Arzneimittelexanthem

Arzneimittelexantheme sind die häufigsten Arzneimittelreaktionen der Haut. Die Symptomatik ist meist milde und klingt wenige Tage nach dem Absetzen des Medikaments ab. Die Exantheme können aber auch von systemischen Reaktionen begleitet werden und einen tödlichen Verlauf nehmen.

Allergieausschlag am Rücken

Definition

Arzneimittelexantheme sind kutane Manifestationen von Hypersensitivitätsreaktionen auf Arzneimittel (Arzneimittelreaktionen). Die World Allergy Organization (WAO) definiert Hypersensitivitätsreaktionen als reproduzierbare Symptome, die durch Exposition gegenüber einem bestimmten Stimulus in einer Dosis hervorgerufen werden, die von Normalpersonen problemlos toleriert wird.

Unter den Arzneimittelreaktionen werden Nebenwirkungen von Medikamenten zusammengefasst, die vom klinischen Bilde einer allergischen Reaktion gleichen, jedoch nicht immer allergisch bedingt sind, sondern auch eine nicht-allergische Genese haben können. Sie werden als Typ-B-Reaktionen klassifiziert, weil sie nicht vorhersehbar und nur bedingt dosisabhängig sind. Unter den Typ-A-Reaktionen werden hingegen vorhersehbare, dosisabhängige unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) zusammengefasst.

Arzneimittelexantheme treten mit einer Verzögerung von mindestens mehreren Stunden in der Regel jedoch Tagen mitunter auch Wochen nach der systemischen oder topischen Applikation eines Arzneimittels auf (Reaktionen vom Spättyp). Sie können allergisch oder nicht-allergisch bedingt sein.

Neben den Arzneimittelexanthemen können sich Arzneimittelreaktionen auch als Urtikaria (Reaktionen vom Soforttyp) und als Ekzeme auf und in der Haut manifestieren.

Arten der Arzneimittelexantheme

Die Symptomatik der Arzneimittelexantheme kann variieren. Einige Arzneimittelexantheme werden von systemischen Reaktionen begleitet, die einen weit schwereren und zum Teil lebensbedrohlichen Verlauf zur Folge haben können. Man unterscheidet folgende Arten der Arzneimittelexantheme, die sowohl allergisch als auch nicht allergisch bedingt sein können:

  • makulöses oder makulopapulöses Exanthem
  • fixes Arzneiexanthem
  • Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptom (DRESS) Syndrom
  • Stevens-Johnson-Syndrom (SJS)
  • toxische epidermale Nekrolyse (TEN) (Lyell-Syndrom)
  • pustulöses Exanthem
  • generalisierte bläschenbildende fixe Arzneimittelexantheme
  • akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP)
  • symmetrisches Arzneimittel-bedingtes intertriginöses und beugenlokalisiertes Exanthem (symmetrical drug-related intertriginous and flexural exanthema [SDRIFE])

Epidemiologie

Etwa 3,5% der Patienten werden in Europa aufgrund einer Arzneimittelreaktion hospitalisiert. Etwa 10% der stationären Patienten erleiden während ihres Aufenthalts eine Arzneimittelreaktion. In Umfragen berichten 35-38% der Befragten von einer Arzneimittelallergie. Bei der Analyse US-amerikanischer Patientendaten hatten 12,8% der Patienten eine Allergie gegen Penicillin, 7,4% gegen Sulfonamide, 6,8% gegen Opiate und 3,5% gegen nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR). Am häufigsten manifestieren sich Arzneimittelreaktionen mit einer Hautsymptomatik. Aufgrund einer im klinischen Alltag häufig nicht exakten Unterscheidung von allergisch bedingter und nicht-allergisch bedingter Arzneimittelreaktion wird bei den veröffentlichten Zahlen zur Vorsicht geraten. Die meisten Wissenschaftler vermuten, dass viele der dokumentierten Arzneimittelallergien tatsächlich den nicht-allergisch bedingten Arzneimittelreaktionen zuzurechnen sind.

Ursachen

Für die allergisch bedingten Arzneimittelexantheme ist meist ein verspäteter T-zellabhängiger allergischer Mechanismus verantwortlich.

Die Ursachen nicht-allergisch-bedingter Arzneimittelexantheme sind nicht sicher aufgeklärt. Man geht von einer direkten Stimulation von T-Zellen durch das verantwortliche Medikament aus.

Risikofaktoren für Arzneimittel-Reaktionen

Das höchste Risiko von kutanen Arzneimittelreaktionen besteht bei topischer Anwendung, direkt gefolgt von intrakutaner oder subkutaner Injektion. Ein wenig geringer ist das Risiko bei intramuskulärer und intravenöser Applikation. Am geringsten ist das Risiko von Reaktionen bei oraler Einnahme des Arzneimittels. Darüber hinaus erhöhen folgende Faktoren das Risiko für ein Arzneimittelexanthem:

  • weibliches Geschlecht
  • vorausgegangene Arzneimittel‐Hypersensitivitätsreaktionen
  • Infektionskrankheiten, vor allem virale Infektionen
  • genetische Faktoren (HLA‐Typ)
  • Kreuzsensibilisierungen
  • Leber‐ u./o. Niereninsuffizienz
  • Polymedikation (> 5 Medikamente)
  • Intermittierende Arzneimitteltherapie

Arzneimittel, die Arzneimittelexantheme hervorrufen können

Eine Vielzahl von Substanzen kann allergische und nicht-allergische Reaktionen der Haut hervorrufen. Ob ein Arzneimittel im Einzelfall ein Arzneimittelexanthem auslöst, hängt auch von den Begleitumständen, der Applikationsart und den Risikofaktoren des Patienten ab. Darüber hinaus werden stets neue Wirkstoffe und Wirkstoffkombinationen mit unterschiedlichen Zusatz-, Träger- und Hilfsstoffen auf den Markt gebracht, deren Potenzial als Auslöser von Arzneimittelreaktionen sich häufig erst im praktischen Alltag zeigt. Daher erhebt die folgende Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit:

Weitere Arzneimittel:

Pathogenese

Die Pathogenese von Arzneimittelexanthemen ist nicht völlig geklärt. Allergische und nicht-allergisch bedingte Genesen der Arzneimittelexantheme unterscheiden sich grundsätzlich.

Allergisch bedingtes Arzneimittelexanthem

Wie bei jeder allergischen Reaktion geht auch bei Arzneimittelexanthemen eine Sensibilisierungsphase voraus, die in der Regel zwischen fünf und zehn Tagen dauert. Bei einer erneuten Exposition mit niedrigen Substanzdosen tritt mit einer Latenz von sechs bis 48 Stunden eine T-Zell vermittelte Spätreaktion des Typs IV auf.

Nicht-allergisch bedingtes Arzneimittelexanthem

Die nicht-allergisch bedingten Arzneimittelreaktionen werden auch als pseudoallergische, idiosynkratische oder Intoleranzreaktionen bezeichnet. Ihnen geht keine Sensibilisierungsphase voraus. Zur Auslösung einer Intoleranzreaktion ist eine höhere Dosis des Arzneimittels vonnöten als für eine allergische Reaktion. Als Pathomechanismus für Reaktionen vom Soforttyp ist beispielsweise die direkte arzneimittelvermittelte Ausschüttung von Histamin bekannt. Bei Reaktionen vom Spättyp, wie dem Arzneimittelexanthem, wird die nicht-allergische idiosynkratische T-Zell-Aktivierung nach dem p-i-Konzept, einer pharmakologischen Interaktion von Medikamenten mit Immunrezeptoren, diskutiert. Dabei soll es zu einer direkten Bindung des Arzneimittels an einen zufällig passenden T-Zell-Rezeptor oder an ein MHC-Molekül kommen, die die T-Zelle stimuliert. Diese T-Zell-Stimulation bewirkt die gleiche klinische Symptomatik wie eine Typ-IV-Reaktion, eine spezifische Sensibilisierung wie bei einer allergischen Reaktion ist hierbei jedoch nicht erforderlich.

Symptome

Eine nicht-allergisch bedingte Arzneimittelreaktion verläuft meist nicht so schwer wie eine allergische. Die Symptome von allergischer und nicht-allergisch-bedingter Arzneimittelreaktion sind ansonsten jedoch kaum zu unterscheiden. Die meisten Arzneimittelexantheme verlaufen milde. Es gibt aber Hautreaktionen vom Spättyp, die einen sehr schweren Verlauf nehmen und tödlich enden können.

Antibiotika rufen meist eher milde Formen des Arzneimittelexanthems hervor. Bei schweren Verlaufsformen sind hingegen häufig Antiepileptika auslösend. Schwere Verläufe sind auch für Allopurinol, Nevirapin, Sulfamethoxazol und nicht-steroidalen Antiphlogistika vom Oxicam-Typ beschrieben worden.

Makulöses oder makulopapulöses Exanthem

Das makulöse oder makulopapulöse Exanthem ist die häufigste kutane Arzneimittelreaktion. Es handelt sich dabei um ein kleinfleckiges oder großfleckiges Exanthem, das dem Ausschlag bei Röteln oder Masern gleichen kann. Die Hautveränderungen breiten sich in der Regel vom Rumpf auf die Peripherie aus. Das Gesicht ist selten betroffen. Eine Quaddelbildung, vor allem an den Extremitäten, ist möglich. Ein leichtes Fieber kann die Hautveränderungen begleiten.

Fixes Arzneimittelexanthem

Bei der erneuten Anwendung des gleichen Arzneimittels (häufig die Kombination von Sulfamethoxazol und Trimethoprim) bildet sich dieses Exanthem an denselben Hautstellen wie zuvor. Meistens sind die Akren betroffen, wo sich ein nummuläres (münzartige) Erythem mit zentralem Bläschen oder Blase bildet (Kokarde). Nach der zügigen Abheilung kann eine postinflammatorische Hyperpigmentierung zurückbleiben. Das fixe Arzneimittelexanthem kann sich bei wiederholtem Kontakt aber auch mit multiplen Reaktionen über die gesamte Körperoberfläche ausbreiten. Schwere Verlaufsformen als generalisiertes bullöses fixes Arzneimittelexanthem (generalized bullous fixed drug eruption [GBFDE]) sind möglich.

Symmetrisches arzneimittelbedingtes intertriginöses und flexurales Exanthem

Das symmetrische arzneimittelbedingte intertriginöse und flexurale Exanthem (Symmetrical drug-related intertriginous and flexural exanthema [SDRIFE]) ist ein scharf begrenztes symmetrisches Exanthem an den großen Beugen sowie der Gluteal- und Genitalregion.

Erythema exsudativum multiforme

Das Erythema exsudativum multiforme (EEM) ist von Herpes-Infektionen bekannt. Viele Arzneimittelexantheme gehen mit EEM-artigen Effloreszenzen einher, die häufig verschmelzen. Wenn die Effloreszenzen auf die Schleimhäute übergreifen, bezeichnet man sie als EEM major.

Stevens-Johnson-Syndrom und toxisch epidermale Nekrolyse

Das bullöse allergische Arzneimittelexanthem des Stevens-Johnson-Syndroms (SJS) und der toxischen epidermalen Nekrolyse (TEN) gleichen sich bis auf das Verteilungsmuster. Während beim SJS Schleimhautläsionen im Vordergrund stehen (< 10% der Körperoberfläche), ist bei der TEN die äußere Haut > 30% von den Veränderungen betroffen. Bei einer Beteiligung von 15–30% der Körperoberfläche spricht man von einer Mischform von SJS/TEN.

Die Exantheme von SJS und TEN beginnen mit purpuriformen mitunter schmerzhaften Maculae, die sich rasch ausbreiten und konfluieren. Es bilden sich epidermale Blasen und Nekrosen, die zur Abschälung der Epidermis bzw. der Mucosa führen. Das Nikolski-Zeichen ist positiv. Eine Form des TEN ist auch als Lyell-Syndrom bekannt. Die bullösen allergischen Arzneimittelexantheme sind aufgrund ihres schweren und lebensbedrohlichen Verlaufs gefürchtet, kommen aber sehr selten vor (jährlich ca. 1-2 Fälle je 1 Million Einwohner).

DRESS-Syndrom

Das Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptom Syndrom (DRESS-Syndrom) geht mit einer Eosinophilie und systemischen Manifestationen einher. Das DRESS-Syndrom ist selten, kann aber einen letalen Verlauf nehmen. Es beginnt meistens 2-8 Wochen nach der ersten Applikation des Medikaments. Die Symptome dauern u.U. noch mehrere Wochen nach dem Absetzen des verantwortlichen Medikaments an. Zu den klinischen Erscheinungen des DRESS-Syndroms gehören:

  • generalisiertes Exanthem
  • Ödeme im Gesicht
  • Fieber
  • Blutbild: Eosinophilie, Lymphozytose, Thrombozytopenie
  • vergrößerte Lymphknoten
  • Entzündungen innerer Organe: z. B. Hepatitis, Nephritis, Pneumonie, Perikarditis, Myokarditis

Akute generalisierte exanthemische Pustulose

Bei der akuten generalisierten exanthemischen Pustulose (AGEP) bilden sich binnen Stunden sterile kleine, nicht an Follikel gebundene Pusteln auf der geröteten und ödematösen Haut. Der Ausschlag juckt und kann brennende Missempfindungen auslösen. Er ist meist von Fieber begleitet. Die AGEP kann lebensbedrohlich verlaufen.

Diagnostik

Ein Verdacht auf ein Arzneimittelexanthem besteht, wenn einer Hautveränderung die Applikation eines Medikaments vorausgegangen ist. Dabei ist zu berücksichtigten, dass die Applikation des Medikaments bereits Tage oder Wochen vorher erfolgt sein kann. Bei einer allergischen Reaktion kann die Sensibilisierung auf das Arzneimittel bereits Jahre vor dem aktuellen Krankheitsbild stattgefunden haben.

Da es das weitere diagnostische Vorgehen bestimmt, muss anhand des zeitlichen Verlaufs und des klinischen Bildes möglichst rasch zwischen Soforttyp- und Spättypreaktionen unterschieden werden. Urtikaria und Angioödeme sprechen eher für einen Soforttyp, makulöse/makulopapulöse Exantheme eher für einen Spättyp.

Frühestens sechs Wochen nach der Abheilung der Hautveränderungen durch eine Arzneimittelreaktion vom Spättyp muss abgeklärt werden, ob es sich um eine allergische Reaktion oder eine Intoleranzreaktion (Pseudoallergie) handelt. Die Diagnostik sollte jedoch auf jeden Fall binnen sechs Monaten nach der aktuellen Erkrankung durchgeführt werden.

Anamnese

Um einen Zusammenhang zwischen einer Arzneimittelapplikation und den aktuellen Hautläsionen herzustellen, sollte neben den Aussagen des Patienten – falls vorhanden – folgende Dokumente herangezogen werden:

  • Arztberichte
  • Verlaufsdokumentationen
  • Narkoseprotokolle
  • Fotos

Bei einer Polymedikation wird empfohlen, ein Zeitstrahldiagramm des zeitlichen Ablaufs der Applikation der potenziell verantwortlichen Medikamente anzufertigen, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Typische Zeitintervalle

Die gelisteten typischen Zeitintervalle zwischen erster Applikation des Arzneimittels und dem ersten Auftreten der Symptomatik dienen der Orientierung. Im Einzelfall kann es zu Abweichungen kommen:

  • Urtikaria, Anaphylaxie: typisch bis 1 Stunde, selten bis 12 Stunden nach Exposition
  • makulopapulöses Arzneimittelexanthem: 4–14 Tage nach Beginn der Zufuhr
  • AGEP: 1–12 Tage nach Beginn der Zufuhr
  • SJS/TEN: 4–28 Tage nach Beginn der Zufuhr
  • DRESS: 2–8 Wochen nach Beginn der Zufuhr

Bei Wiederholungsreaktionen ist das Zeitintervall im Vergleich zur Erstreaktion verkürzt.

Klinik

Die dermatologische Untersuchung beim Verdacht auf ein Arzneimittelexanthem umfasst neben der äußeren Haut, auch die hautnahen Schleimhäute und Hautadnexe, wie Haare und Nägel. Die Merkmale der Läsionen müssen systematisch erfasst werden. Hierzu muss Folgendes dokumentiert werden:

  • Morphe der Läsionen inklusive Größe und Form
  • Lokalisation (Stamm, Beugen, Akren, lichtexponierte Körperregionen)
  • Verteilungsmuster (Gliedmaßenbeugen, symmetrisch)

Laboruntersuchungen

Im akuten Stadium dient die Bestimmung des Differenzialblutbilds sowie der Leber- und Nierenparameter der frühzeitigen Entdeckung von möglichen systemischen Beteiligungen. Eosinophilie, Neutrophilie, Zytopenie und/oder pathologische Leber- und Nierenwerte sind als Hinweise auf eine systemische Beteiligung im Rahmen einer schweren Arzneimittelreaktion zu werten und erfordern das unverzügliche Absetzen der potenziell verantwortlichen Medikamente.

Histologie

Eine histologische Untersuchung eines aus der Läsion entnommenen Bioptats kann im Zweifel dabei helfen abzuklären, ob es sich bei den Hautveränderungen tatsächlich um die Manifestation einer Arzneimittelreaktion handelt.

Allergologische Diagnostik

Die allergologische Diagnostik sollte frühestens sechs Wochen nach Abklingen der Hautsymptomatik, jedoch binnen sechs Monaten nach der Erkrankung durchgeführt werden. Hierzu stehen In-vivo und In-vitro Verfahren zur Verfügung.

In-vivo Tests

Intrakutan- bzw. Scratch- und Epikutantests sowie gegebenenfalls Provokationstestungen mit den verdächtigten Arzneimitteln und/oder Ausweichpräparaten können eingesetzt werden. Bei schweren Hypersensitivitätsreaktionen dürfen Intrakutan- bzw. Scratch-Testungen nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden, da sie ein gesundheitliches Risiko für den Patienten darstellen. Das gilt auch für Provokationstestungen, die nur unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollten.

In-vitro Tests

Für die Abklärung von Spättypreaktionen sind folgende Tests geeignet:

  • Lymphozytenproliferationstest (LTT),
  • Enzyme-Linked Immunosorbent Spot (ELISpot) Assay
  • Enzyme-Linked Immunosorbent Assay (ELISA)

Eine nachgewiesene Arzneimittelallergie oder Pseudoallergie sowie der Verdacht darauf sollte in einen Allergiepass eingetragen werden, den der Patient mit sich führen sollte. Eine Kopie des Ausweises sollte in den Krankenakten des Patienten archiviert werden.

Differentialdiagnosen

Folgende Differentialdiagnosen sind im Einzelfall abzuklären und ggf. auszuschließen:

  • Virale Infektionen (z. B. Masern)
  • Andere Infektionen
  • Erythrodermatische Hauterkrankungen (z. B. atopische Dermatitis)
  • Urtikaria
  • Disseminierte Kontaktdermatitiden
  • Kutaner Lupus erythematodes
  • Autoimmunbullöse Dermatosen (z. B. bullöses Pemphigoid, Pemphigus vulgaris)
  • Leukozytoklastische Vaskulitis
  • Akute febrile neutrophile Dermatose (Sweet-Syndrom)

Therapie

Die erste therapeutische Maßnahme besteht im Absetzen des verdächtigen Arzneimittels. Eine Besserung der Symptome ist jedoch häufig erst mit einiger Verzögerung zu erwarten. Mitunter kommt es durch die Reaktion vom Spättyp sogar noch zu einer Verschlechterung des klinischen Bildes. Je nach Medikament und Reaktionstyp können Wochen bis zur vollkommenen Abheilung vergehen.

Sehr leichte Verläufe

Bei sehr leichten Formen des Exanthems kann bei mangelnder Alternativmedikation auch ein Durchbehandeln mit dem verantwortlichen Medikament erwogen werden. Dies setzt aber eine engmaschige Kontrolle des Patienten voraus, um mögliche Verschlechterungen schnellstmöglich zu erkennen. Eine begleitende Therapie mit Glukokortikoiden und/oder Antihistaminika lindert die Symptome. Bei manchen Patienten entwickelt sich dabei eine Toleranz gegenüber dem Medikament.

Leichte bis mittelgradige Verläufe

Leichte bis mittelgradige Arzneimittelexantheme können nach Absetzen des Arzneimittels je nach Symptomatik mit topischen und systemischen Glukokortikoiden sowie Antihistaminika behandelt werden.

Schwere Verläufe

Die im Verdacht stehenden Medikamente müssen sofort abgesetzt werden. Bei schweren Verläufen ist eine intensivmedizinische, symptomatische Behandlung des Patienten meist mit systemischen Immunsuppressiva, Immunmodulatoren und Antipyretika erforderlich. Bei großflächigen Hautablösungen infolge eines bullösen Arzneimittelexanthems wird die Therapie in einem Zentrum für Brandverletzungen empfohlen. Da eine Augenbeteiligung möglich ist, sollten die Patienten ophthalmologisch untersucht werden.

Prognose

Die Prognose reicht beim Arzneimittelexanthem je nach Art von einer völligen Abheilung und eventuell sogar Toleranzentwicklung gegenüber dem auslösenden Arzneimittel bis hin zu schweren Verläufen, die intensivmedizinischer Therapie bedürfen und tödlich enden können.

Prophylaxe

Bei bekannter Arzneimittelhypersensitivität sollten das entsprechende Arzneimittel und kreuzreagierende Substanzen gemieden werden.

Hinweise

Wenn die Medikation, die das Arzneimittelexanthem auslöst, weder verzicht- noch ersetzbar ist, kann eine Toleranzinduktion versucht werden. Dabei wird das Arzneimittel dem Patienten mit schrittweiser Dosissteigerung (analog einer Desensibilisierung) unter engmaschigem Monitoring verabreicht. Bei schweren Verläufen ist die Toleranzinduktion kontraindiziert.

Autor:
Stand:
16.12.2019
Quelle:
  1. Brockow, Przybilla, Aberer (2015): S2K-Leitlinie Allergologische Diagnostik von Überempfindlichkeitsreaktionen auf Arzneimittel Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) Allergo J Int24:94. AWMF-Registernummer 061-021
  2. Brandt, Bircher (2017): Spättypreaktionen auf oral und parenteral verabreichte Arzneimittel. JDDG 15(11). DOI: 10.1111/ddg.13362_g
  3. Demoly, Adkinson, Brockow (2014): International Consensus on drug allergy. Allergy 69 (4) 420-437 DOI: 10.1111/all.12350
  4. Sánchez-Borges, Thong, Blanca et al. (2013):  Hypersensitivity reactions to non beta-lactam antimicrobial agents, A statement of the WAO Special Committee on Drug Allergy. World Allergy Organization Journal 6:18 DOI:10.1186/1939-4551-6-18.
  5. Zhou, Dhopeshwarkar, Blumenthal et al. (2016): Drug allergies documented in electronic health records of a large healthcare system. Allergy 71:1305–13. DOI: 10.1111/all.12881
  6. Rebolo Gomes, Kuyucu (2017): Epidemiology and Risk Factors in Drug Hypersensitivity Reactions Curr Treat Options Allergy 4:239–257 DOI: 10.1007/s40521-017-0128-2
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