Kinaseinhibitoren

In Tumoren und autoreaktiven Immunzellen sind bestimmte Kinasen meist konstitutiv aktiv und fördern somit eine ligandenunabhängige Proliferation. Durch Hemmung der Kinaseaktivität kann das Tumorwachstum oder das Auftreten von Autoimmunreaktionen reduziert werden.

Anwendung

Die Entwicklung spezifischer Kinaseinhibitoren hat sowohl die Onkologie als auch die Immunologie revolutioniert. Das individuelle Indikationsgebiet erschließt sich in der Regel aus der Kinase, die von dem jeweiligen Inhibitor targetiert wird. Die Vielzahl humaner Kinasen bietet ein breites Anwendungsspektrum für Kinaseinhibitoren im Bereich der Tumor- und Immuntherapie.

Wirkung

Um Differenzierungs- oder Wachstumssignale auf zellulärer Ebene zu prozessieren und schließlich bis auf Transkriptionsebene weiterzuleiten zu können, stehen vielfältige Signalwege zur Verfügung. Zentrale Schaltstellen, die diese Signalwege regulieren, sind unter anderem Phosphorylierungsmuster auf Proteinebene. Durch die negative Ladung der Phosphatgruppe kann eine Konformationsänderung der phosphorylierten Proteine induziert werden, welche nachgeschaltete Protein-Protein-Interaktionen triggert. Diese Interaktionen können wiederum erneut zu Phosphorylierungen führen, die die Signalkaskade aufrechterhalten.

Verantwortlich für die Phosphorylierung von Proteinen sind spezielle Enzyme, die Kinasen. Kinasen können zellulär oder transmembranär (Rezeptor-Tyrosinkinasen, RTK) lokalisiert sein. Im Allgemeinen verfügen Kinasen über eine Ligandenbindungsdomäne (LBD) für den übergeschalteten Stimulus und eine Domäne mit Kinaseaktivität, welche die ATP-abhängige Übertragung einer Phosphatgruppe an das Substrat mit Serin-, Threonin-, oder Tyrosinrest auslöst. Kinasen regulieren somit die Prozessierung von ligandenabhängigen Differenzierungs- und Wachstumssignalen.

In Tumorzellen können Kinasen durch Mutationen konstitutiv und ligandenunabhängig aktiv sein, was dazu führt, dass proliferative Signalwege dauerhaft aktiviert sind und ein unkontrolliertes Wachstum erfolgt. Kinaseinhibitoren können diese überaktiven Signalwege inhibieren, indem sie an einzelnen Schaltstellen der Signalkaskade die Phosphorylierung auf Targetproteine verhindern und somit die Signalweiterleitung unterbrechen. Folglich kann ihr therapeutischer Einsatz eine Tumorprogression und Metastasierung hemmen.

Im Bereich der Immuntherapie hemmen Kinaseinhibitoren die Proliferation autoreaktiver Immunzellen und führen dadurch zur Linderung autoimmunbedingter Beschwerden.

In Abhängikeit von der Substratspezifität unterteilt man Kinaseinhibitoren in:

  • Tyrosinkinaseinhibitoren
  • Serin/Threonin-Kinaseinhibitoren
  • Lipidkinaseinhibitoren

Kinaseinhibitoren können je nach Wirkmechanismus und Target weiterhin unterteilt werden in:

Je nach Selektivität des Kinaseinhibitors kann eine weitere Untergruppierung erfolgen in:

  • Selektive Kinaseinhibitoren
  • Multikinaseinhibitoren

Nebenwirkungen

Zu den häufigsten Nebenwirkungen der Kinaseinhibitoren zählen:

  • Anämie
  • Obstipation
  • Diarrhö
  • Ausschlag
  • Lichtempfindlichkeit
  • Myalgien
  • Arthralgien
  • Ödeme
  • Gewichtszunahme
  • Kopfschmerzen
  • Hämorrhagie
  • Husten
  • Fatigue
  • Infektionen der oberen Atemwege

Wechselwirkungen

  • CYP3A4: Kinaseinhibitoren sind größtenteils Substrate von CYP3A4, sodass Wechselwirkungen mit CYP3A4-Induktoren und/oder -Inhibitoren möglich sind (je nach Kinaseinhibitor können zusätzlich Interaktionen mit weiteren CYP-Enzymen möglich sein).
  • P-gp: Viele Kinaseinhibitoren sind Substrate des P-Glykoprotein-Effluxtransporters. Darüber hinaus besitzen manche Kinaseinhibitoren auch eine inhibitorische Wirkung auf P-gp.
  • BCRP-Substrate (Methotrexat, Mitoxantron, Rosuvastatin): Einige Kinaseinhibitoren sind Substrate des BCRP und können mit anderen BCRP-Substraten, die oftmals in der Krebstherapie angewendet werden, wechselwirken.
  • Strahlentherapie: Einige Kinaseinhibitoren können bei gleichzeitiger Anwendung eine Strahlentherapie verstärken.
  • Gallensalzbinder (Cholestyramin, Cholestagel): Die gleichzeitige Anwendung von Gallensalzbindern kann die Resorption von Kinaseinhibitoren vermindern.   

Kontraindikationen

Im Allgemeinen ist der Einsatz von Kinaseinhibitoren kontraindiziert, wenn Überempfindlichkeiten gegen den jeweiligen Wirkstoff oder sonstige Bestandteile der Formulierung vorliegen. Darüber hinaus können Kinaseinhibitoren wirkstoffabhängig auch bei aktiver Tuberkulose oder schwerwiegenden Infektionen sowie Leberinsuffizienz und Schwangerschaft kontraindiziert sein.

Alternativen

Die bestehenden Therapiealternativen richten sich jeweils nach Erkrankung, Erkrankungsstadium sowie patientenindividuellen Faktoren.

Tumortherapie

  • Strahlentherapie
  • Chemotherapie
  • Antikörpertherapie
  • Operative Therapie

Immuntherapie (vor allem Rheumatoide Arthritis)

Wirkstoffe

*Multikinaseinhibitoren

Hinweise

Viele Kinaseinhibitoren unterliegen einer zusätzlichen individuellen Überwachung. Die betroffenen Präparate sind mit dem schwarzen Dreieck gekennzeichnet (Arzneimittel, die eine zusätzliche Überwachung erfordern).

Autor:
Stand:
25.10.2021
Quelle:
  1. N. R. Weber et al., “Bruton’s tyrosine kinase: An emerging key player in innate immunity,” Front. Immunol., vol. 8, no. NOV, pp. 1–6, 2017, doi: 10.3389/fimmu.2017.01454.
  2. F. M. Ferguson and N. S. Gray, “Kinase inhibitors: The road ahead,” Nat. Rev. Drug Discov., vol. 17, no. 5, pp. 353–376, 2018, doi: 10.1038/nrd.2018.21.
  3. C. Zhu, Y. Wei, and X. Wei, “AXL receptor tyrosine kinase as a promising anti-cancer approach: Functions, molecular mechanisms and clinical applications,” Mol. Cancer, vol. 18, no. 1, 2019, doi: 10.1186/s12943-019-1090-3.
  4. P. Cohen, D. Cross, and P. A. Jänne, “Kinase drug discovery 20 years after imatinib: progress and future directions,” Nat. Rev. Drug Discov., vol. 20, no. 7, pp. 551–569, 2021, doi: 10.1038/s41573-021-00195-4.
  5. R. Chiarle, C. Voena, C. Ambrogio, R. Piva, and G. Inghirami, “The anaplastic lymphoma kinase in the pathogenesis of cancer,” Nat. Rev. Cancer, vol. 8, no. 1, pp. 11–23, 2008, doi: 10.1038/nrc2291.
  6. P. A. Ascierto et al., “The role of BRAF V600 mutation in melanoma,” J. Transl. Med., vol. 10, no. 1, pp. 1–9, 2012, doi: 10.1186/1479-5876-10-85.
  7. D. Cilloni and G. Saglio, “Molecular pathways: BCR-ABL,” Clin. Cancer Res., vol. 18, no. 4, pp. 930–937, 2012, doi: 10.1158/1078-0432.CCR-10-1613.
  8. A. M. Alcalá and K. T. Flaherty, “BRAF inhibitors for the treatment of metastatic melanoma: Clinical trials and mechanisms of resistance,” Clin. Cancer Res., vol. 18, no. 1, pp. 33–39, 2012, doi: 10.1158/1078-0432.CCR-11-0997.
  9. Fachinformationen der Wirkstoffe dieser Wirkstoffklasse (Kinaseinhibitoren)
  10. Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
  11. Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
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