
Nachdem die Verwendung von Fedratinib (damals vertrieben von Sanofi) im Jahr 2013 aufgrund von schwerwiegenden Nebenwirkungen durch die FDA gestoppt wurde, erlebt der Januskinase-Inhibitor nun ein Comeback. Am 11. Dezember 2020 empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (CHMP) die Zulassung von Inrebic, die am 10. Februar 2021 durch die Europäische Kommission bestätigt wurde.
Was ist Inrebic und wofür wird es angewendet?
Inrebic (Fedratinib) von Celgene ist das erste, einmal täglich oral einzunehmende Medikament, das ein klinisch bedeutsames Ansprechen bezüglich der Reduktion des Milzvolumens sowie eine Verbesserung der krankheitsbedingten Symptomlast bei Patienten mit Myelofibrose, die auf eine Behandlung mit Ruxolitinib nicht angesprochen oder die noch keinen JAK-Inhibitor erhalten haben, gezeigt hat.
Das Medikament ist zugelassen für die Behandlung krankheitsbedingter Splenomegalie (Vergrößerung der Milz) oder Symptome bei erwachsenen Patienten die nicht mit einem Janus-assoziierten Kinase (JAK)-Inhibitor vorbehandelt sind oder die mit Ruxolitinib behandelt wurden, mit:
- Primärer Myelofibrose
- Post-Polycythaemia Vera-Myelofibrose
- Post-Essentielle Thrombozythämie-Myelofibrose
Über Myelofibrose
Die Myelofibrose ist eine seltene, aber schwere Erkrankung der pluripotenten hämatopoetischen Stamm- und Progenitorzellen des Knochenmarks, bei der es durch eine Dysregulation des JAK2-Signalwegs zu einer abnormen Proliferation der Hämatopoese und einer pathologisch gesteigerten Freisetzung verschiedener Zytokine und Wachstumsfaktoren. In der Folge wird das Knochenmark nach und nach durch fibröses Narbengewebe ersetzt, wodurch die Fähigkeit zur Bildung von Blutzellen eingeschränkt wird. Die Störung kann unter anderem zu Anämie, Schwäche, Fatigue und Vergrößerung von Milz und Leber führen. In der EU wird die Diagnose Myelofibrose jedes Jahr bei etwa 1 pro 100.000 Einwohnern gestellt.
Wie wird Inrebic angewendet?
Inrebic wird oral eingenommen. Die Kapseln dürfen nicht geöffnet, zerbrochen oder zerkaut werden. Patienten, die vor Beginn der Inrebic-Behandlung mit Ruxolitinib behandelt werden, müssen Ruxolitinib gemäß der Fachinformation von Ruxolitinib ausschleichend absetzen. Vor Beginn und in regelmäßigen Abständen während der Behandlung mit Inrebic sollten folgende Werte erhoben werden:
- Thiamin (Vitamin B1)
- ein großes Blutbild
- Leberpanel
- Amylase/Lipase
- Blut-Harnstoff-Stickstoff (BUN)
- Kreatinin
Bei einem Thiaminmangel sollte die Behandlung erst begonnen werden, wenn die Thiaminspiegel aufgefüllt worden sind.
Liegen der Ausgangswert der Thrombozytenzahl unter 50 x 109/l und die absolute Neutrophilenzahl (ANC) unter 1,0 x 109/l wird nicht empfohlen mit der Inrebic-Behandlung zu beginnen.
In den ersten acht Wochen der Behandlung wird empfohlen prophylaktisch Antiemetika gemäß lokaler Behandlungsstandards anzuwenden und danach wie klinisch angezeigt fortzusetzen. Wird Inrebic mit einer fettreichen Mahlzeit verabreicht, kann die Häufigkeit von Übelkeit und Erbrechen verringert werden.
Dosierung
Die empfohlene Dosis von Inrebic beträgt 400 mg einmal täglich.
Wie wirkt Inrebic?
Fedratinib ist ein Kinase Inhibitor mit Aktivität gegen Wildtyp und Mutations-aktivierter Janus-Assoziierter Kinase 2 (JAK2) und FMS-like Tyrosine Kinase 3 (FLT3). Der Wirkstoff ist ein JAK2-selektiver Inhibitor, der eine höhere Wirkstärke für JAK2 als gegenüber den anderen Mitgliedern der JAK-Familie (JAK1, JAK3 und TYK2) aufweist. Eine abnorme Aktivierung von JAK2 ist mit myeloproliferativen Neoplasien, darunter auch Myelofibrose und Polycythaemia-vera, assoziiert.
In Zellmodellen mit Exprimierung der mutationsaktivierten JAK2 oder FLT3 verringerte Fedratinib die Phosphorylierung von STAT3/5-Proteinen (Signaltransduktoren und -aktivatoren der Transkription; STAT), hemmte die Zellproliferation und induzierte die Apoptose.
In Mausmodellen zu JAK2V617F-gesteuerter myeloproliferativer Erkrankung blockierte Fedratinib die Phosphorylierung von STAT3/5, verlängerte das Überleben und verbesserte die krankheitsbedingte Symptomatik, darunter die Reduktion weißer Blutkörperchen, Hämatokrit, Splenomegalie und Fibrose.
Gegenanzeigen
Inrebic darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen sonstigen Bestandteile des Arzneimittels sowie in der Schwangerschaft.
Nebenwirkungen
Sehr häufige Nebenwirkungen von Inrebic (die mehr als 1 von 10 Behandelten betreffen können) sind:
- Diarrhö,
- Nausea
- Erbrechen
- Anämie
- Thrombozytopenie
Sehr häufige ernste Nebenwirkungen von Inrebic (die bis zu 1 von 10 Behandelten betreffen können) sind Anämie und Diarrhö.
Wechselwirkungen
Fedratinib wird in vitro von mehreren CYP-Enzymen metabolisiert, überwiegend durch CYP3A4 und zu einem geringeren Anteil durch CYP2C19, sowie durch flavinhaltige Monooxygenasen (FMO), weshalb folgende Wechselwirkungen zu beachten sind:
- Die gleichzeitige Verabreichung von Inrebic mit starken CYP3A4-Inhibitoren erhöht die Inrebic-Exposition. Wenn starke CYP3A4-Inhibitoren nicht ersetzt werden können, sollte die Dosis von Inrebic bei Verabreichung mit starken CYP3A4-Inhibitoren (z. B. Ketoconazol, Ritonavir) reduziert werden.
- Wirkstoffe, die gleichzeitig CYP3A4 und CYP2C19 hemmen (z. B. Fluconazol, Fluvoxamin), oder die Kombination von CYP3A4- und CYP2C19-Inhibitoren können die Fedratinib-Exposition erhöhen und sollten bei Patienten, die Inrebic erhalten, vermieden werden.
- Wirkstoffe, die stark oder moderat CYP3A4 induzieren (z. B. Phenytoin, Rifampicin, Efavirenz), können die Inrebic-Exposition verringern und sollten deshalb vermieden werden.
- Wenn Inrebic zusammen mit einem Substrat von CYP3A4 (z. B. Midazolam, Simvastatin), CYP2C19 (z. B. Omeprazol, S-Mephenytoin) oder CYP2D6 (z. B. Metoprolol, Dextromethorphan) verabreicht werden soll, sollten Dosisanpassungen der gemeinsam verabreichten Arzneimittel nach Bedarf unter enger Überwachung der Sicherheit und Wirksamkeit vorgenommen werden.
- Die gleichzeitige Anwendung von hämatopoetischen Wachstumsfaktoren und Inrebic wurde nicht untersucht. Die Sicherheit und Wirksamkeit einer gemeinsamen Anwendung ist nicht bekannt.
Studienlage
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Fedratinib bei Myelofibrose-Patienten wurde in den pivotalen klinischen Studien JAKARTA (NCT01437787) und JAKARTA-2 (NCT01523171) mit 608 Patienten untersucht, die mehr als eine Dosis Fedratinib (im Bereich von 30 mg bis 800 mg) erhielten und von denen 459 an Myelofibrose erkrankt waren.
JAKARTA
JAKARTA war eine randomisierte, Placebo-kontrollierte, doppelblinde, multizentrische, internationale, dreiarmige Phase-III-Zulassungsstudie an JAK-Inhibitor naiven Myelofibrose-Patienten. In die Studie wurden 289 Patienten eingeschlossen, die randomisiert entweder 500 mg Fedratinib(n=97), 400 mg Fedratinib(n=96) oder Placebo (n=96) erhielten.
Der primäre Endpunkt war definiert als die Ansprechrate der Patienten mit mindestens 35%iger Milzvolumenreduktion (gemessen mittels bildgebendem Verfahren) zum Ende des sechsten Zyklus (nach 24 Wochen) im Vergleich zur Baseline, bestätigt durch einen weiteren Scan vier Wochen später.
Ergebnis:
Der primäre Endpunkt wurde in signifikant mehr Patienten der 400mg (36%) und 500mg (40%) Gruppen erreicht als in der Placebo Gruppe (1%) (P<0.001, für beide Dosen)
JAKARTA-2
JAKARTA-2 war eine einarmige, multizentrische, internationale Phase-II-Studie bei Myelofibrose-Patienten, die zuvor mit Ruxolitinib behandelt wurden.
Der primäre Endpunkt war definiert als die Ansprechrate der Patienten mit mindestens 35%iger Milzvolumenreduktion am Ende des sechsten Zyklus (nach 24 Wochen) im Vergleich zur Baseline.
Ergebnis:
Der primäre Endpunkt wurde in 31% (95%CI 22%, 41%) der Patienten (ITT Population) erreicht.