Chronische Rückenschmerzen betreffen ca. 10% der deutschen Bevölkerung und werden definiert als Schmerzen im Bereich des Rückens, die über zwölf Wochen andauern. Eine pragmatische Definition, findet Professor Dr. Jean-François Chenot, Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin in der Universitätsmedizin Greifswald und Autor einer Übersichtsarbeit zur Pharmakotherapie bei chronischen Rückenschmerzen [1]. Tatsächlich zeigten viele Patienten rezidivierende Schmerzen im Bereich des Rückens oder chronische Schmerzen mit einer schwankenden Intensität und funktionellen Beeinträchtigung.
Evidenz, NVL und Fazit für die Praxis
Die Übersichtsarbeit gibt einen Überblick zur Evidenz verschiedener Schmerzmittelklassen und weiterer Wirkstoffgruppen, die bei der Therapie von chronischen Rückenschmerzen eingesetzt werden. Dabei werden aktuelle Studienlage, Empfehlungen aus der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Kreuzschmerzen [2] und der sogenannten LONTS (Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen)-Leitlinie der Deutschen Schmerzgesellschaft [3] aufgeführt und verglichen. Basierend darauf folgt ein Fazit für die Praxis und Prinzipien, die bei der medikamentösen Behandlung von chronischen Rückenschmerzen Orientierung bieten.
Nichtsteroidale Antirheumatika
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSARs) stellen die am häufigsten verordnete Wirkstoffgruppe bei Rückenschmerzen dar. Die nachgewiesene Wirksamkeit ist allerdings nur gering und die Qualität der vorhandenen Studien schwach.
Dauertherapie und Nebenwirkungen
Aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils sind NSARs für eine Dauertherapie bei chronischen Schmerzen kaum geeignet. Neben den gastrotoxischen Nebenwirkungen ist Vorsicht geboten bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 30 ml/min) bei gleichzeitiger Einnahme von Acetylsalicylsäure oder oralen Antikoagulanzien. Wird Acetysalicylsäure zur Plättchenhemmung eingenommen, sollte dies zwei Stunden vor der Einnahme eines NSAR erfolgen. Weiterhin werden auch kardiotoxischer Wirkungen angenommen.
Einsatz in der Praxis
Patienten nehmen NSARs hauptsächlich als Bedarfsmedikation, eine Dauereinnahme ist bei Rückenschmerzen selten. Nur bei Spondylarthropathien wird eine Dauereinnahme empfohlen. Die Anwendung von NSARs zur Bedarfsmedikation bei auftretenden Exazerbationen sei vertretbar, so der Autor.
Coxibe
Coxibe zeigen, verglichen mit Paracetamol oder Placebo, eine geringe Wirksamkeit bei chronischen Rückenschmerzen. Bei direkten Vergleichen von Coxiben und NSAR zeigten sich keine Unterschiede in der Wirksamkeit.
Nebenwirkungen
Coxibe haben kardiotoxische Nebenwirkungen. Eine nachgewiesene koronare Herzkrankheit (KHK) oder das erhöhte Risiko an einer solchen zu erkranken, stellen laut Fachinformation eine Kontraindikation zum Einsatz von Coxiben dar. Neue Metaanalysen bestätigten dies, allerdings nur für den Wirkstoff Rofecoxib.
Paracetamol, Metamizol und Opioide
Paracetamol
Paracetamol wird nicht mehr zur Therapie von chronischen Kreuzschmerzen empfohlen. Dies fand auch Eingang in die NVL Kreuzschmerz (Empfehlung 6-7). Mehrere placebokontrollierte Studien zur Wirksamkeit bei Kreuzschmerzen verliefen negativ.
Metamizol
Zur Verwendung von Metamizol bei chronischen Rückenschmerzen liegen keine Studien vor. Trotzdem wird Metamizol als Therapie in der NVL aufgeführt, als Option, wenn NSARs und Coxibe kontraindiziert sind. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft empfiehlt bei Langzeitanwendung ein regelmäßiges Monitoring des Blutbildes, um eine mögliche Agranulozytose rechtzeitig zu erkennen.
Opioide
In der NVL werden Opioide als Behandlungsoption angeführt, wenn nichtopioide Analgetika keinen Behandlungserfolg zeigen. Die Leitlinie empfiehlt auch die zeitliche Begrenzung des Einsatzes auf vier bis maximal zwölf Wochen. Eine Metaanalyse sieht keine ausreichende Wirksamkeit von Opioiden bei der Therapie von Rückenschmerzen.
Bewertung weiterer Wirkstoffgruppen zur Therapie chronischer Rückenschmerzen
Muskelrelaxanzien
In der NVL erhalten Muskelrelaxanzien eine negative Empfehlung sowohl bei akuten als auch bei chronischen Rückenschmerzen. Eine Zulassung zur Langzeittherapie von über 30 Tagen bei muskuloskelettalen Schmerzen haben Tizanidin und Pridinol. Die Zulassung von Tetrazepam ruht aktuell.
Antiepileptika
Es wird vermutet, dass bei chronischen Rückenschmerzen auch eine neuropathische Komponente eine Rolle spielt. Studien, die dies bestätigen fehlen jedoch. Daher werden die Antiepileptika Gabapentin, Pregabalin, Topiramat und Carbamazepin in der NVL nicht empfohlen.
Antidepressiva
Die NVL empfiehlt die Therapie mit Antidepressiva bei chronischen Rückenschmerzen nur, wenn eine Depression nachgewiesen wurde.
Fazit für die Praxis
In der Therapie von chronischen Rückenschmerzen spielt die medikamentöse Therapie eine untergeordnete Rolle. Eine Kombination mit nichtpharmakologischen Maßnahmen wird angeraten.
Daneben sollte die Therapie chronischer Rückenschmerzen zielgerichtet und individualisiert erfolgen. Am Beginn der Therapie stehen Schmerzmessung und Dokumentation des Schmerzgeschehens mit Hilfe einer numerischen Ratingskala oder einer visuellen Analogskala. Ein Therapieziel sollte festgelegt und dessen Erreichen regelmäßig überprüft werden. Psychosoziale Einflüsse müssen Berücksichtigung finden.
Zur Bedarfsmedikation beim Auftreten von Schmerzspitzen eignen sich NSARs, Coxibe und Metamizol. Opioide sollten in der Bedarfsmedikation keine Anwendung finden und Antidepressiva nur eingesetzt werden, wenn auch eine Depression diagnostiziert wurde.









