Anwendung
Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (RTI) sind HIV-Therapeutika, die eingesetzt werden bei:
Wirkung
Reverse-Transkriptase-Inhibitoren hemmen die Aktivität des Enzyms Reverse Transkriptase, eine RNA-abhängige DNA-Polymerase, die in Retroviren wie HIV für die Reverse Transkription von RNA in die complementary DNA (cDNA) zuständig ist. Ohne eine Inhibition dieses Prozesses würde die entstehende cDNA durch das Enzym Integrase, welches ebenfalls ein Target der HIV-Therapie darstellt, in das Wirtsgenom integriert werden und damit zur Replikation des Virus beitragen.
RTI unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur und werden deshalb unterteilt in:
- Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI)
- Nukleotidanaloge Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NtRTI)
- Nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI)
Bei RTI handelt es sich in der Regel (Ausnahme NNRTI) um Prodrugs, da sie erst nach Phosphorylierung durch zelluläre Kinasen in ihre aktiven Wirkformen, die Nukleosid-Triphosphate (NTP), umgewandelt werden. Die Bindungsstelle der Nukleosid- bzw. Nukleotid-Analoga stimmt mit der Substratbindungsstelle überein, was einer kompetitiven Hemmung gleicht. Aufgrund der fehlenden 3‘-OH-Gruppe der Analoga kommt es letztendlich zum DNA-Kettenabbruch, wodurch die Replikation des Virus verhindert wird.
Nicht-nukleosidische RTI benötigen keine gesonderte Aktivierung durch zelluläre Kinasen, denn sie binden allosterisch an das Enzym Reverse Transkriptase und hemmen dadurch dessen Aktivität. Allerdings befindet sich die allosterische Bindungsstelle nur bei HIV-1-Enzymen, weshalb NNRTI bei einer HIV-2-Infektion unwirksam sind.
Darüber hinaus wirken RTI auch bei Infektionen mit dem Hepatitis B Virus, obwohl es sich bei HBV um ein DNA-Virus und nicht um ein zu den RNA-Viren gehöriges Retrovirus handelt. Hepatitis B Viren haben einen besonderen Replikationsmechanismus, denn die Replikation der DNA erfolgt im Zytosol unter Verwendung der mRNA als Vorlage für die viruseigene Polymerase, die sowohl eine Reverse Transkriptase- als auch eine RNase-H-Aktivität besitzt. Aus diesem Grund sind RTI auch bei HBV-Infektionen wirksam.
Nebenwirkungen
Das Nebenwirkungsprofil variiert je nach Wirkstoff und kann der jeweiligen Fachinformation entnommen werden.
Typisch für NNRTI sind Hautausschläge.
Unter NRTI können folgende gruppentypische (Langzeit-)Nebenwirkungen auftreten, die vorwiegend mit der Hemmung der mitochondrialen DNA-Polymerase γ in Verbindung gebracht werden (mitochondriale Toxizität):
Die mitochondriale Toxizität ist in Abhängigkeit vom Wirkstoff unterschiedlich stark ausgeprägt, wobei mit das höchste Risiko bei Stavudin und Didanosin vorliegt. Aufgrund einer hohen Selektivität für virale DNA-Polymerasen (HIV und HBV) zeichnen sich Emtricitabin und Lamivudin durch eine eher geringe Toxizität aus.
Wechselwirkungen
NRTIs und NtRTIs:
- Nukleosid- bzw. Nukleotid-Analoga werden größtenteils renal eliminiert, sodass sich bei der gleichzeitigen Anwendung von Arzneimitteln, die durch aktive tubuläre Sekretion ausgeschieden werden, die Serumkonzentration der betroffenen Analoga oder dem gleichzeitig angewendeten Arzneimittel erhöhen kann (wegen der Konkurrenz um diesen Eliminationsweg).
NNRTIs:
- Bei einigen NNRTIs (z.B. Efavirenz und Nevirapin) sind Wechselwirkungen mit CYP-Enzymen (vor allem CYP3A4) zu beachten.
Wirkstoffindividuelle Wechselwirkungen können in den zugehörigen Wirkstoffprofilen oder der jeweiligen Fachinformation nachgelesen werden.
Kontraindikation
Bei Überempfindlichkeit gegen den jeweiligen Wirkstoff der Gruppe oder sonstige Bestandteile des Arzneimittels ist die Einnahme kontraindiziert. Weitere wirkstoffspezifische Kontraindikationen sind der Fachinformation zu entnehmen.
Alternativen
Zur antiretroviralen Therapie können alternativ bzw. ergänzend folgende Wirkstoffe eingesetzt werden:
Wirkstoffe
Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs):
Nukleotidanaloge Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NtRTIs):
Nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI):
Hinweise
Kombinationstherapie:
- Die antiretrovirale Therapie sollte immer aus einer Kombination mehrerer antiretroviraler Wirkstoffe bestehen, um in erster Linie Resistenzen zu minimieren und synergistische Wirkungen zu erzielen.
- Nicht alle antiretroviralen Wirkstoffe dürfen bedenkenlos kombiniert werden.
Opportunistische Infektionen:
- Patienten, die eine antiretrovirale Therapie erhalten, können dennoch opportunistische Infektionen und sonstige Komplikationen einer HIV-Infektion entwickeln.
- Deshalb ist auch weiterhin eine engmaschige klinische Überwachung durch Ärzte erforderlich, die in der Behandlung von Patienten mit Begleiterkrankungen einer HIV-Infektion erfahren sind.
HIV-Übertragung:
- Obwohl gezeigt wurde, dass die erfolgreiche Virussuppression durch eine antiretrovirale Therapie das Risiko einer sexuellen Übertragung erheblich reduziert, kann ein Restrisiko nicht ausgeschlossen werden.
- Insbesondere Patienten, die nicht in einer monogamen Partnerschaft leben, sollte daher auch unter erfolgreicher Therapie die Beibehaltung von Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung einer Weitergabe der HIV-Infektion (v.a. Kondomgebrauch) empfohlen werden.