
Beim NSCLC führen Chromosomenumlagerungen (Fusionen) zwischen dem Rearranged during transfection (RET)-Gen und einer anderen Domäne, am häufigsten der Kinesinfamilie 5B (KIF5B) und der Coiled-Coil-Domäne 6 (CCDC6), zu einer Überexpression des RET-Proteins. Die RET‐Fusion tritt bei 1 bis 2 Prozent der NSCLC auf, insbesondere bei jüngeren Nichtrauchern mit Adenokarzinom‐Histologie. Sie scheinen mit einem hohen Metastasierungsrisiko im Gehirn verbunden zu sein.
Frühere auf RET gerichtete Wirkstoffe waren Multi-Targeting-TKIs mit Indikationen bei anderen soliden Tumoren wie Nierenzellkarzinom, hepatozellulärem Karzinom oder Schilddrüsenkarzinom. Obwohl diese Medikamente die RET-Tyrosinkinase hemmten, hatten sie eine begrenzte Wirksamkeit für RET, da sie keine RET-spezifischen Inhibitoren waren.
Was ist Gavreto und wofür wird es angewendet?
Gavreto von Roche mit dem Wirkstoff Pralsetinib (BLU-667) ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI), der als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit RET-Fusions-positivem, fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) angewendet wird, die zuvor nicht mit einem RET-Inhibitor behandelt wurden.
Bereits im März 2021 kam mit Selpercatinib (Retsevmo) ein erster selektiver RET-Hemmer auf den deutschen Markt, der zwar auch beim RET-Fusions-positivem NSCLC angewendet werden kann, jedoch nicht als Firstline-Therapie. Damit ist Gavreto die erste und einzige zielgerichtete First-Linie-Therapieoption bei RET-Fusions-positivem NSCLC.
Wie wird Gavreto angewendet?
Gavreto ist für die orale Einnahme bestimmt. Die Hartkapseln sollen im Ganzen mit einem Glas Wasser auf leeren Magen geschluckt werden und die Patienten darauf hingewiesen werden mindestens zwei Stunden vor und mindestens eine Stunde nach der Einnahme von Pralsetinib nichts zu essen.
Dosierung
Die empfohlene Dosis beträgt 400 mg Pralsetinib einmal täglich auf leeren Magen. Die Behandlung sollte bis zu einer Krankheitsprogression oder dem Auftreten einer inakzeptablen Toxizität fortgesetzt werden.
Wie wirkt Gavreto?
Pralsetinib ist ein potenter Proteinkinase-Inhibitor, der selektiv gegen onkogene RET-Fusionen (KIF5B-RET und CCDC6-RET) gerichtet ist. RET-Fusionen stellen beim NSCLC einen der wesentlichen onkogenen Treiber dar. Die verstärkte RET-Onkogenexpression ist jedoch auch Kennzeichen vieler anderer Krebsarten.
Obwohl Multikinase-Inhibitoren, einschließlich Cabozantinib, Ponatinib, Sorafenib, Sunitinib und Vandetanib, Wirksamkeit bei RET-induzierten Krebserkrankungen gezeigt haben, ist ihre mangelnde Spezifität im Allgemeinen mit erheblicher Toxizität verbunden.
Pralsetinib und Selpercatinib (LOXO-292) stellen die erste Generation spezifischer RET-RTK-Inhibitoren zur Behandlung von RET-induzierten Krebserkrankungen dar.
Gegenanzeigen
Gavreto darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile.
Nebenwirkungen
Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen unter der Anwendung von Gavreto waren:
- Anämie (47,2%)
- erhöhte Aspartat-Aminotransferase (46,0%)
- Neutropenie (43,9%)
- Obstipation (41,9%)
- Schmerzen des Muskel- und Skelettsystems (39,8%)
- Fatigue (37,3%)
- Leukopenie (35,4%)
- erhöhte Alanin-Aminotransferase (33,9%)
- Hypertonie (33,0%)
Die häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen waren:
- Pneumonie (11,7%)
- Pneumonitis (5,3%)
- Anämie (3,8%)
Wechselwirkungen
Folgende Wechselwirkungen sind bei der Anwendung von Gavreto zu beachten:
- Die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4-Inhibitoren oder kombinierten P-gp- und starken CYP3A4-Inhibitoren kann die Plasmakonzentrationen von Pralsetinib erhöhen. Hierdurch kann die Inzidenz und der Schweregrad von Nebenwirkungen zunehmen
- Die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A4-Induktoren kann die Plasmakonzentrationen von Pralsetinib senken, was die Wirksamkeit von Pralsetinib verringern kann. eine gleichzeitige Anwendung unumgänglich ist, ist die Dosis von Pralsetinib zu erhöhen.
- Die gleichzeitige Anwendung von Pralsetinib kann die Exposition mit sensitiven Substraten von CYP-Enzymen (CYP3A4, CYP2C9 und CYP2C8) und Transportern (P-gp, BCRP, OATP1B1, OATP1B3, OAT1, MATE1 und MATE2-K) verändern. Die Anwendung von Arzneimitteln mit enger therapeutischer Breite, die Substrate dieser CYP-Enzyme und Transporter sind (einschließlich, aber nicht beschränkt auf Ciclosporin, Paclitaxel und Warfarin), soll vermieden werden.
Studienlage
Grundlage der Zulassung bilden Daten der noch laufende Phase-II-Studie ARROW (NCT03037385), die eine sehr hohe Ansprechrate und lange Ansprechdauer bei nicht systemisch vorbehandelten RET-Fusions-positiven Patienten belegt.
Bis zum Cut-Off (November 2020) wurden 216 Patienten mit einem messbaren, fortgeschrittenen RET-Fusions-positiven NSCLC eingeschlossen. Relevant für die First-Line-Zulassung war die Auswertung der Daten von Patienten, die keine systemische Vortherapie erhalten hatten (n=68). Hier zeigte sich, dass von diesen 79% (95%-KI: 68 – 88%), im Median nach weniger als zwei Monaten, auf die Behandlung mit Pralsetinib ansprachen. Bei den Patienten, die mit einer Platin-basierten Chemotherapie vorbehandelt waren (n=126), betrug die mediane Gesamtansprechrate 62% (95%-KI: 53 – 70%).