Barbiturate

Barbiturate sind als Anxiolytika, Hypnotika und Antikonvulsiva wirksam. Aufgrund des deutlich höheren Sucht- und Überdosierungsrisikos sowie des Fehlens eines Antidots wurden sie im medizinischen Alltag, insbesondere bei der Behandlung von Angstzuständen und Schlaflosigkeit, weitgehend durch Benzodiazepine und Nichtbenzodiazepine („Z-Drugs“) ersetzt.

Anwendung

Barbiturate sind eine Gruppe von sedativ-hypnotisch wirkenden Medikamenten, die zur Behandlung von Anfallsleiden, neonatalem Abstinenzsyndrom, Schlaflosigkeit, präoperativer Angst und Koma-Induktion bei erhöhtem Hirndruck angewendet werden. Darüber hinaus werden sie auch zur Einleitung einer Anästhesie eingesetzt.

Bekanntester Vertreter ist Phenobarbital, das als Antiepileptikum eingesetzt wird.

In der Schweiz wird Pentobarbital im Rahmen der Sterbehilfe angewendet.

Wirkung

Barbiturate wirken über eine postsynaptische Verstärkung von GABA, indem sie mit Alpha- und Beta-Untereinheiten des GABA-A-Rezeptors interagieren. Hierbei erhöhen Barbiturate den Chloridioneneinstrom, was zu einer GABA-induzierten postsynaptischen Hemmung führt.

Sowohl Barbiturate als auch Benzodiazepine interagieren mit GABA-A-Rezeptoren, doch führen Barbiturate im Gegensatz zu Benzodiazepinen selbst bei sehr geringer GABA-Konzentration zu einer Verlängerung der Dauer der durch den Neurotransmitter GABA bewirkten Öffnung des Kanals. Da Benzodiazepine am GABA-Rezeptor nur in Anwesenheit von GABA wirken können, sind sie in ihrer Wirkung limitiert. Barbiturate hingegen wirken nicht wie Benzodiazepinen nur schlafanstoßend, sondern in höherer Dosierung auch schlaferzwingend.

Problematisch ist ihre geringe therapeutische Breite.

Barbiturate wirken dosisabhängig:
 
Sedierung ➔ Schlaf ➔ Anästhesie ➔ Koma

Barbiturate

Nebenwirkungen

  • Wenn Barbiturate als i.v.-Anästhetika verabreicht werden, bewirken sie eine Senkung des Blutdrucks und eine Erhöhung der Herzfrequenz. Darüber hinaus können Atemdepression und Apnoe auftreten
  • Thiopental kann zu einer Histaminfreisetzeng führen, während Methohexital und Pentobarbital nur eine minimale Histaminfreisetzung bewirken
  • Paradoxe Erregung vor allem bei Kindern und Senioren
  • Die Extravasation von Thiopental kann schwere Gewebenekrose verursachen. Wenn eine Extravasation auftritt, umfassen Behandlungsmaßnahmen Hyaluronidase und Phentolamin
  • Der Plazentatransfer erfolgt innerhalb von einer Minute nach der Verabreichung. Bei Verwendung als Medikamente zur Einleitung eines Kaiserschnitts kann es zu neonataler Depression kommen
  • Bei Verwendung von Thiopental zur Narkoseeinleitung für einen Kaiserschnitt lag die höchste Konzentration von Thiopental in der Muttermilch beim ersten Stillen nach der Narkose bei etwa 0,9 mg/l
  • Bei abruptem Absetzen von Barbituraten können Entzugssymptome auftreten: Nervosität, Zittern, Erregung und Hypotonie. Außerdem können Patienten ein Delirium oder Grand-Mal-Anfälle entwickeln
  • Toleranzentwicklung
  • Aufgrund der Möglichkeit einer Photosensibilisierung soll während der Anwendung von Phenobarbital starke Sonnenbestrahlung vermieden werden
  • Unter der Anwendung von Phenobarbital wurden Fälle von lebensbedrohlichen Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und Toxisch epidermaler Nekrolyse (TEN)) berichtet

Wechselwirkungen

Phenobarbital ist bekanntermaßen ein Induktor des Cytochrom-Enzymsystems, insbesondere der CYP1A2-, 2B6-, 2C9- und 3A4/5-Isozyme, die die Wirksamkeit von Warfarin, Steroiden, oralen Kontrazeptiva, Psychopharmaka und Immunsuppressiva verringern. Darüber hinaus senkt Phenobarbital auch die Plasmakonzentrationen anderer Antiepileptika wie Lamotrigin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Tiagabin, Valproat.

Bei gleichzeitiger Anwendung von anderen sedierenden und/oder atemdepressiven Medikamenten kann es zu einer Vertstärkung der Efffekte kommen.

Kontraindikationen

Absolute Kontraindikationen für jedes Barbiturat sind Status asthmaticus sowie akute und intermittierende Porphyrie.

Alternativen

Neben den Barbituraten wirken auch Benzodiazepine anxyolytisch, sedierend oder krampflösend.

Wirkstoffe

Die Einteilung der Barbiturate erfolgt nach ihrer Wirkdauer:

Ultrakurz wirkenden Substanzen (Wirkung bis 10 Minuten)

Kurz und mittellang wirkende Substanzen (Wirkung hält 2 bis 6 Stunden an)

Lang wirkende Barbiturate (Wirkung von mehr als 6 Stunden)

Hinweise

Barbiturate dürfen nur unter Vorsicht angewendet werden bei:

  • akuter hepatischer Porphyrie
  • schweren Nieren- oder Leberfunktionsstörungen
  • schweren Herzmuskelschäden
  • Abhängigkeitserkrankungen in der Anamnese
  • Atemwegserkrankungen, insbesondere, wenn sie mit Dyspnoe und Obstruktion einhergehen
  • positiver (Familien-)Anamnese einer affektiven Störung
  • Patienten mit Bewusstseinsstörung

Bei längerer Anwendung (über eine Woche) sollte beim Absetzen die Dosis schrittweise reduziert werden.

Quelle:
  1. Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth; Medizinische Chemie 2. Auflage 2010
  2. Fachinformationen der einzelnen Wirkstoffe
  3. Skibiski, J., & Abdijadid, S. (2021). Barbiturates. In StatPearls

Abbildung

Adapted from „GABA Synthesis and Uptake”, by Biorender.com

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