Neu: Rozlytrek bei Tumoren mit NTRK-Genfusion

Rozlytrek (Entrectinib) kann bei verschiedenen Krebsarten angewendet werden, solange eine bestimmte Mutation vorliegt. Es handelt sich um ein Krebsmedikament auf Basis des Vorhandenseins eines Biomarkers unabhängig vom Gewebetyp. Die neue tumoragnostische Behandlungsoption ist ein bedeutender Schritt zu einer zielgerichteten und personalisierten Krebstherapie auf Basis molekulargenetischer Marker.

Entrectinib

Hintergrund

Nachdem die Europäische Kommission dem Tyrosinkinase-Inhibitor Rozlytrek mit dem Wirkstoff Entrectinib des Pharmaunternehmens Roche die Zulassung zur histologieübergreifenden Therapie von soliden Tumoren mit neurotropher Tyrosinrezeptorkinase (NTRK)-Genfusion und des ROS1-Fusions-positiven nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) erteilt hat, ist das Medikament nun zum 1. September 2020 in Deutschland verfügbar.

Rozlytrek erhält somit eine tumoragnostische Zulassung. Das bedeutet, dass sich die Behandlung weder an Krebsart, Ursprungsorgan oder an Gewebeeigenschaften orientiert, sondern auf dem Nachweis spezifischer molekulargenetischer Veränderungen (Biomarker) im Tumor basiert. Voraussetzung für den Einsatz der zielgerichteten Therapie ist eine umfassende molekulargenetische Diagnostik.

Was ist Rozlytrek und wofür wird es angewendet?

Rozlytrek (Entrectinib) ist ein Inhibitor der Tropomyosin-Rezeptor-Kinasen (TRK). Das Medikament ist als Monotherapie indiziert zur oralen Behandlung von Erwachsenen und pädiatrischen Patienten ab 12 Jahren mit soliden Tumoren und nachgewiesener neurotropher Tyrosinrezeptorkinase (NTRK)-Genfusion wenn:

  • eine lokal fortgeschrittene oder metastasierte Erkrankung vorliegt oder eine Erkrankung, bei der eine chirurgische Resektion wahrscheinlich zu schwerer Morbidität führt, und
  • bisher kein NTRK-Inhibitor angewendet wurde
  • keine zufriedenstellende Therapieoptionen zur Verfügung steht

Weiterhin ist Rozlytrek als Monotherapie zugelassen bei erwachsenen Patienten mit ROS1-positivem, fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), die zuvor keine Behandlung mit ROS1-Inhibitoren erhalten haben.

Wie wird Rozlytrek angewendet?

Rozyltrek ist für die orale Anwendung vorgesehen und als 100 mg sowie als 200 mg Hartkapseln erhältlich.

Dosierung

Die empfohlene Dosis beträgt bei Erwachsenen 600 mg Entrectinib einmal täglich. Für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren beträgt die empfohlene Dosis 300 mg/m² Körperoberfläche (KOF) Entrectinib einmal täglich.

Wie wirkt Rozlytrek?

Entrectinib ist ein Inhibitor der Tropomyosin-Rezeptor-Tyrosinkinasen TRKA, TRKB und TRKC (codiert jeweils von den neutrophen Tyrosinrezeptorkinase[NTRK]-Genen NTRK1, NTRK2 bzw. NTRK3), der protoonkogenen Tyrosin-Proteinkinase ROS (ROS1) und der anaplastischen Lymphom-Kinase (ALK). Dadurch werden die intrazellulären Signalkaskaden von Krebszellen, die ein NTRK-Fusionsgen besitzen und konstitutiv aktive TRK-Proteine exprimieren, gestört. Fusionsproteine, die TRK-, ROS1- oder ALK-Kinase-Domänen enthalten, treiben das tumorigene Potenzial durch Hyperaktivierung der nachgelagerten Signalwege, was zu einer unkontrollierten Zellproliferation führt.

NTRK-Fusionen kommen mit wechselnder Prävalenz bei zahlreichen soliden Tumoren ganz unterschiedlicher Lokalisationen vor.

Gegenanzeigen

Rozlytrek darf nicht angewendet werden bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der genannten sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.

Rozlytrek sollte nicht bei Patienten mit Elektrolytstörungen oder schweren Herzerkrankungen, einschließlich kürzlich aufgetretenem Myokardinfarkt, kongestivem Herzversagen, instabiler Angina pectoris oder Bradyarrhythmien angewendet werden. Wenn nach Meinung des behandelnden Arztes der potenzielle Nutzen von Rozlytrek bei einem Patienten mit einer dieser Erkrankungen die potenziellen Risiken überwiegt, ist eine zusätzliche Überwachung durchzuführen und eine fachärztliche Beratung in Betracht zu ziehen.

Rozlytrek kann bei Anwendung während der Schwangerschaft den Fetus schädigen. Frauen im gebärfähigen Alter müssen deshalb während der Behandlung und bis zu 5 Wochen nach der letzten Dosis von Rozlytrek hochwirksame Verhütungsmethoden anwenden.

Nebenwirkungen

Die Sicherheit von Rozlytrek wurde anhand einer integrierten Analyse von 504 Personen aus vier Studien bewertet. Hierbei erwies sich das Medikament als gut verträglich und die meisten unerwünschten Ereignisse waren vom Grad 1 oder 2 und reversibel. Nur 4,5% der ROS1- und 3,9% der NTRK-Fusions-positiven Patienten brachen die Behandlung wegen behandlungsbedingter Nebenwirkungen ab. Die häufigsten unerwünschten Reaktionen (≥20%) waren:

  • Fatigue
  • Obstipation
  • veränderter Geschmackssinn
  • Ödeme
  • Diarrhöe, Übelkeit, Erbrechen
  • Dysästhesie, kognitive Störungen
  • Dyspnoe, Husten und Fieber
  • Anämie
  • Gewichtszunahme
  • Kreatinin-Erhöhung im Blut
  • Schmerzen

Weiterhin wurden Fälle von Verlängerungen des QTc-Intervalls beobachtet.

Wechselwirkungen

CYP3A4

Entrectinib ist ein schwacher Inhibitor von CYP3A4 und basierend auf In-vitro-Daten ist CYP3A4 das primäre Enzym, das die Metabolisierung von Entrectinib und die Bildung seines aktiven Hauptmetaboliten M5 katalysiert.

Dementsprechend ist Vorsicht geboten, wenn der Wirkstoff zusammenmit sensitiven CYP3A4-Substraten (z. B. Cisaprid, Cyclosporin, Ergotamin, Fentanyl, Pimozid, Chinidin, Tacrolimus, Alfentanil und Sirolimus) oder CYP3A-Induktoren gegeben wird.

Die gleichzeitige Anwendung starker und moderater CYP3A-Inhibitoren (einschließlich, aber nicht beschränkt auf Ritonavir, Saquinavir, Ketoconazol, Itraconazol, Voriconazol, Posaconazol, Grapefruit oder Bitterorange) ist zu vermeiden. Wenn eine gleichzeitige Anwendung von starken oder moderaten CYP3A4-Inhibitoren nicht vermieden werden kann, ist eine Dosisanpassung von Entrectinib erforderlich.

P-Glykoprotein

In-vitro-Daten deuten darauf hin, dass Entrectinib inhibitorisches Potenzial gegenüber P-Glykoprotein (P-gp) besitzt. Die gleichzeitige Gabe von Digoxin (einem sensitiven P-gp-Substrat) hatte allerdings keine klinisch relevanten Auswirkungen.

Die gleichzeitige Gabe von Entrectinib zusammenmit CYP3A-/P-gp-Induktoren (einschließlich, aber nicht beschränkt auf Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Rifabutin, Rifampicin, JohanniskrautHypericum perforatum, Apalutamid, Ritonavir) ist zu vermeiden.

BCRP

In In-vitro-Studien wurde eine Inhibierung von BCRP beobachtet. Die klinische Relevanz dieser Inhibierung ist nicht bekannt, jedoch ist aufgrund des Risikos einer erhöhten Resorption Vorsicht geboten, wenn sensitive orale BCRP-Substrate (z. B. Methotrexat, Mitoxantron, Topotecan und Lapatinib) gleichzeitig mit Entrectinib angewendet werden.

Organo-Anion-Transporter

Entrectinib besitzt ein schwaches inhibitorisches Potenzial gegenüber Organo-Anion-Transportern (organic anion-transporting polypeptide– OATP)1B1. Die klinische Relevanz dieser Inhibierung ist nicht bekannt, jedoch ist aufgrund des Risikos einer erhöhten Resorption Vorsicht geboten, wenn sensitive orale OATP1B1-Substrate (z. B. Atorvastatin, Pravastatin, Rosuvastatin, Repaglinid oder Bosentan) gleichzeitig mit Entrectinib angewendet werden.

Pregnan-X-Rezeptor

Entrectinib kann weiterhin Enzyme induzieren, die über den Pregnan-X-Rezeptor (PXR) reguliert werden (z. B. CYP2C-Familie und UGT). Die gleichzeitige Anwendung von Entrectinib mit CYP2C8-, CYP2C9- oder CYP2C19-Substraten (z. B. Repaglinid, Warfarin, Tolbutamid oder Omeprazol) kann deren Exposition verringern.

Hormonale Kontrazeptiva

Die Wirksamkeit von systemisch wirkenden hormonalen Kontrazeptiva kann verringert sein. Deswegen wird Frauen, die systemisch wirkende hormonale Kontrazeptiva anwenden, geraten, zusätzlich eine Barrieremethode anzuwenden.

Studienlage

Die positive Stellungnahme des Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA zur Zulassung von Rozyltrek basiert auf den Ergebnisse der Phase-II-Studie STARTRK-2, der Phase-I-Studien STARTRK-1 und ALKA-372-001 sowie den Daten der Phase-I/II-Studie STARTRK-NG.

Rozlytrek reduzierte die Tumorgröße bei mehr als der Hälfte der Patienten mit NTRK-fusionspositiven, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten soliden Tumoren (Gesamtansprechrate [ORR] = 63,5%; n=74). Objektive Ansprechraten wurden bei 14 Tumorarten beobachtet (mediane Ansprechdauer [DoR] = 12,9 Monate).

Bei ROS1-positivem, fortgeschrittenem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) schrumpfte der Tumor bei 73,4% der Patienten (ORR; n=94) bei 12 Monaten Nachbeobachtungszeit, mit einer medianen Ansprechdauer [DoR] von 16,5 Monaten (14,6 bis 28,6 Monate). In einer Gruppe von 161 Patienten mit einer Nachbeobachtungszeit von 6 Monaten, darunter 29% der Patienten mit Metastasen des Zentralnervensystems zu Studienbeginn, wurde eine ORR von 67,1% beobachtet. Objektive Ansprechraten auf Rozlytrek wurden bei Patienten mit ZNS-Metastasen zu Studienbeginn sowohl in der NTRK- als auch in der ROS1-Population beobachtet.

Bei pädiatrischen Patienten reduzierte Rozlytrek bei allen Kindern und Jugendlichen mit NTRK-Genfusionen (n=5) die Tumoren (ORR), wobei zwei eine vollständige Remission erreichten. Zwei Patienten mit primären hochgradigen Tumoren im ZNS zeigten objektive Ansprechraten, darunter ein Patient mit vollständiger Remission.

Quelle:
  1. Fachinformation Rozlytrek
  2. Roche: Pressemitteilung
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