H1-Antihistaminika

H1-Antihistaminika blockieren Histamin-Rezeptoren und verhindern so die Wirkungen des Mediators. Seit den 80er Jahren haben H1-Antihistaminika der zweiten Generation die stark sedierenden Wirkstoffe der ersten Generation in der Therapie der Allergie verdrängt. Die Wirkstoffe sind neben den topischen Glucocorticoiden Mittel der ersten Wahl bei dieser Indikation.

Tabletten Blister

H1-Antihistaminika werden lokal als Augentropfen oder Nasenspray oder systemisch in Form von Tabletten oder Säften angewendet. Sie sind gegen nasale und nicht nasale Symptome wirksam, allerdings zum Teil etwas weniger effektiv bei nasaler Obstruktion.

Neuere Wirkstoffe, wie Desloratadin oder Levocetirizin, haben hingegen eine erhöhte Rezeptoraffinität, die mit der antientzündlichen Wirkung in Zusammenhang steht und sind daher auch bei nasaler Obstruktion wirksam [1].

Die oralen Antihistaminika werden in der Regel einmal täglich eingenommen, die nasalen zweimal täglich appliziert [11-19].

Die »Clinical Practice Guideline: Allergic Rhinitis« der Amercian Academy of Otolaryngology-Head and Neck Surgery (AAO-HNSF) empfiehlt die Anwendung oraler H1-Antihistaminika insbesondere bei Patienten mit den Symptomen Niesen und Juckreiz. Nasale Antihistaminika sind insbesondere geeignet für Patienten mit intermittierenden nasalen Symptomen oder als Prophylaxe vor nasaler Allergenexposition [2].

Lokal angewendete H1-Antihistaminika

Systemisch angewendete H1-Antihistaminika

Was gibt es zu beachten?

  • Loratadin und Desloratadin werden über das Cytochrom-P450-Enzymsystem metabolisiert, was ein Interaktionspotential birgt [9].
  • Bei Patienten mit leichter bis mäßiger Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung von Cetirizin und Levocetirizin nötig, bei schwerer Niereninsuffizienz sind die beiden Wirkstoffe kontraindiziert [11-12].
  • Dimetinden und Clemastin sind H1-Antihistaminika der ersten Generation, daher treten sehr häufig Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Sedierung auf [15-16].
  • Clemastin ist in zahlreichen Fällen kontraindiziert, wie beispielsweise bei schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen, Engwinkelglaukom, Prostatahyperplasie sowie in Kombination mit Azol-Antimykotika und Makroliden [16].
  • Bei der Anwendung nasaler H1-Antihistaminika ist insbesondere die Nebenwirkung des bitteren Geschmacks von Azelastin zu berücksichtigen [17].

Zwar sind intranasale Glucocorticoide den H1-Antihistaminka bei allergischer Rhinitis überlegen, dennoch kann eine einmal tägliche orale Einnahme vom Patienten gegenüber der nasalen Applikation bevorzugt werden. Die Berücksichtigung des Patientenwunsches kann die Compliance fördern und H1-Antihistaminika sind bei milden bis moderaten Symptomen eine gute Alternative [2].

Vergleich der oralen H1-Antihistaminika

Vergleich Antihistaminika

Studienlage

Die Wirksamkeit der H1-Antihistaminika bei allergischer Rhinitis wurde in zahlreichen randomisierten, kontrollierten sowie Beobachtungsstudien bei Erwachsenen und Kindern belegt. Die Evidenz ist hoch, die meisten Untersuchungen zu nasalen H1-Antihistaminka betrachteten jedoch nur einen kurzen Behandlungszeitraum (2 Tage bis 8 Wochen). Endpunkte waren hierbei häufig Symptom-Scores oder die Lebensqualität (QOL) [2,3].

Nasal anzuwendende H1-Antihistaminika können laut der amerikanischen Leitlinie als Erst- oder Zweitlinientherapie der allergischen Rhinitis betrachtet werden. Die Wirkstoffe zeigten in verschiedenen randomisierten, kontrollierten und verblindeten Studien eine vergleichbare oder überlegene Wirksamkeit auf nasale Symptome im Vergleich zu oralen Wirkstoffen, sogar in Patienten, die nicht auf orale Antihistaminika ansprachen [2].

Es zeigte sich, dass die Langzeitanwendung oraler H1-Antihistaminika vorteilhafter als eine Bedarfsmedikation ist. Gerade bei intermittierender allergischer Rhinitis kann aber auch eine gelegentliche Einnahme die Symptome mildern [2,3]. Es gibt bisher wenige Studien, die die Wirkstoffe der zweiten Generation untereinander vergleichen. Die vorhandenen Daten lassen vermuten, dass Cetirizin und das aktive Enantiomer Levocetirizin am potentesten sind, aber im Gegensatz zu den anderen Wirkstoffen der Gruppe auch ein moderates Risiko für sedierende Nebenwirkungen aufweisen [2].

H1-Antihistaminika der 1. Generation

In verschiedenen hochwertigen klinischen Studien konnte bewiesen werden, dass H1-Antihistaminika der neueren Generation im Vergleich zu Wirkstoffen der ersten Generation sowohl sicherer sind als auch eine bessere Potenz und Wirksamkeit aufweisen [1,3]. H1-Antihistaminika der ersten Generation haben eine geringe Rezeptorselektivität und passieren die Blut-Hirn-Schranke. Infolgedessen kommt es zu anticholinergen Nebenwirkungen, Müdigkeit, Sedierung und einer Beeinträchtigung kognitiver Funktionen.

Darüber hinaus sind die H1-Antihistaminika-Wirkungen im Gehirn in erster Linie für die potenziell lebensbedrohliche Toxizität von Wirkstoffen der ersten Generation bei Überdosierung verantwortlich. Aufgrund der Nebenwirkungen besteht ein erhöhtes Risiko für Unfälle im Straßenverkehr sowie Todesfällen infolge versehentlicher oder absichtlicher Überdosierung [5,6]. Clemastin weist beispielsweise bei Überdosierung zudem eine Kardiotoxizität auf [16].

In einem Positionspapier resümiert das Global Allergy and Asthma European Network (GA2LEN), dass H1-Antihistaminika der ersten Generation nicht mehr rezeptfrei erhältlich sein sollten, da es durch moderne nichtsedierende Wirkstoffe bessere Alternativen gebe [5]. Auch die Canadian Society of Allergy Clinical Immunology (CSACI) kommt zu diesem Schluss. Die CSACI betont, dass die Aufklärung der Angehörigen der Gesundheitsberufe und der Öffentlichkeit über die Risiken der Wirkstoffe der ersten Generation erforderlich sei [6].

Vergleich mit topischen Glucocorticoiden

Zwar zeigten die meisten Studien, dass orale H1-Antihistaminika weniger effektiv sind als intranasale Glucocorticoide, für Patienten mit milden bis moderaten Symptomen sind H1-Antihistaminika aber eine gute Alternative mit schnellem Wirkeintritt. Die Kombination oraler H1-Antihistaminika mit topischen Glucocorticoiden zeigten keinen Zusatznutzen im Vergleich zu einer Glucocorticoid-Monotherapie [2,3].

Die Datenlage zum Vergleich nasaler H1-Antihistaminika mit topischen Glucocorticoiden ist heterogen. Im Zuge einer internationalen Konsenserklärung wurden 12 Studien gefunden, von denen 2 Ergebnisse zugunsten der Antihistaminika, 3 zugunsten der Glucocorticoide und 7 keine Unterschiede zeigten [3].

Autor:
Stand:
27.09.2021
Quelle:
  1. DGAKI: Leitlinie Allergische Rhinokonjunktivitis
  2. Sedman et al. Clinical Practice Guideline: Allergic Rhinitis. Otolaryngol Head Neck Surg 2015 Feb;152(1 Suppl):S1-43. DOI: 10.1177/0194599814561600
  3. Wise et al. International Consensus Statement on Allergy and Rhinology: Allergic Rhinitis. Int Forum Allergy Rhinol 2018 Feb;8(2):108-352. DOI: 10.1002/alr.22073
  4. Klimek et al. ARIA guideline 2019: treatment of allergic rhinitis in the German health system Allergol Select. 2019; 3(1): 22–50. 2019 Dec 30. DOI: 10.5414/ALX02120E
  5. Church MK, Maurer M, Simons FER, Bindslev-Jensen C, van Cauwenberge P, Bousquet J, Holgate ST, Zuberbier T. Risk of first-generation H1-antihistamines: a GA2LEN position paper. Allergy 2010; 65: 459–466. DOI: 10.1111/j.1398-9995.2009.02325.x
  6. Fein, M.N., Fischer, D.A., O’Keefe, A.W. et al. CSACI position statement: Newer generation H1-antihistamines are safer than first-generation H1-antihistamines and should be the first-line antihistamines for the treatment of allergic rhinitis and urticaria. Allergy Asthma Clin Immunol 15, 61 (2019). DOI: 10.1186/s13223-019-0375-9
  7. Neubeck (2019) Evidenzbasierte Selbstmedikation, 4. Auflage, Deutscher Apothekerverlag
  8. Lennecke, Hagel (2016) Selbstmedikation – Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung, 6. Auflage, Deutscher Apothekerverlag
  9. Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  10. Charité Universitätsmedizin Berlin: Embryotox
  11. Heumann Pharma: Fachinformation Cetirizin Heumann
  12. Ratiopharm GmbH: Fachinformation Levozetirizin-ratiopharm
  13. Hexal AG: Fachinformation Lorano akut
  14. Hexal AG: Fachinformation LoranoPro
  15. Novartis Consumer Health GmbH: Fachinformation Fenistil Tropfen
  16. Novartis Consumer Health GmbH: Fachinformation Tavegil
  17. MEDA Pharma GmbH & Co. KG: Fachinformation Allergodil Nasenspray
  18. McNeil GmbH & Co. oHG: Fachinformation Livocab direkt
  19. Théa Pharma GmbH: Fachinformation Zadithen ophtha sine Augentropfen
  20. Ratiopharm GmbH: Fachinformation ratioAllerg
  21. GlaxoSmithKline Consumer Healthcare GmbH & Co. KG: Fachinformation OtriAllergie Nasenspray Fluticason
  22. Hexal AG: Fachinformation MometaHexal
  23. Hexal AG: Fachinformation CromoHEXAL Kombi
  24. Merck Selbstmedikation GmbH: Fachinformation Nasivin Erwachsene
  25. Cassella-med GmbH & Co. KG: Fachinformation nasic Nasenspray
  26. Johnson & Johnson GmbH: Fachinformation Reactine duo
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