur Bildung von konstitutiv aktivierten, chimären RET-Fusionsproteinen führen, die als onkogene Treiber durch Förderung der Zellproliferation von Tumorzelllinien wirken können. In in vitro und in vivo Tumormodellen zeigte Selpercatinib Antitumor-Aktivität in Zellen, die eine konstitutive Aktivierung des RET-Proteins infolge von Genfusionen und Mutationen aufweisen, wie z. B. CCDC6-RET, KIF5B-RET, RET V804M, und RET M918T. Außerdem zeigte Selpercatinib bei Mäusen, denen intrakraniell ein vom Patienten stammender RET-Fusions-positiver Tumor implantiert wurde, eine Antitumor-Aktivität.
Gegenanzeigen
Retsevmo darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile.
Nebenwirkungen
Unter der Anwendung von Retsevmo kam es in der Zulassungsstudien sehr häufig (≥ 1/10) zu:
- Vermindertem Appetitt
- Kopfschmerzen, Schwindel
- QT-Intervall-Verlängerung
- Hypertonie
- Bauchschmerzen, Diarrhö,
- Übelkeit, Erbrechen
- Obstipation
- Mundtrockenheit
- Ausschlag
- Fieber, Fatigue, Ödeme
- Alaninaminotransferase (ALT), Aspartataminotransferase (AST) und Kreatinin erhöht
- Thrombozyten, Lymphozyten, Magnesium erniedrigt
- Hämorrhagie
Die häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen (ADRs) sind Hypertonie (0.9%), erhöhte AST (1,6%) und erhöhte ALT (1,6%). 6,0% der Patienten brachen die Retsevmo-Behandlung wegen unerwünschter Ereignisse (unabhängig vom kausalen Zusammenhang) während der Studie dauerhaft ab. Zu den Nebenwirkungen, die zu einem dauerhaften Absetzen führten (2 oder mehr Patienten), gehörten erhöhte ALT-Werte (0,4%), erhöhte AST-Werte (0,3%), Überempfindlichkeit (0,4%) und Thrombozytopenie (0,3%).
Wechselwirkungen
Folgende Wechselwirkungen sind bei der Therapie mit Retsevmo zu beachten
- Selpercatinib wird über CYP3A4 metabolisiert, weshalb Modulatoren von CYP3A4 die Pharmakokinetik von Selpercatinib verändern können.
- Wenn starke CYP3A- und/oder P-gp-Inhibitoren gleichzeitig verabreicht werden, sollte die Selpercatinib-Dosis reduziert werden.
- Der gleichzeitige Einsatz von starken CYP3A4-Induktoren, empfindlichen CYP2C8-Substraten oder empfindlichen CYP3A4-Substraten sollte vermieden werden.
- Selpercatinib ist ein in vitro Inhibitor von P-gp und BCRP. Bei Einnahme eines P-gp-Substrates sollte Vorsicht geboten sein
- Bei gleichzeitiger Therapie mit einem Protonenpumpen-Inhibitor muss Retsevmo zusammen mit Nahrung eingenommen werden.
- Wird zusätzlich mit einem H2-Rezeptor-Antagonisten therapiert, sollte Retsevmo zwei Stunden vor oder zehn Stunden nach dessen Einnahme verabreicht werden.
Studienlage
Informationen zur Studienlage finden Sie hier.